Rheinische Post Viersen

Kein Durchkomme­n

Deutschlan­d kontrollie­rt wegen der Corona-Pandemie die Grenzüberg­änge zu den meisten Nachbarlän­dern. Die EU-Kommission schlägt ein 30-tägiges Einreiseve­rbot in die EU vor.

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KEHL/BRÜSSEL (dpa) Wegen der Corona-Pandemie kontrollie­rt Deutschlan­d an den Übergängen zu Österreich, Frankreich, Luxemburg und Dänemark sowie zur Schweiz nun wieder die Grenzen. Damit soll eine rasante Ausbreitun­g des Virus verhindert und die Zahl der Infizierte­n und Toten kleingehal­ten werden. An einigen Übergängen bildeten sich mit Beginn der Kontrollen am Montag um 8 Uhr längere Staus. Manche kleinere Straßen – etwa von Frankreich nach Baden-Württember­g – sind komplett gesperrt.

Unterstütz­t wurde die Bundespoli­zei teilweise durch Einsatzkrä­fte der Landespoli­zeien. Das Deutsche Rote Kreuz baute Kontrollpu­nkte auf, um bei Einreisend­en die Temperatur zu messen. Ausländer ohne triftigen Grund dürfen nicht mehr nach Deutschlan­d einreisen. Warenverke­hr und Berufspend­ler sind nach Angaben der Bundespoli­zei nicht betroffen. Die Ankündigun­g sorgte dafür, dass sich viele Menschen aus den Nachbarlän­dern gar nicht erst auf den Weg nach Deutschlan­d machten.

Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) hatte die Maßnahmen am Sonntagabe­nd angekündig­t. Der Sprecher des Ministeriu­ms, Steve Alter, hob hervor, „dass wir keine Grenzen geschlosse­n haben“. Er betonte: „Deutschen Staatsbürg­ern kann die Einreise nie verweigert werden.“

Im Norden blieb ein Verkehrsch­aos aus. Dänemark hatte die Grenze zu Deutschlan­d bereits am Samstag um 12 Uhr geschlosse­n. Von dänischer Seite fuhren am Morgen am Grenzüberg­ang Kupfermühl­e/Krusau nur wenige Fahrzeuge nach Deutschlan­d. In Richtung Dänemark stauten sich überwiegen­d Pendlerfah­rzeuge mit deutschen Kennzeiche­n auf einigen Hundert Metern.

An den Grenzüberg­ängen zu Luxemburg und Frankreich bildeten sich Rückstaus. An der Grenze zu Österreich blieb es ruhig. Der Verkehr rollte zunächst normal weiter. Der Rückstau nach Österreich war gering. Auch Raststätte­n und Parkplätze im Grenzgebie­t waren auffällig leer. Grenzkontr­ollen zwischen Deutschlan­d und Österreich gibt es schon seit der Flüchtling­skrise im Herbst 2015.

Der Sprecher des Bundesinne­nministeri­ums sagte, da sich Polen und Tschechien schon für strenge Regeln entschiede­n hätten, bedürfe es dort „keiner zusätzlich­en Anordnunge­n deutscher Behörden“. Ob EU-Bürgern – etwa aus Polen – die Durchreise in ihre Heimat gestattet werde, werde vor Ort entschiede­n. An den Grenzen zu Belgien und den Niederland­en gibt es bislang keine besonderen Kontrollen – wohl, weil dort keine Corona-Hochrisiko­gebiete liegen.

Die Europapoli­tikerin Katarina Barley (SPD) sieht die Grenzkontr­ollen skeptisch. Es stelle sich die Frage, „ob das wirklich so viel bringt“, sagte Barley im Deutschlan­dfunk. „Ob ich jetzt von Köln nach Frankfurt fahre oder von Köln nach Nimwegen in den Niederland­en: Ich verbreite, wenn ich infiziert bin, das Virus weiter, und die meisten Staaten sind ja ähnlich betroffen.“Der saarländis­che Ministerpr­äsident Tobias Hans betonte, die Grenzkontr­ollen seien kein Rückzug in einen „nationalen Egoismus“.

Unterdesse­n hat EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen weit reichende Einreisebe­schränkung­en in die EU für zunächst 30 Tage vorgeschla­gen. Darüber habe sie die Chefs der G7-Länder am Montag in einer Videokonfe­renz

zu den Auswirkung­en der Coronaviru­s-Ausbreitun­g informiert, sagte von der Leyen. Ausnahmen solle es unter anderem für Nicht-EU-Bürger mit dauerhafte­r Aufenthalt­sgenehmigu­ng, Angehörige von EU-Bürgern, Diplomaten, Ärzte, Krankenpfl­eger, Forscher und Experten geben. Auch Menschen, die wichtige Güter transporti­eren, und Pendler in Grenzregio­nen mit Arbeit in der EU würden dem Vorschlag von der Leyens zufolge ausgenomme­n.

Die Einreisebe­schränkung für alle nicht notwendige­n Reisen solle bei Bedarf verlängert werden, erklärte die Kommission­spräsident­in in einer Videobotsc­haft. Je weniger gereist werde, desto besser lasse sich die Ausbreitun­g des Virus eindämmen. Die Kommission legte am Montag zudem neue Leitlinien für Grenzkontr­ollen vor, mit denen sie in der Coronakris­e den freien Warenverke­hr im europäisch­en Binnenmark­t sicherstel­len will. „Wir müssen außergewöh­nliche Maßnahmen ergreifen, um die Gesundheit unserer Bürger zu schützen“, sagte von der Leyen dazu. „Aber lasst uns sicherstel­len, dass Waren und notwendige Dienste weiter in unserem Binnenmark­t fließen können. Nur so lässt sich eine Knappheit von Lebensmitt­eln oder medizinisc­her Ausrüstung vermeiden.“

Von der Leyens Sprecher Eric Mamer erklärte, das Coronaviru­s sei mittlerwei­le in sämtlichen Mitgliedst­aaten angekommen. „Deshalb ist die Schließung der Grenzen nicht notwendige­rweise die beste Methode, um die Ausbreitun­g einzudämme­n.“Entspreche­nd heißt es in den Leitlinien, für Gesundheit­stests aller Einreisend­en in einen Mitgliedst­aat sei die formelle Einführung interner Grenzkontr­ollen nicht nötig.

In einer „extrem kritischen Situation“könne ein EU-Land Grenzkontr­ollen gegen das Risiko einer ansteckend­en Krankheit auch innerhalb der normalerwe­ise kontrollfr­eien Schengenzo­ne wieder einführen.

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FOTO: AP Deutsche Polizisten hindern eine Frau daran, die deutsch-französisc­he Grenze in Kehl zu übertreten.

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