Milliarden für die Kohlereviere
Ministerpräsident Laschet stellt sich hinter die Tagebau-Regionen. Die Kommission empfiehlt hohe Ausgleichszahlungen und den Umzug von Behörden in die Abbau-Gebiete.
BERGHEIM/BERLIN Im rheinischen Braunkohlerevier haben am Mittwoch rund 20.000 Kohlekumpel und weitere Mitarbeiter der Energiewirtschaft für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und gegen einen schnellen Kohleausstieg demonstriert. Anlass der Proteste war eine Sitzung der Kohlekommission in der Nähe. Die Kommission soll bis Ende des Jahres einen Plan für einen sozialverträglichen Ausstieg aus der Kohleverstromung vorlegen. Dazu wurde der jüngste Entwurf eines Zwischenberichts der Kommission bekannt, der unserer Redaktion vorliegt. Demnach empfiehlt das Gremium unter anderem den Umzug des Bonner Bundesamts für Sicherheit und Informationstechnik (BSI) und des Kölner Bundesverwaltungsamts (BVA) in die Kohle-Regionen.
Der Umzug von Bundes- oder Landesbehörden soll die Regionen stärken, weil sie mit dem Tagebau verbundene Wertschöpfungsketten früher als bislang geplant verlieren sollen. Bisher gibt es etwa im Rheinischen Revier Abbau-Genehmigungen bis 2045. Aus Klimaschutzgründen strebt die Bundesregierung aber einen früheren Ausstieg an.
In Bergheim stellte sich NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hinter die vom Strukturwandel betroffenen Mitarbeiter. Trotz des Kohleausstiegs müsse die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts erhalten bleiben, sagte er. Die Versorgungssicherheit müsse nach dem Ausstieg jederzeit gegeben sein. Auch Brandenburgs früherer Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), einer der vier Kommissionsvorsitzenden, warnte davor, durch „überstürzte Maßnahmen“Jobs zu gefährden.
Im Zwischenbericht verlangt die Kommission eine Selbstverpflichtung des Bundes und der Länder, Neugründungen, Verlagerungen oder Erweiterungen von Behörden oder Einrichtungen prioritär in den betroffenen Regionen vorzunehmen. „Behörden, die hierfür in Frage kommen, sind unter anderem das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik (BSI) und das Bundesverwaltungsamt“, heißt es in dem 39 Seiten langen Entwurf. Er soll am heutigen Donnerstag in einer weiteren Kommissionssitzung in Berlin beraten werden. Im Bonner BSI arbeiten 800 Mitarbeiter, im Kölner BVA 5500.
In den vier Braunkohle-Regionen sollten zudem so genannte „Reallabore“eingerichtet werden, „mit denen Vorhaben mit Pioniercharakter für die Energiewende auf den Weg gebracht werden sollen“, so der Bericht. Schwerpunkt solle die Power-To-Gas-Technologie werden, bei der aus Wasser Brenngas hergestellt wird, das gespeichert werden kann. Die Kommission fordert zudem, das Rheinische Revier und die Lausitz beim Ausbau der Digitalisierung als zusätzliche 5G-Modellregionen zu erschließen. Die Bundesregierung solle sich überdies auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass die Kohleregionen auch künftig Sonderfördergebiete bei Strukturfördermitteln bleiben. Bei der Vergabe von Fördermitteln oder beim Bau von Straßen und Schienen solle es einen „Revierbonus“geben, der die Regionen bevorzugt.
Die vom Bund bis 2021 zugesagten 1,5 Milliarden Euro für prioritäre strukturpolitische Ausgaben in den Regionen betrachtet die Kommission als „ersten Schritt“, so der Bericht. Darin entwirft die Kommission auch spezielle strukturpolitische Pläne für jedes der vier deutschen Tagebau-Gebiete. Im Rheinischen Revier seien die Ausgangsbedingungen für den weiteren Strukturwandel „besonders gut“. Zur Schaffung neuer Wertschöpfungsketten solle das Rheinische Revier „Modellstandort im künftigen Energiesystem“werden.