Eine Ford-Tradition geht zu Ende
Nach 36 Jahren schließt Alan Tedder das Ford-Autohaus an der Borner Straße in Brüggen. Er hatte es einst mit seinem Schwager Manfred Tiskens aufgebaut. Ein Nachfolger fand sich nicht
BRÜGGEN Die Halle, in der früher immer dicht an dicht die neuesten Modelle aus dem Ford-Konzern standen, ist fast ausgeräumt. Neben der Eingangstür steht noch ein Blumenkübel mit einer Palme, rechts vorne wartet noch ein weißer Mondeo auf einen Käufer. Doch es scheint nur so. „Den nehme ich mit nach Hause“, sagt Alan Tedder, der zum Monatsende die Türschlüssel für das Autohaus an den Nagel hängt, Autoschlüssel aber weiterhin bewegen will. Damit verschwindet das blau-weiße Markenschild mit dem Ford-Schriftzug in einer Ellipse aus dem Brüggener Ortsbild. Immerhin rund 85 Jahre war es hier zu sehen.
„Morgens aufschließen, abends abschließen, Urlaub nur gestohlen, das hört jetzt auf“
Alan Tedder
Autohaus-Chef
Denn das Autohaus „Tedder + Tiskens“hat einen Vorläufer. Alan Tedder hat die Jahreszahl nicht mehr genau im Kopf, aber wahrscheinlich 1933 hat Bernhard Wortmann an der Hochstraße eine KraftfahrzeugReparaturwerkstatt mit Verkauf von Ford-Autos eröffnet. Bis 1982 wurde dort in sehr beengten Verhältnissen gearbeitet, dann zog das Autohaus unter neuem Namen an die Borner Straße 72. Ein Foto, „etwa Mitte der 1970er-Jahre“, das im Büro des Chefs hängt, erinnert noch an alte Zeiten: links Glorias Grill, rechts die Brüggener Stuben (mit zwei VW vor der Tür), gegenüber die Bäckerei Strick.
Ford blieb in der Familie, denn Alan Tedder hatte eine WortmannTochter geheiratet. Der gebürtige Engländer hat deutsche Wurzeln, seine Großmutter stammt aus Leipzig. „Irgendwie ist die Familie wieder nach Deutschland gekommen“, erinnert sich Tedder, der bei Mattes in Brüggen Kraftfahrzeugmechaniker lernte und in Simmerath den Meister machte. Er arbeitete danach eine Zeit lang in Mönchengladbach, ehe es ihn wieder nach Brüggen zog und er sich als 29-Jähriger mit dem rund 20 Jahre älteren Manfred Tiskens selbstständig machte – mit dem Schwiegervater im Hintergrund. Tiskens verabschiedete sich Ende 1996 in den Ruhestand.
Der Engländer Tedder – er hat den Pass Ihrer Majestät bis heute – profitierte auch von der englischen Kundschaft auf dem Flughafen Bruggen in Elmpt und dem Munitionsdepot in Bracht. Die Militärs schickten ihre Ford-Transit zur Wartung, selbst von den RAF-Flughäfen Laarbruch und Wildenrath her. Mit einem Piloten aus Elmpt wurde das Kundenverhältnis „zu einer echten Freundschaft“, erinnert sich Tedder. Sie bewährte sich auch über die ständigen Versetzungen des Solda- ten hinaus. „Wir haben uns immer wieder gesehen.“
Tedders Verhältnis zu Autos ist das eines kühl rechnenden Verkäufers. „Heiße Schlitten“hat er selbst nie gefahren. Wohl hat er mal mit dem „T-Ford“als Oldtimer geliebäugelt, aber er fand nie ein Modell von „Tin Lizzy“, das ihm zugesagt hätte. In die dritte Lebensphase startet er mit einem Ford Mondeo Turnier, „praktisch und gut“. Allerdings hat er auch noch ein Wohnmobil in der Hinterhand, mit dem er auf Reisen gehen will, um Europa und vielleicht auch mehr zu erkunden.
Er freut sich auf den Ruhestand und den Abschied vom täglichen Stress. „Morgens aufschließen, abends abschließen, Urlaub nur gestohlen“– das 36 Jahre lang, „das hört jetzt auf.“So will er sich auch Zeit lassen bei der Vermarktung von Grundstück und Gebäuden. Anfragen für dieses Filetstück hat er schon recht viele erhalten, „aber die muss ich mir sehr sorgfältig ansehen“. Eine Nachfolge in der Familie schied aus, da er keine Kinder hat, und Ford war auch nicht brennend daran interessiert, als Marke in Brüggen zu bleiben.
Tedders Mitarbeiter sind schon in anderen Kfz-Werkstätten untergekommen – bis auf Michael Scheufens. Der heute 52-Jährige hat einst bei dem Autohaus eine kaufmännische Lehre gemacht und ist danach geblieben. Den Chef in den letzten Monaten mit Rechnungswesen und Verwaltung im Stich zu lassen, „das ist nicht meine Sache“. Er will ab 1. Februar dann auf Stellensuche gehen.
FINJA EMGENBROICH