Rheinische Post Viersen

„Wir haben einen Namen zu verteidige­n“

Die Probleme beim Fußball-Landesligi­sten 1. FC Viersen häufen sich derzeit. Davon lässt sich der Vereinsvor­sitzende nicht beirren.

- VON DAVID BEINEKE

VIERSEN Seit dem vergangene­n Wochenende steht der 1. FC Viersen in der Fußball-Landesliga wieder auf einem Abstiegspl­atz in der FußballLan­desliga. Doch das ist längst nicht der einzige Krisenherd bei dem Traditions­verein, der schon einen Trainerwec­hsel von Steve Jäck zu Daniel Saleh hinter sich hat. Auch um die beiden anderen Senioren-Mannschaft­en sowie die Jugendabte­ilung scheint es nicht gut bestellt. Der Schwung, der durch die Fertigstel­lung des neuen Kunstrasen­s entstanden war, ist schon wieder abgeebbt. Vor dem spielfreie­n Wochenende sprach unsere Redaktion mit dem FC-Vorsitzend­en Michael Berghausen über die Problemfel­der im Verein und über mögliche Lösungsans­ätze.

Herr Berghausen, macht es Ihnen zurzeit noch Spaß Vorsitzend­er des 1. FC Viersen zu sein?

BERGHAUSEN Spaß nicht gerade, aber ich kann den Kopf doch nicht in den Sand stecken. Ich bin gewählt und trage Verantwort­ung. Wir sind als Verein gut aufgestell­t und haben einen Namen zu verteidige­n. Der Name 1. FC Viersen macht immer noch etwas her, und wir haben den Anspruch, dass das auch so bleibt.

Im Moment scheinen sich die Probleme im Verein jedenfalls turmhoch zu stapeln. Dabei sollte der neue Kunstrasen doch für eine Aufbruchst­immung sorgen.

BERGHAUSEN Ich sehe das Ganze etwas differenzi­erter. Man kann nicht erwarten, dass der Kunstrasen fertig ist und zwei Wochen danach wird alles gut. Wir leiden heute noch unter strukturel­len Fehlern, die vor fünf bis zehn Jahren in Sachen Mitglieder­betreuung und Vereinsman­agement gemacht wurden. Der Kunstrasen hat uns die Möglichkei­t gegeben, wieder von Neuem anzufangen. In der Jugend sind wir in den unteren Altersklas­sen sehr gut aufgestell­t, darüber sieht es derzeit nicht gut aus. Aber wir müssen jetzt eben von unten kontinuier­lich aufbauen und arbeiten. Wir dürfen den Fokus zum Beispiel nicht mehr nur auf die erste Mannschaft legen. Natürlich wollen wir die Landesliga halten, aber sollten wir absteigen, würden auch Gelder und Ressourcen für andere Dinge frei. Mittelfris- tig haben wir dann vielleicht bessere Chancen, uns als Verein zu entwickeln. Aber das geht nicht von heute auf morgen. Wir wissen im Vorstand um die Problemati­k, da müssen wir jetzt gemeinsam durch.

Gehen wir die Problemfel­der mal nacheinand­er durch. Wieso ist die erste Mannschaft nach dem Zwischenho­ch unter Trainer Daniel Saleh wieder so aus der Spur geraten?

BERGHAUSEN Klar ist unsere Situation nicht rosig, aber wir haben drei Punkte mehr als zum selben Zeitpunkt der Vorsaison und da haben wir den Klassenerh­alt ja auch noch geschafft. Aber wir können natürlich nicht leugnen, dass wir Probleme in der Mannschaft haben. Die haben wir in einem guten Gespräch vor dem letzten Spiel gegen Kapellen analysiert. Wir haben jetzt klare Vorstellun­gen, wo es hakt. Das müssen wir ansprechen und dann bis zur Winterpaus­e so viele Punkte wie möglich holen.

Wo hakt es denn genau?

BERGHAUSEN Wir haben nun mal eine sehr junge Mannschaft, und in der wird nicht genug miteinande­r geredet. Die jungen Spieler brauchen Leader, aktuell ist Dennis Homann der Einzige, der diese Rolle ausfüllen kann. Auf seiner Position geht das aber nur bedingt. Hinzu kommt, dass wir in der Defensive große Probleme haben. Erschwert wird das Ganze dadurch, dass Schlüssels­pieler nicht so funktionie­ren, wie sie es eigentlich könnten.

Zuletzt saß erstmals seit langem Dennis Richter auf der Bank. Er eigentlich das Zeug, ein Schlüssels­pieler zu sein.

BERGHAUSEN Dennis Richter ist ein begnadeter Fußballer. Aber in seiner aktuellen Verfassung kann er einfach nicht genug nach hinten arbeiten, deswegen ist er auf der Doppelsech­s derzeit fehl am Platz. Da fehlt uns jemand, der viel läuft und das Spiel des Gegners kaputtmach­t. Da setzen wir große Hoffnungen auf die Rückkehr von Sean Herrmann. Ein anderes Beispiel ist Korbinian Beckers, der ein sehr verdienter Spieler im Verein ist. Auch er wird aktuell nicht seinen eigenen Ansprüchen gerecht. Die Probleme mit den Schlüssels­pielern führen zu Reibereien im Team. Wir müssen wieder mehr eine Mannschaft werden.

Sind Ihnen noch keine Zweifel an der Landesliga­tauglichke­it Ihres Kaders gekommen?

BERGHAUSEN Ich bin der festen Überzeugun­g, dass die Mannschaft gut genug ist. Von den individuel­len Fähigkeite­n unserer Spieler her, sind wir sicher nicht schlechter als zum Beispiel Amern oder andere Teams in der Liga. Aber die Amerner machen uns vor, was es heißt, als Mannschaft aufzutrete­n.

Wird der 1. FC Viersen in der Winterpaus­e personell noch mal nachlegen?

BERGHAUSEN Da bin ich grundsätzl­ich kein Freund von, weil es immer schwer ist, im Winter adäquate Spieler zu finden. Aber wegen unserer Defensivpr­obleme haben die Trainer den Auftrag, sich mal umzuschaue­n, was auf dem Markt ist.

Sie sprechen die Trainer an. Daniel Saleh wirkte zuletzt sehr unzufriede­n mit dem Auftreten der Mannschaft und dünnhäutig. Haben Sie Befürchtun­gen, dass er zurücktret­en könnte?

BERGHAUSEN Ich kenne ihn noch nicht gut genug, um das einschätze­n zu können. Feststeht, dass wir als Verein nicht am Trainertea­m zweifeln. An den Trainern liegt es nicht, sie stehen nicht zur Debatte. Einen weiteren Trainerwec­hsel wird es von uns aus nicht geben. Wir führen sehr konstrukti­ve Gespräche, die in die Zukunft gerichtet sind. Wir müssen das spielfreie Wochenende nutzen, um den Kopf klar zu bekommen und das eine oder andere Thema offensiv im Team zu besprechen.

Die teils heftigen Niederlage­n zeigen, dass es auch in den beiden anderen Senioren-Mannschaft­en Probleme gibt. Wieso kommt jetzt alles zusammen?

BERGHAUSEN Das ist Zufall und liegt im Fall der dritten Mannschaft an persönlich­en Animosität­en. Das war früher eine Thekenmann­schaft, die überrasche­nd den Aufstieg in die Kreisliga B geschafft hat. Da gab es Streiterei­en, so dass nur noch acht bis zwölf Spieler zur Verfügung stehen. Das ist zu wenig. Weil aber nach der Winterpaus­e die Spieler unserer im Sommer aufgelöste­n A-Jugend dazukommen werden, löst sich das Personalpr­oblem. Die zweite Mannschaft hat den Auftrag die Kreisliga A zu halten, das wird sie schaffen. Auch da gab es ein paar Kommunikat­ionsproble­me, zum Beispiel war Trainer Olaf vom Ende nicht froh, dass er mal Spieler an die Drittvertr­etung abgeben sollte. Aber auch das wird es durch die Jugendspie­ler nicht mehr geben. Hinter den Kulissen sieht es bei weitem nicht so schlecht aus, wie es vielleicht nach außen scheint.

Sie spielen die Saison also mit drei Senioren-Mannschaft zu Ende?

BERGHAUSEN Davon gehe ich aus, die Weichen sind jedenfalls gestellt.

Die B-Jugend ist komplett zum TDFV Viersen gewechselt. Wie ist die Lage der Jugend-Abteilung insgesamt?

BERGHAUSEN Dazu habe ich eingangs ja schon etwas gesagt. Dass Karsten Rode als Jugendleit­er im Sommer gegangen ist, war schade, hatte aber private Gründe. Ich behaupte, in der Jugend gibt es bei uns momentan mehr Aktivitäte­n und es wird zielgerich­teter gearbeitet als noch vor fünf Jahren, unabhängig davon wie viele Jugendmann­schaften wir haben. Zum Beispiel haben wir Kooperatio­nen mit Schulen ins Leben gerufen, um Kontakt zu Kindern und Jugendlich­en zu bekommen. Das kostet uns Geld, aber das ist wichtig für die Zukunft. Es macht einfach Spaß, wenn man sieht, dass Kinder sich bewegen wollen.

Glauben Sie, dass irgendwann mal wieder Spieler aus der eigenen Jugend den Sprung in die erste Mannschaft schaffen?

BERGHAUSEN Zunächst einmal wollen wir mit unseren Aktionen wieder das Interesse am Fußball wecken. Dann wäre es natürlich ideal, wenn sich der eine oder andere entschei- det, zu uns in den Verein zu kommen. Wobei ich auch eine gesamtgese­llschaftli­che Verantwort­ung sehe, deswegen könnte ich damit leben, wenn die Schüler auch in andere Vereine gehen. Wir brauchen auf jeden Fall einen langen Atem, fünf bis zehn Jahre wird es dauern, bis mal wieder ein eigener Jugendspie­ler den Sprung in die erste Mannschaft schaffen kann.

In Sachen Jugendarbe­it sollte Willi Kehrberg eine wichtige Rolle spielen. Haben Sie schon mal bereut, dass Sie ihn als Trainer entlassen haben und er sich in der Folge ganz verabschie­det hat?

BERGHAUSEN Ich finde es einfach schade, dass eine Person mit hohem fußballeri­schen Sachversta­nd und diesen Erfahrungs­werten nicht mehr zur Verfügung steht. Aber was die Jugendarbe­it anbelangt, hätte er sicher auch keine Wunder bewirken und auf einmal 80 Jugendlich­e herzaubern können. Es hat sich viel geändert, es gibt andere Voraussetz­ungen als vor zehn Jahren. Da muss man bei Adam und Eva anfangen. Und die Frage ist, ob Willi dazu Lust gehabt hätte. Aber wie heißt es doch so schön, man sieht sich ja immer zweimal im Leben.

Neben den sportliche­n Problemen läuft auch noch das Stadionpro­jekt. Wie ist der Stand der Dinge?

BERGHAUSEN An den sportliche­n Herausford­erungen arbeiten wir, beim Stadionpro­jekt liegen wir zusammen mit der LG Viersen gut im Rennen. Nächste Woche gibt es noch mal Gespräche mit der Stadt, und die Ausschreib­ungen für die Bauarbeite­n sollen rausgehen. Dann wird sich zeigen, ob wir mit dem veranschla­gten Geld auskommen.

Noch mal zur Eingangsfr­age: Wann wäre Ihre Schmerzgre­nze erreicht, wann würden Sie nicht mehr weitermach­en?

BERGHAUSEN Ich bin bis zum September 2018 gewählt. In meiner Position muss ich Gegenwind aushalten können, und ich habe ein dickes Fell. Trotz aller Probleme geht es weiter, wir müssen erhobenen Hauptes das Beste daraus machen. Ich habe ein gutes Vorstandst­eam, das mit Herzblut dabei ist und sich ehrenamtli­ch jeden Tag den Hintern aufreißt.

 ?? FOTO: BUSCH ?? Michael Berghausen Anfang des Jahres beim Baustart des neuen Kunstrasen­platzes am Hohen Busch. Mittlerwei­le wird schon darauf gespielt.
FOTO: BUSCH Michael Berghausen Anfang des Jahres beim Baustart des neuen Kunstrasen­platzes am Hohen Busch. Mittlerwei­le wird schon darauf gespielt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany