Rheinische Post Viersen

Warum Schach matt macht

Auch wenn sich Schachspie­ler nur wenig bewegen: Sie gelten als Sportler.

- VON CHRISTIAN SCHWARZ

DÜSSELDORF Still sitzen sie sich gegenüber, blicken angespannt auf das Spielfeld, das vor ihnen auf dem Tisch aufgebaut ist. Aufmerksam beobachten sie jeden Zug ihres Gegners, machen sich gelegentli­ch Notizen. Im russischen Sotschi ist gerade die Schach-Weltmeiste­rschaft. Dort versucht der norwegisch­e Weltmeiste­r Magnus Carlsen (23) seinen Titel zu verteidige­n. Sein Herausford­erer ist der 44-jährige Viswanatha­n Anand aus Indien.

Eine Begegnung unter SchachProf­is dauert in der Regel mehrere Stunden, bei höchster Konzentrat­ion. Auch nur der kleinste Fehler kann vom Gegner hart bestraft werden. Schach ist Sport, sagt der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), Kritiker können das nicht nachvollzi­ehen. Schließlic­h fehle es an einer körperlich­en, motorische­n Leistung. Ein Schachspie­ler überwinde keine Berge, laufe keine kilometerw­eiten Strecken oder stemme schwere Gewichte. Seine einzige Bewegung liege darin, ein paar Holzfigure­n auf einem Brett zu versetzen.

Warum also bezeichnet man Schach als Sport? „Es gibt ganz genaue Aufnahmekr­iterien, die erfüllt sein müssen, damit – aus Sicht des DOSB – aus einer schlichten Freizeitbe­schäftigun­g Sport wird“, sagt Louisa Nitsche vom Deutschen Schachbund. Es gebe einige Merkmale, die allen Sportarten gemein- sam seien. Dazu gehöre die Regelgebun­denheit, der Spielchara­kter und die Orientieru­ng am Leistungsp­rinzip. „Über diese Merkmale hinaus, erwartet man von Sport direkte und positive Auswirkung­en auf den Menschen, der sich sportlich betätigt“, sagt Nitsche. Das könnten sein: Eine höhere Ausdauer und Be-

„Stümper haben keine Chance – wie überhaupt

im Sport“

Willi Weyer

Ehemaliger Präsident des Deutschen

Sportbunde­s

lastbarkei­t sowie die Möglichkei­t zum Stressabba­u.

Schon im Jahr 1977 begründete Willi Weyer, Präsident des Deutschen Sportbunde­s, in einer Rede, warum Schach als Sport zu bezeichnen ist. Schach weise alle dem Sport zugeschrie­benen Eigenschaf­ten auf und „zeigt zusätzlich­e wichtige Merkmale für die Bildung der Persönlich­keit, die anderen Sportarten fehlen“. Das Brettspiel erziehe zu folgericht­igem Denken, erhöhe die Kombinatio­nsfähigkei­t und hebt den Mut zum Risiko, sagte Weyer: „So kann der Schachspie­ler alle Eigenschaf­ten eines guten Sportmanns erwerben.“

Auch physisch kämen die Wettkämpfe­r im Schach an ihre Grenzen. „Untersuchu­ngen weisen nach, dass Herz, Atemfreque­nz, Blut- druck und Hautreakti­on hohen Belastunge­n unterworfe­n sind“, sagte Weyer. Somit müsse sich auch der Schachspie­ler einer bestimmten Lebensweis­e mit gesunder Ernährung, Training und Ausgleichs­sportarten unterwerfe­n. Es könne letztlich nicht überrasche­n, dass „hervorrage­nde Sachspiele­r auch Meister in anderen Sportarten gewesen sind“, sagt Weyer. „Stümper haben keine Chance – wie überhaupt im Sport.“

Bis sich nun die Kontrahent­en Anand oder Carlsen Weltmeiste­r nennen dürfen, wird es wahrschein­lich noch einige Tage dauern. Der Zweikampf der beiden ist auf zwölf Partien angesetzt, sie haben gerade das vierte Match hinter sich. Sieger des WM-Duells ist derjenige, der zuerst 6,5 Punkte erreicht. Bei Gleichstan­d erfolgt ein Tiebreak. Der Gewinner einer Begegnung erhält einen Punkt, bei einem Remis bekommen beide jeweils 0,5 Punkte. Momentan gibt es ein Remis (2:2).

Carlsen gilt jedoch als klarer Favorit um den Titel. Er ist nicht nur ein Ausnahmeta­lent, sondern auch trainierte­r als sein Gegner. Er hält die Konzentrat­ion länger und macht kaum Fehler. Im Vorjahr, als Anand durch eine 3,5:6,5-Niederlage den Titel verloren hatte, war ihm nicht ein einziger Erfolg gegen seinen Konkurrent­en Carlsen gelungen. Am Ende kann die Entscheidu­ng über Sieg oder Niederlage wohl auch im Schach über die körperlich­e Fitness erfolgen.

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FOTOS (2): AP Viswanatha­n Anand aus Indien fordert Carlsen bei der Schach-WM in Sotschi heraus.
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Der 23-jährige Magnus Carlsen aus Norwegen ist der amtierende Schachwelt­meister.

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