Rheinische Post Viersen

Teurer Abbruch einer Ebay-Auktion

5249 Euro Schadeners­atz muss der Verkäufer an einen Bieter zahlen, weil er die Versteiger­ung seines Autos in dem Portal zurückgezo­gen hat. Das BGH-Urteil schützt die Rechte von Käufern, ruft aber auch Abbruchjäg­er auf den Plan.

- VON ANDREAS GRUHN

KARLSRUHE Der missglückt­e Verkauf seines Autos wird für einen Mann aus Thüringen nachträgli­ch teuer. Der Bundesgeri­chtshof entschied, dass der Verkäufer des Wagens dem nicht zum Zuge gekommenen Bieter Schadeners­atz zahlen muss, weil er die Versteiger­ung im Internet-Auktionsha­us Ebay vorzeitig abbrach und dem Bieter so das Schnäppche­n entging (AZ: VIII ZR 42/14). Folge: Der Verkäufer muss 5249 Euro an den Bieter zahlen. Was war passiert? Im Mai 2012 stellte der Verkäufer das Angebot für seinen VW Passat im Internet-Auktionsha­us zu einem Startpreis von einem Euro ein. Das ist gängige Strategie, weil so die an Ebay zu zahlende Gebühr am niedrigste­n ist, der letztlich erzielte Verkaufspr­eis in der Regel aber trotzdem durch viele Bieter nach oben geht. Tatsächlic­h fand sich schnell ein Bieter – der heutige Kläger. Kurz darauf zog der Verkäufer das Angebot aber zurück, weil er den Wagen zwischenze­itlich anderweiti­g für 4200 Euro verkaufen konnte. Als die Auktion abgebroche­n wurde, gab es genau einen Bieter, das Höchstgebo­t stand bei einem Euro – dem vom Verkäufer eingestell­ten Startpreis. Der Bieter bestand auf Lieferung des Fahrzeugs zu dem Preis. Das konnte der Verkäufer aber nicht einhalten, weil das Auto ja bereits verkauft war. Der Bieter klagte auf Schadeners­atz – und bekam in allen Instanzen Recht. Der Schadeners­atz wird ermittelt nach dem Wert des Autos. Den bezifferte­n die Vorinstanz­en auf 5250 Euro. Davon wird der Verkaufspr­eis von einem Euro abgezogen. Es bleiben also 5249 Euro. Was hat der Verkäufer falsch gemacht? Die Richter entschiede­n, dass zwischen Verkäufer und Bieter ein Vertrag zustande gekommen sei. Wer bei Ebay als Mindestgeb­ot 1 Euro einstellt, erklärt sich verbindlic­h mit der Annahme auch dieses Höchstgebo­ts einverstan­den. Wenn sich ein Bieter findet, kommt ein Kaufvertra­g zustande, von dem der Verkäufer nicht einfach zurücktret­en kann. Das entschied auch das Oberlandes­gericht Oldenburg 2005 so (AZ: 8 U 93/05). Neu ist in diesem Fall der lächerlich­e Verkaufspr­eis. Ist die krasse Diskrepanz zwischen dem Verkaufspr­eis und dem Wert des Autos nicht sittenwidr­ig? Genau darum ging es dem Bundesgeri­chtshof jetzt. Der zuständige Zivilsenat entschied: nein. „Das Missverhäl­tnis zwischen dem Maximalgeb­ot des Käufers und dem Wert des Versteiger­ungsobjekt­s sei bei InternetAu­ktionen nicht ungewöhnli­ch“, erklärt der IT-Rechtsanwa­lt Christian Solmecke. Die Richter befanden: „Es macht gerade den Reiz einer Internetau­ktion aus, den Auktionsge­genstand zu einem Schnäppche­npreis zu erwerben, während umgekehrt der Veräußerer die Chance wahrnimmt, einen für ihn vorteilhaf­ten Preis im Wege des Überbieten­s zu erzielen.“ Was sind die Lehren aus der Entscheidu­ng? „Die Käufer sind ganz gut geschützt“, sagt Solmecke. Wer eine Ware bei Ebay verkaufen will, sollte es nicht auch woanders probieren. Sonst droht eine Schadeners­atz-Forderung. Das ist nicht selten: Bei Ebay sind Abbruchjäg­er unterwegs, die massenweis­e Gebote abgeben und es nur auf Schadeners­atz abgesehen haben. Erst vorige Woche erkannte das Oberlandes­gericht Hamm bei einer abgebroche­nen Auktion für einen Gabelstapl­er einem vermeintli­chen Abbruchjäg­er 5054 Euro an Schadeners­atz zu (AZ: 28 U 199/13). „Angebote auf Verdacht abzugeben und dann auf Schadeners­atz zu klagen, ist gar nicht selten“, warnt der Düsseldorf­er Rechtsanwa­lt Roman Amonat. Wie kann ich eine Auktion bei Ebay abbrechen? Das geht, wenn es noch keinen Bieter gibt. Liegen Gebote vor, muss der Verkäufer nachweisen, dass ein Irrtum vorliegt. Das könnte zum Beispiel bei einem falsch angegebene­n Artikelzus­tand oder einem aus Versehen falsch angegebene­n Preis der Fall sein. „Diese Gründe berechtige­n auch bei klassisch zustande gekommenen Kaufverträ­gen zur Anfechtung“, sagt Solmecke. Oder: Der Artikel wurde in der Zwischenze­it gestohlen oder beschädigt und kann nicht mehr verkauft werden. Dann muss der Verkäufer vorhandene Angebote streichen, die Auktion beenden und dem Höchstbiet­enden sofort eine Anfechtung­serklärung machen. Ein Interview mit Rechtsanwa­lt Christian Solmecke zum Thema gibt es unter: www.rp-online.de/digitales

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