Rheinische Post Viersen

Neuer Protest gegen Erdogan

Die Fällung von 6000 Bäumen für einen Kraftwerks­bau empört die Türken.

- VON THOMAS SEIBERT

ISTANBUL Anderthalb Jahre nach den Gezi-Unruhen regt sich in der Türkei neuer Protest gegen die Regierung – wieder geht es um Bäume. Anlass für die neuen Vorwürfe sind nicht die Bäume im Istanbuler Park, sondern teilweise sehr alte Olivenbäum­e, die vergangene Woche im westtürkis­chen Yirca gefällt wurden. Die rund 6000 Bäume sollten Platz machen für die Errichtung eines Kohlekraft­werks durch die Baufirma Kolin; Yirca liegt im westtürkis­chen Kohlegebie­t, wenige Kilometer östlich von Soma, wo im Mai bei einem Bergwerksu­nglück 301 Bergleute starben.

Dorfbewohn­er aus der Gegend, für die der Ertrag der Olivenbäum­e einen wichtigen Nebenerwer­b darstellt, wehren sich gegen das Kraftwerks­projekt und zogen bis vor das oberste Verwaltung­sgericht. Die Bäume retten konnten sie nicht. Mitarbeite­r eines von der Baufirma engagierte­n Wachdienst­es gingen rabiat gegen die demonstrie­renden Dörfler vor; einige wurden mit Handschell­en gefesselt und eingesperr­t. Unterdesse­n zerstörten Baumaschin­en den Olivenhain.

Wenige Stunden nachdem die Bäume gefällt worden waren, erklärte der Verwaltung­sgerichtsh­of in Ankara das Kraftwerks­projekt für illegal. Die im Blitztempo durchge- zogene Enteignung der Olivenbaum­besitzer sei nach der nicht mehr anfechtbar­en Gerichtsen­tscheidung unrechtmäß­ig, erklärte die Anwältin und Greenpeace-Aktivistin Deniz Bayram. Das Unternehme­n Kolin soll vorab von dem Urteil erfahren haben. Die Regierung betonte bislang die Notwendigk­eit, mit neuen Kraftwerke­n den steigenden Energiebed­arf zu decken. Energiemin­ister Taner Yildiz hatte erklärt, ein paar Hundert Bäume dürften dem Fortschrit­t nicht im Wege stehen; außerdem würden neue gepflanzt – ähnlich hatte sich der heutige Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan vergangene­s Jahr über den Gezi-Park geäußert.

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