Neuer Protest gegen Erdogan
Die Fällung von 6000 Bäumen für einen Kraftwerksbau empört die Türken.
ISTANBUL Anderthalb Jahre nach den Gezi-Unruhen regt sich in der Türkei neuer Protest gegen die Regierung – wieder geht es um Bäume. Anlass für die neuen Vorwürfe sind nicht die Bäume im Istanbuler Park, sondern teilweise sehr alte Olivenbäume, die vergangene Woche im westtürkischen Yirca gefällt wurden. Die rund 6000 Bäume sollten Platz machen für die Errichtung eines Kohlekraftwerks durch die Baufirma Kolin; Yirca liegt im westtürkischen Kohlegebiet, wenige Kilometer östlich von Soma, wo im Mai bei einem Bergwerksunglück 301 Bergleute starben.
Dorfbewohner aus der Gegend, für die der Ertrag der Olivenbäume einen wichtigen Nebenerwerb darstellt, wehren sich gegen das Kraftwerksprojekt und zogen bis vor das oberste Verwaltungsgericht. Die Bäume retten konnten sie nicht. Mitarbeiter eines von der Baufirma engagierten Wachdienstes gingen rabiat gegen die demonstrierenden Dörfler vor; einige wurden mit Handschellen gefesselt und eingesperrt. Unterdessen zerstörten Baumaschinen den Olivenhain.
Wenige Stunden nachdem die Bäume gefällt worden waren, erklärte der Verwaltungsgerichtshof in Ankara das Kraftwerksprojekt für illegal. Die im Blitztempo durchge- zogene Enteignung der Olivenbaumbesitzer sei nach der nicht mehr anfechtbaren Gerichtsentscheidung unrechtmäßig, erklärte die Anwältin und Greenpeace-Aktivistin Deniz Bayram. Das Unternehmen Kolin soll vorab von dem Urteil erfahren haben. Die Regierung betonte bislang die Notwendigkeit, mit neuen Kraftwerken den steigenden Energiebedarf zu decken. Energieminister Taner Yildiz hatte erklärt, ein paar Hundert Bäume dürften dem Fortschritt nicht im Wege stehen; außerdem würden neue gepflanzt – ähnlich hatte sich der heutige Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan vergangenes Jahr über den Gezi-Park geäußert.