Wohnungsdebakel mit Ansage
Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist desaströs. Nicht einmal annähernd 400.000 Wohnungen werden pro Jahr gebaut, wie es die Bundesregierung ankündigte – Tendenz sinkend. Eine Alternative wäre mehr Marktwirtschaft.
Wahlversprechen werden entgegen landläufiger Meinung sehr genau geplant. Denn es ist allzu leicht, sie später als leere oder gar gebrochene Versprechen zu entlarven. Deshalb ist es nicht ganz klar, was den gewieften Wahlkämpfer Olaf Scholz dazu bewogen hat, den Bau von jährlich 400.000 neuen Wohnungen vor der Bundestagswahl im September 2021 zu versprechen. Denn zum letzten Mal wurde diese Zahl im Jahr 2000 mit 423.000 neu gebauten Wohnungen erreicht. Danach ging die Zahl der Neubauten auf bis zu 160.000 Wohnungen (2010) zurück.
Dass die Bevölkerung in Deutschland gerade in jüngerer Zeit wuchs und so vor allem in den Ballungsgebieten Wohnungsnot entstand, hat nicht zu dem gewünschten Aufschwung geführt. Im Jahr 2022 wurden gerade einmal 295.000 neue Wohnungen gebaut, wie das Statistische Bundesamt vor Kurzem bekannt gab. In diesem Jahr sollen es 250.000 sein, im kommenden nach den Schätzungen der Wohnungswirtschaft gar nur noch 200.000. Woran liegt es, dass Scholz ausgerechnet bei dieser zentralen Frage sein Wahlziel so grandios verfehlt?
Es liegt vor allem daran, dass der Wohnungsmarkt so reguliert ist wie kaum ein anderer Markt in Deutschland. Und die Ampelkoalition tut alles, diese Regulierung auszubauen. Rigide Höchstpreise etwa bei Mieten verknappen das Angebot, weil es für Unternehmen und Privatanbieter nicht lukrativ ist, neue Wohnungen zu bauen. Selbst wenn der Wert der bestehenden Immobilien deutlich steigt, lösen die geringen Renditeerwartungen im Neubau wegen der fehlenden Möglichkeiten, die Mieten der Marktlage anzupassen, nur eine unzureichende Bautätigkeit aus. Gleichzeitig verfallen die Preise für Wohnungen auf dem Land, weil dort niemand mehr hinziehen will.
Die Mietpreisbremse in den großen Städten, auf den ersten Blick verständlich angesichts des Preisdrucks, macht wiederum die Vermieter in den Metropolen zur beherrschenden Gruppe auf diesem Markt. Das führt zu mangelnden Sanierungsinvestitionen in den Bestand der Wohnungen. Außerdem sind Mietverhältnisse, in denen die Wohnungsunternehmen oder Eigentümer die Miete nur wenig erhöhen können, sehr konfliktträchtig. Denn beide können sich kaum über notwendige Reparaturen einigen, wenn die einseitig nur die Vermieter belasten. Sie werden sie also nur sehr verzögert vornehmen.
Zugleich treiben Sicherheits- und Bauvorschriften die Neuerrichtung von Wohnungen in die Höhe. Hinzu kommen künftig das Verbot von Öl- und Gasheizungen, Energievorgaben und weitere Anforderungen, die den Neubau verteuern. Auch der jüngste Zinsschub hat das Volumen der Immobilienkredite im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um die Hälfte schrumpfen lassen, auch wenn es Anfang 2022 in Erwartung höherer Zinsen zu Vorzieheffekten kam. Kein Wunder: Denn die Bauherren erwarteten noch im vergangenen Jahr, dass der Zins für Immobilienkredite von einem auf eineinhalb Prozent steigen würde. Das ergab der IW-ZIA-Immobilienstimmungsindex. Tatsächlich liegt der Zins bei einer zehnjährigen Bindung derzeit zwischen 3,5 und vier Prozent.
Um ihr Ziel weniger krass zu verfehlen, möchte die Bundesregierung nun die Förderung des sozialen Wohnungsbaus noch einmal hochfahren. Dazu gibt es zinsgünstige Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau für Anbieter und zugleich Hilfen an die Bundesländer. Die sogenannte Objektförderung ist jedoch ein umständlicher und teurer Weg. Denn er hilft nur vorübergehend einkommensschwächeren Schichten. Wenn die erst einmal in günstige Wohnungen eingezogen sind, bleiben sie dort gerne, auch wenn sie im Laufe ihres Berufslebens weit mehr verdienen. Es muss dann eine Fehlbelegungsabgabe eingeführt werden. Zugleich zwingt die Subventionierung die Anbieter von Sozialwohnungen nicht zu kostengünstigem Bauen. Denn der Zuschuss ist an die Baukosten gekoppelt. Es wäre also günstiger, das Wohngeld zu erhöhen, was jedoch nur unzureichend geschieht.
Es ist, als habe die Bundesregierung im Verein mit den Ländern, egal ob schwarz, rot oder grün regiert, die Lenkungswirkung von Preisen im Wohnungsmarkt außer Kraft gesetzt. Es geht nur noch um Verteilung. Aber das Verteilungsproblem über den Preis zu regeln, ist die ökonomisch teuerste Form und obendrein wegen der Fehlbelegungen auch noch unsozial. Denn plötzlich spielen vor allem Verbindungen und Amigo-Gefälligkeiten bei der Auswahl der Mieter die Hauptrolle. Mietpreisregulierungen kommen aber kurzfristig beim Wähler besser an.
Beim Arbeitsmarkt ist ein sozialdemokratischer Kanzler, Gerhard Schröder, andere Wege gegangen. Er hat die dauerhafte Arbeitslosenhilfe durch Fürsorgeleistungen wie Hartz IV, jetzt Bürgergeld, ersetzt und auf diesem sensiblen Markt die Preislenkung über flexiblere Löhne wieder zugelassen. Diesen Mut müssten Scholz und sein fachlich gut besetztes Bauministerium auch beim Wohnungsmarkt haben. Das heißt nicht, den Kündigungsschutz abzuschaffen oder den Mietmarkt völlig zu deregulieren. Auch sozialer Wohnungsbau hat für die Durchmischung von Revieren durchaus einen Sinn. Es muss aber stärker als bisher möglich sein, Mieten zu erhöhen oder zwischen verschiedene Baustandards zu wählen. Ein Ende der Wohnungsnot wäre sonst kaum erreichbar.
Der starke Zinsschub seit einem Jahr hat das Volumen der Immobilienkredite
halbiert