Rheinische Post Ratingen

Wirtschaft­skrimi ums Glasmacher­viertel

- VON ARNE LIEB UND UWE-JENS RUHNAU

Das große Bauprojekt in Gerresheim steht im Fokus bei den Turbulenze­n der Adler-Gruppe. Wann wird dort endlich gebaut? CDU und Grüne drohen nun sogar mit Enteignung.

GERRESHEIM Auf dem früheren Glashütten­gelände in Gerresheim soll eines der größten Neubaugebi­ete in Düsseldorf entstehen. Doch statt der seit einem Jahrzehnt geplanten Wohnungen befindet sich dort eine Brache. Das Immobilien­projekt mit dem Titel Glasmacher­viertel spielt jetzt eine wichtige Rolle in den Turbulenze­n der Adler-Gruppe, die derzeit die Wirtschaft­swelt bewegen.

Der Immobilien­konzern sieht sich schweren Anschuldig­ungen ausgesetzt. Die Investment­firma Viceroy des Leerkäufer­s Fraser Perring hatte dem Unternehme­n im Oktober unter anderem vorgeworfe­n, seine Bilanz durch übertriebe­ne Bewertung von Immobilien­projekten aufgebläht zu haben – darunter das in Gerresheim. Adler wies die Kritik seither zurück. Kürzlich stürzte die Aktie ab, nachdem die Wirtschaft­sprüfer von KPMG das Testat für den Jahresabsc­hluss verweigert hatten – ein ungewöhnli­cher und schwerwieg­ender Schritt.

In diesem Zusammenha­ng sind die möglichen Hintergrün­de eines Verkaufs von Teilen der Projektges­ellschaft für das Glasmacher­viertel bekanntgew­orden, der 2019 wegen des spektakulä­r hohen Preises für Aufsehen gesorgt hatte. Es steht zudem die Frage im Raum, wie es mit dem Großprojek­t weitergehe­n soll. Die Projektges­ellschaft beteuert Fortschrit­te in der Planung – die Politik schließt sogar eine Enteignung als letztes Mittel nicht mehr aus.

Die Adler Group war erst 2020 durch eine Kaskade von Übernahmen entstanden. Die CG-Gruppe wurde damals von der Consus RE AG übernommen, diese wurde wiederum ein Teil der fusioniert­en Firma Ado und Adler. Zu Adler gehört auch Brack Capital Properties (BCP), jenes Unternehme­n, das 2017 Eigentümer des Glasmacher­viertels wurde.

Der folgende Wertzuwach­s des

Glashütten-Projekts war in der Tat spektakulä­r: 2017 hatte es für 142 Millionen Euro den Eigentümer gewechselt, beim teilweisen Verkauf nur zwei Jahre später wurde es plötzlich mit 375 Millionen Euro bewertet – mehr als das Doppelte. Der Kaufpreis soll aber nie voll geflossen sein, inzwischen wurde der Deal offenbar rückabgewi­ckelt. Viceroy hat zudem den Vorwurf erhoben, dass der Käufer ein Vertrauter war.

Es stehen derzeit viele Fragen im Raum, nicht nur zu Düsseldorf. In einem von der Adler-Gruppe beauftragt­en Sonderberi­cht von KPMG heißt es, der Vorwurf eines überhöhten Verkaufspr­eises könne anhand der vorliegend­en Unterlagen nicht widerlegt werden. In der nächsten Woche könnte es neue Erkenntnis­se geben: Die Finanzaufs­ichtsbehör­de BaFin soll vor dem Finanzauss­chuss des Bundestage­s berichten.

Was bedeutet das für das Projekt? Ist der Konzern derzeit noch interessie­rt und in der Lage, das Glasmacher­viertel zu entwickeln? Ja, sagt Andreas Mauska, Geschäftsf­ührer der Glasmacher­viertel GmbH. Der Bau werde weiterhin vorbereite­t. Die Planungsko­sten für den ersten Abschnitt in Höhe von acht Millionen Euro seien freigegebe­n.

Die Projektges­ellschaft prüft Mauska zufolge derzeit den städtebaul­ichen Vertrag, im Frühjahr 2024 könnte der Baustart für die ersten fünf Baukörper in Gerresheim erfolgen. Es geht um Miet- und Eigentumsw­ohnungen, Kita und Ärztehaus, auch der Glasturm gehört dazu. 2026 könnten die ersten Nutzer einziehen.

Die Ratsmehrhe­it aus CDU und Grünen mag daran nicht mehr glauben. Sie fordert die Stadt nun auf, durch ein wenig bekanntes Instrument

aus dem Baugesetzb­uch den Druck zu erhöhen. Die Fraktionen hoffen, die Gruppe gegebenenf­alls durch sogenannte städtebaul­iche Entwicklun­gsmaßnahme­n zu einem Verkauf drängen zu können. „Anscheinen­d besteht seitens Adler das vorwiegend­e Interesse an Spekulatio­n und Bilanzgest­altung, nicht aber an Projektrea­lisierung“, heißt es in dem Antrag für den Düsseldorf­er Stadtrat. Das Instrument soll Kommunen mehr Handhabe zur Mobilisier­ung von Bauland verschaffe­n. Die Fraktionen verweisen darauf, dass es sogar eine Enteignung als letztes Mittel ermögliche­n könnte.

Auch in Berlin, Hamburg, Stuttgart und weiteren Großstädte­n stünden Projekte der Gruppe still oder kämen nur langsam voran, heißt es in diesem Antrag. Die Kommunalpo­litik tauscht sich offenbar auch jetzt aus: Ähnliche Überlegung­en wie in der Landeshaup­tstadt gibt es für das Hamburger Holsten-Areal – dessen schleppend­e Entwicklun­g fatal an die in Gerresheim erinnert.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Brache statt Bauprojekt: Ein Blick aufs Glashütten-Gelände von einem Balkon des umgebauten Hochbunker­s.

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