Einzelhändler bangen um ihre Existenz
Um die Zukunft des Ratio-Geländes in Tiefenbroich wird schon lange gerungen. Bislang ohne Ergebnis. Einzelhändler, die auf dem Gelände seit Jahren Geschäfte betreiben, schauen in eine ungewisse Zukunft.
TIEFENBROICH „Wir wissen überhaupt nicht, wie es weitergehen soll. Es stehen Existenzen auf dem Spiel.“Prodomos Menexidis betreibt im Gebäude an der DanielGoldbach-Straße ein Lotto- und Tabakgeschäft. Seit Wochen macht er sich Sorgen um die Zukunft seines Geschäftes und die seiner Mitarbeiter.
Auslöser war die Zerschlagung von Real. Monatelang war auch in Ratingen nicht klar, wie es mit den beiden Standorten Am Sandbach und An der Hoffnung weitergehen würde. Im Frühjahr 2020 war die Kette von dem russischen Investor SCP gekauft worden. Dieser wiederum veräußerte einzelne Märkte an die Wettbewerber Kaufland, Edeka und Globus. Im April dieses Jahres war dann klar: Kaufland übernimmt den Markt in Breitscheid, Edeka den Markt in West.
Die Übernahme Am Sandbach ist durch das Kartellamt an Auflagen gekoppelt. Edeka muss Teilflächen an Wettbewerber abgegeben oder andere Standorte schließen. Edeka wollte sich zum damaligen Zeitpunkt mit Verweis auf laufende Gespräche mit Vermietern zu Marktabgaben nicht äußern. In jedem Fall liege das Hauptaugenmerk darauf, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten, so das Unternehmen im April.
Inzwischen hat sich Real aus dem Gebäude Am Sandbach zurückgezogen. Edeka betreibt derzeit als Mieter noch den Lebensmittelmarkt im Gebäude der Ratio-Immobilien in Tiefenbroich. Ein Teil der Real-Mitarbeiter ist mittlerweile dort beschäftigt.
Diskussionen um den RatioStandort in Tiefenbroich gibt es schon lange. Bislang ohne nennenswerten Erfolg. Seit vielen Jahren drängt Ratio Immobilien, die Eigentümer des Geländes ist, darauf, das Gebäude abzureißen und an dessen Stelle ein neues, zeitgemäßeres zu errichten. Ein Baumarkt war ebenso als neuer Mieter im Gespräch, wie ein Möbelhaus. Nicht zur Debatte steht der Großmarkt. Neben dem Lebensmittelverkauf sind betreiben noch ein Bäcker, ein Blumenladen, eine Postfiliale, eine Apotheke, eine Textilpflege, ein Schmuckgeschäft und der Tabakladen von Prodomos Menexidis ihre
Geschäfte.
„Alles, was wir wissen, ist nebulös“, so Menexidis. Weder der Eigentümer des Geländes (Ratio Immobilien), noch der Mieter (Edeka) hätten sich dazu geäußert, ob die Geschäfte erhalten bleiben oder eventuell an einen neuen Standort umziehen. Auch Kündigungen habe es bislang nicht gegeben. Gerüchten zufolge soll der Postfiliale zu Ende Oktober eine Kündigung ausgesprochen worden sein. Das Ladenlokal einer Pizzeria steht bereits leer. „Die meisten Konzessionäre haben eine Kündigungsfrist von drei Monaten“, so Menexidis. Zu kurz für eine zuverlässige Planung.
Die Konzessionäre fürchten, dass Edeka versuchen will, vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit im Jahr 2026 aus dem Mietvertrag bei Ratio Immobilien auszusteigen, um dann in das modifizierte Real-Gebäude umzuziehen. Dass gerade erst die Tankstelle auf dem Ratio-Gelände saniert wurde, machte den
Händlern Mut. Mut, der jetzt wieder schwindet.
Menexidis denkt nicht nur an seine vier Mitarbeiter: „Wir haben zwar noch einen Standort in Langenfeld. Bei den derzeitigen Spritpreisen ist das Pendeln aber kaum zumutbar.“Der Geschäftsinhaber auch Netto ein Schwesterunternehmen von Edeka. Auch hier warte man auf ein Signal von Edeka. Stefan Heins (CDU), der 2018 an vielen Gesprächen zwischen Ratio und der Stadt Ratingen involviert war, gibt zu bedenken: „Der Verwaltung sind die Hände gebunden, wenn es darum geht, was nach einem möglichen Abriss und Neuaufbau auf dem Ratio-Gelände kommt.“Das sei eine privatrechtliche Entscheidung. Einzig über das Einzelhandelskonzept könne die Stadt Einfluss nehmen.
denkt vor allem an seine Kunden: „In Tiefenbroich leben auch viele ältere Menschen. Für sie wird die Versorgung ein Problem, mit Lebensmitteln aber auch wenn Post und die letzte Apotheke schließen, reißt das eine Lücke. Die Nahversorgung in Tiefenbroich, insbesondere für Menschen, die nicht mehr so mobil sind, ist in Gefahr.“
Menexidis und die übrigen Einzelhändler vermissen ein belastbares Signal – von Edeka, von Ratio und von der Lokalpolitik. Das wird wohl weiter auf sich warten lassen: „Wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt keine Auskunft geben können“, so die Antwort von Edeka auf RP-Anfrage.
Tim Snoek von der Ratio-Unternehmensgruppe versichert: „Wir kämpfen darum, den Standort zu erhalten, beziehungsweise in neuem Glanz erscheinen zu lassen.“Gerade habe das Unternehmen Gespräche mit der neuen Dezernentin Petra Cremer aufgenommen. Diskussionen mit ihrem Vorgänger beschreibt er als „maximal destruktiv“. Edeka habe noch nichts über seine Pläne bezüglich des bestehenden Mietvertrages verlauten lassen, so Snoek. Gespräche sollen in zwei Wochen stattfinden.