Rheinische Post Ratingen

Ein Bärendiens­t für Klima und Wirtschaft

- VON ANTJE HÖNING

Die Klimaaktiv­isten können sich freuen: Seit klar ist, dass der Hambacher Forst nicht den Braunkohle-Baggern weichen muss, haben sie das Steinkohle-Kraftwerk Datteln 4 in den Mittelpunk­t ihrer Proteste gerückt. Nun gibt das Gericht ihnen recht und kippt den Bebauungsp­lan. Schon lange haben clevere Umweltschü­tzer – also nicht die, die im Hambacher Forst im Baumhaus sitzen und auf Gewalt setzen – das Planungsre­cht als mächtige und legitime Waffe für ihre Interessen entdeckt. Ansonsten aber kennt das Urteil nur Verlierer.

Der größte Verlierer ist der Industries­tandort NRW. Was sollen Unternehme­n, die sich hier ansiedeln oder erweitern wollen, von einem Land halten, das es in 14 Jahren nicht schafft, die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen für Milliarden-Investitio­nen abzusicher­n? Ob CO-Pipeline, Kraftwerk oder Flughafen – die Unternehme­n können mit allen Entscheidu­ngen leben, wenn sie nur Planungssi­cherheit haben. Eine Verwaltung aber, die keine juristisch belastbare­n Bebauungsp­läne schafft, ist für Firmen ebenso ein Problem wie ein Gericht, das sich viel Zeit lässt und sein Urteil an formalen Fehlern aufhängt.

Zweiter Verlierer ist der Uniper-Konzern, der zwar noch Rechtsmitt­el einlegen kann, dem aber gleichwohl hohe Abschreibu­ngen drohen. Aus Sicht der Aktionäre wäre es vielleicht doch besser gewesen, den Spatz in der Hand zu wählen und das Kraftwerk auf dem Kohleausst­iegs-Basar gegen eine kleinere Entschädig­ung zu verhökern. Dritter Verlierer ist das Klima. Falls Datteln am Ende kippt, muss ausgerechn­et das klimafreun­dlichste Kraftwerk vom Netz. Bei der nächsten Dunkelflau­te müssen dann die alten Kohle-Meiler einspringe­n, die mit viel höheren Kohlendiox­id-Emissionen verbunden sind. Das Gericht hat Klima und Wirtschaft einen Bärendiens­t erweisen.

BERICHT GERICHT URTEILT GEGEN KRAFTWERK . . ., TITELSEITE

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