Wie man Gedichte zum Tanzen bringt
Die Berliner Musikerin Masha Qrella vertont auf ihrem neuen Album Texte von Thomas Brasch.
DÜSSELDORF Wenn Musiker Gedichte vertonen, ist das oft eher gut gedacht als gut gemacht. Die Texte wirken meist zu stark, die Musik bleibt lediglich begleitendes Plätschern, und im besten Fall beeinträchtigt sie die Wirkung der Texte nicht weiter. Die Verse selbst werden dann eher rezitiert als gesungen, jedenfalls swingen sie nicht. Alles hat so etwas Kunstgewerbliches.
Die Berliner Musikerin Masha Qrella hat für ihr Album „Woanders“nun Texte von Thomas Brasch vertont. Und diese großartige Veröffentlichung zeigt, wie man es machen kann und muss. Die Lyrik des 2001 mit nur 56 Jahren gestorbenen Brasch wird jemand, der sie noch nicht kennt, auf dieser Produktion als Lieder kennenlernen, die dafür geschrieben wurden, zur Musik vorgetragen zu werden. „Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin“, singt
Qrella, und man bekommt das gar nicht mehr aus dem Kopf
Die 46-Jährige las vor ein paar Jahren den Roman „Ab jetzt ist Ruhe“von Braschs Schwester Monika. Qrella, die die Wende als 14-Jährige in Ostdeutschland erlebte, erkannte viele Parallelen zu ihrer eigenen Biografie. Ihr Vater und der von Brasch kannten einander, sie waren beide Kulturfunktionäre.
Masha Qrella hat vor allem Texte ausgesucht, die von einem Schwebezustand erzählen, von einer Transitzeit, in der die alte Ordnung nicht mehr gilt, eine neue aber noch nicht greift. Das sind Texte, die nach der persönlichen Zugehörigkeit fragen, nach dem Wohin und letztlich dem, was Heimat ist und was von einem bleiben wird. „Ich tausche ein offenes Meer / Für meinen letzten Gedanken / Ich will sehr still und sehr / Ins Blaue schwanken“, singt sie im herzzerreißenden Duett mit Dirk Lowtzow von der Band Tocotronic.
Manchmal vertont Qrella die Gedichte, manches collagiert sie in Liedform. Es gibt sphärische Arrangements, Techno, Stücke zum Tanzen und Beatgewitter. Das Gedicht „Sprachlos die Tänzer: Die haben es gut“wird zur Clubhymne. In „Märchen“liest Marion Brasch Verse ihres Bruders, in „Maschinen“tritt Andreas Spechtl von der Band Ja Panik auf: „Nach der Arbeit an den Maschinen
/ Träumen die Menschen von den Maschinen / Wovon träumen die Maschinen / Nach der Arbeit an den Menschen?“
Manchmal fühlt man sich an die Musik von 2Raumwohnung erinnert. Qrella singt sachlich, und das passt sehr gut zu den Arrangements. Das Album selbst ist aus einem Liederabend am Berliner Theater Hebel am Ufer entstanden. In der Mediathek des Deutschlandradios ist auch eine Hörspiel-Fassung davon verfügbar.
„Ich kann nicht tanzen. Ich warte nur: / In einem Saal aus Stille. Hier treiben / Geister ihren Tanz gegen die Uhr.“Wen solche Zeilen auch nicht mehr loslassen, wird viel und lange Freude an dem Suhrkamp-Band mit Braschs „Gesammelten Gedichten“haben: 1000 Seiten Glück.
Info „Woanders“(Staatsakt) gibt es als CD, LP und Download.