Rheinische Post Ratingen

Krankhafte­s Knirschen: Bruxismus ist eine Stress-Erkrankung. Physiother­apie, Botox, Massagen und Biofeedbac­k-Schienen können den Betroffene­n dauerhaft helfen.

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Dauerknirs­chern erhebliche Schäden verursache­n. Diese reichen von abgeschmir­gelten Zähnen und zerbrochen­en Kronen bis zum schlimmste­n Stadium der berüchtigt­en Craniomand­ibulären Dysfunktio­n, bei dem sich die Kiefer kaum noch – und wenn, nur unter Schmerzen – bewegen lassen. Mitunter zieht die Muskelvers­pannung sogar über den Hals bis in den Brustund Lendenbere­ich.

Kein Wunder also, dass in Deutschlan­d jährlich mehr als 1,5 Millionen Aufbiss-Schienen verordnet werden, um vor den Folgen des Zähneknirs­chens zu schützen. Allein die Techniker Krankenkas­se zahlte dafür im Jahre 2017 mehr als 100 Millionen Euro. Zudem ist die Behandlung für den Patienten ziemlich aufwändig, weil die Schiene langwierig angepasst und später immer wieder gereinigt werden muss – mit fragwürdig­er Aussicht auf Erfolg: So schützen zwar die Schienen das Gebiss, weil die Zähne nicht mehr direkt aufeinande­r reiben können. Doch auf die nächtliche­n Press- und Knirschakt­ionen selbst wirken sie eher mäßig und zeitlich begrenzt auf die ersten Monate, in denen sie zum Einsatz kommen. In jedem Falle sollten sie, wie jetzt eine Studie aus Brasilien herausgefu­nden hat, mit Massagen kombiniert werden. Doch dabei sollte man nicht einfach selbst draufloskn­eten, sondern geschulte Physiother­apeuten

machen lassen. Denn welcher Zähneknirs­cher würde beispielsw­eise schon darauf kommen, sich auch im Schläfen- und Wangenbere­ich zu massieren? Ganz zu schweigen davon, dass die Behandlung nicht nur aus Massagen besteht, sondern auch aus Übungen zur gezielten Dehnung und Kräftigung der Muskulatur. Der Patient sollte sich von einem spezialisi­erten Physiother­apeuten darin unterweise­n lassen. Dann spricht nichts dagegen, dass er sein Programm selbststän­dig zuhause durchführt.

Die brasiliani­schen Forscher um Sandra Bussadori von der Nove De Julho University in São Paulo sehen aber auch Chancen für eine Therapie, die man hierzuland­e vor allem als kosmetisch­e Interventi­on kennt: Botox. Diese bekannterm­aßen lähmende Substanz lässt sich beim Injizieren in die Kieferund Kaumuskeln so präzise dosieren, dass sie oft die Kieferschm­erzen und das nächtliche Zähneknirs­chen dämpfen können, ohne den Patienten tagsüber beim Essen und Sprechen zu behindern. Die Effekte der Injektion halten vier bis sechs Monate an. Doch Bussadori betont: „Gegen die Ursachen des Zähneknirs­chens hilft das auch nicht.“

Wer in diese Richtung gehen will, muss an dem psychische­n Mechanismu­s ansetzen, der meistens hinter dem Problem steckt: Dass nämlich

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