Wie Shakespeare ins Rheinland kam
Norbert Kentrup erinnerte im Heine-Haus an den Globe-Ankauf für Neuss.
Im Heine-Haus hatte man für die letzte Veranstaltung des Jahres ein ungewöhnliches Buch ausgewählt. Der opulente, mit vielen Fotos illustrierte Band trägt den Titel „Der süße Geschmack von Freiheit“. Es ist die Autobiographie des Schauspielers und Regisseurs Norbert Kentrup. Der 1949 in Düsseldorf geborene und in Neuss aufgewachsene Mime erzählt darin von einer Theater-Lebensreise, die ihn aus den bequemen Fesseln deutscher Stadttheater in die mit viel Mühsal behaftete Selbstbestimmung freier Theater führte. Drei dieser Theater hat Kentrup selbst gegründet: das Mobile Rhein Main Theater, die Bremer Shakespeare Company sowie Shakespeare und Partner.
Der Barde aus Stratford und berühmteste Dramatiker aller Zeiten spielte in Kentrups Leben eine entscheidende Rolle. Kentrup und Schakespeare waren auch Anlass für eine Episode des Neusser Kulturlebens, die der Stadt 1991 einen Globe-Nachbau an der Rennbahn und damit seit 27 Jahren ein erfolgreiches Shakespeare-Festival bescherte. Zur Buchvorstellung auf der Bolkerstraße war Norbert Kentrup daher mit seinem Schulfreund erschienen, dem ehemaligen Neusser sowie Düsseldorfer Stadtdirektor und Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff. Unter den Gästen waren aber auch noch andere am Erwerb des Globe entscheidend Beteiligte.
Damals sollte für ein Jubiläum des Neusser Bauvereins ein besonderer Event geplant werden. Man dachte etwa an ein Gastspiel der Bremer Shakespeare Company. Bei einem Vorstellungsbesuch der Neusser Delegierten in der Hansestadt traf Grosse-Brockhoff seinen Schulfreund Kentrup wieder.
Der erzählte ihm begeistert von einem Nachbau des Shakespeare-Theaters, den er in Rheda-Wiedenbrück gesehen hatte. Als die Neusser auf ihrem Rückweg von Bremen dort Station machten, waren alle begeistert. Für 660.000 Mark war der holzverkleidete Stahlbau zu kaufen, aber das musste sofort geschehen. Denn auch die Frankfurter Messe war an dem mobilen Gebäude interessiert.
Als Stadtdirektor für Kultur traf Grosse-Brockhoff mit viel Herzklopfen eine Entscheidung: Er kaufte das Globe für seine Stadt, ohne vorher die Finanzierung zu sichern. „Es waren vielleicht die aufregendsten Minuten meines Lebens“, erinnerte er sich im Heine-Haus. Schließlich fanden sich aber großzügige Neusser Kulturbürger bereit, den Kaufpreis und die Unterhaltung des Theater-Rundbaus zu garantieren, so dass der Stadt keine Kosten entstanden. Dennoch war die Skepsis gegenüber der seltsamen städtischen Neuerwerbung zunächst groß und die Abstimmung im Stadtrat sehr eng. Mit nur einer Stimme Mehrheit wurden an der Rennbahn schließlich die Türen für William Shakespeare geöffnet.