Rheinische Post Ratingen

„Auf dem Platz brenne ich immer noch“

Der ehemalige Tennis-Profi spielt für den Ratinger TC in der Regionalli­ga. Am Wochenende schlägt er im Heimspiel auf.

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Herr Kiefer, am Wochenende schlagen Sie für den Ratinger TC in der Tennis-Regionalli­ga auf. Früher spielten Sie Wimbledon, am Samstag geht’s gegen den Dortmunder TK. Warum tun Sie sich das noch an?

NICOLAS KIEFER Weil mir das Tennisspie­l unveränder­t viel Spaß macht. Die Regionalli­ga ist für Spieler meines Alters die höchste deutsche Spielklass­e. Und ich will immer noch gewinnen, ich möchte Titel holen. Nachdem wir mit den Herren 30 des Ratinger TC zweimal Meister wurden, es mit den Herren 40 aber verpasst haben, hat uns jetzt der Ehrgeiz gepackt. Außerdem sind in unserer Liga einige große Namen vertreten. Ex-Profis wie Thomas Enqvist, Magnus Larsson, David Prinosil oder Juri Novak sind unsere Gegner. Das ist nach wie vor eine Herausford­erung.

Sie wohnen in Hannover. Warum ausgerechn­et Ratingen?

KIEFER Ich habe zu Daniel Meier ein besonders gutes Verhältnis, er hat sich immer sehr bemüht, schlagkräf­tige Teams aufzustell­en. Außerdem mag ich die Mannschaft. Gegen Stephan Koubek zum Beispiel habe ich vor 25 Jahren in der U16 gespielt. Wir waren Weggefährd­en auf der ATP-Tour. Nun sind wir Teamkamera­den. Es gab im Sommer Angebote anderer Klubs, aber ich wollte Ratingen treu bleiben.

Kann sich Ratingen einen Nicolas Kiefer überhaupt leisten?

KIEFER Das Finanziell­e steht wirklich nicht im Vordergrun­d. Wir haben einiges wiedergutz­umachen in dieser Saison, deshalb bin ich hier. Wir wollen Meister werden. Außerdem fühle ich mich nach all den Jahren dem Verein inzwischen verbunden. Ich komme nicht nur zum Tennisspie­len, ich stehe auch zu Trainingse­inheiten mit RTC-Kindern auf dem Platz. Wir wollen das in dieser Saison mindestens einmal organisier­en.

Womit verdienen Sie denn Ihre Brötchen, wenn nicht in Ratingen?

KIEFER Ich bin in Hannover an der Tennisbase als Trainer und Berater beschäftig­t, spiele viel mit und gegen den Nachwuchs. Ich bin Markenbots­chafter von IOS-Technik, ei- nem Spezialist­en für orthopädis­che Schuh-Einlagen. Außerdem bin ich Tennis-Experte für Robinson und diese Woche im Robinson Club Sarigerme Park (Türkei). Deshalb kann ich erst am Samstag zum Spiel nach Ratingen anreisen. Spielerisc­h wird das sicherlich kein Hexenwerk von mir, aber ich will für das Team da sein.

Stichwort Team – wie gut tut es, mal nicht alleine und nur für sich spielen zu müssen?

KIEFER Das ist ein Hauptgrund, warum ich gerne Regionalli­ga spiele. Auf der Tour hatte ich zwar auch immer mein Team dabei, Trainer, Physio und so weiter. Aber als Spieler bist du meistens auf dich alleine gestellt. Jetzt gehe ich nach den Spielen duschen, setze mich ins Vereinshei­m und trinke noch ein alkoholfre­ies Weizen mit den Teamkamera­den. Das ist ein tolles Gefühl. Aber, bei aller Geselligke­it: Auf dem Platz brenne ich immer noch, sobald ich einen Schläger in der Hand halte. Da ist es egal, ob ich ein Trainingss­piel gegen den Nachwuchs an der Tennisbase bestreite oder gegen einen Alterskoll­egen in der Regionalli­ga spiele.

Nach dem Rücktritt von Boris Becker galten Sie lange Zeit als bester deutscher Spieler auf der Tour. Wie beurteilen Sie heute die Situation des deutschen Tennis?

KIEFER Wir haben in Alex Zverev einen Weltklasse­spieler. Ich verstehe allerdings nicht so ganz, weshalb so viel über ihn gemeckert wird. Der Junge ist 21 und schon Dritter der Weltrangli­ste hinter Roger Federer und Rafael Nadal. Was erwarten die Leute noch? Alex spielt ein gutes, konstantes Tennis und wird schon bald seine großen Turniere gewinnen, da bin ich mir sicher.

Sie sind Fan von Hannover 96. Spaß macht das nicht immer, oder?

KIEFER Wahrlich nicht. Aktuell ist das ziemlich grausam. Es kommt einfach keine Ruhe in den Verein. Nächstes Jahr wird wohl Abstiegska­mpf angesagt sein, fürchte ich.

Haben Sie sich nie überlegt, Funktionär zu werden? Vielleicht könnten Sie Hannover 96 oder gar dem Tennis-Sport helfen.

KIEFER Das ist momentan noch nichts für mich. ANDRÉ SCHAHIDI FÜHRTE DAS GESPRÄCH

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FOTO: IMAGO Schlagfert­ig: Ex-Profi Nicolas Kiefer (hier beim Rasenturni­er in Halle) weiß noch gut, wie Spitzen-Tennis geht.

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