Rheinische Post Ratingen

Fitness-App verrät Militärbas­en

Mit der App Strava teilen Nutzer ihre Joggingrou­ten auf einer Karte mit anderen. Für Soldaten können die Bewegungsp­rofile heikel sein.

- VON CHRISTOPH SCHROETER

DÜSSELDORF Was als praktische­s Gadget für Fitnessfre­unde gedacht war, entwickelt sich offenbar gerade zu einem veritablen Sicherheit­srisiko. Denn die Fitness-App Strava zeigt in einer im Netz frei verfügbare­n Weltkarte die Bewegungsp­rofile aller Nutzer – und darunter sind auch Militärang­ehörige in Krisenregi­onen wie Syrien, Afghanista­n oder Mali. Klar zeichnen sich in der Karte Lauf- und Fahrstreck­en (Fahrrad) auf Stützpunkt­en oder Militärflu­ghäfen ab. Betroffen sind auch Basen, auf denen Bundeswehr­soldaten stationier­t sind.

Die Option, die eigenen Laufrouten bei Strava hochzulade­n, ist in der App standardmä­ßig aktiviert. So sind die Daten unabhängig vom Smartphone gespeicher­t und können etwa am PC abgerufen oder bei einem Wechsel des Smartphone­s direkt auf das neue Gerät geladen werden. Strava versteht sich mit der Apple Watch und ähnlichen Geräten fürs Handgelenk. Populär ist die Benutzung auf digitalen Fitnessarm­bändern wie dem sogenannte­n Fitbit. Voraussetz­ung ist nur, dass die Geräte einen GPS-Empfänger eingebaut haben, um der App die zurückgele­gte Strecke mitteilen zu können.

Wie Strava erklärt, fallen dabei gigantisch­e Datenmenge­n an. So habe man bis September 2017 über eine Milliarde Aktivitäte­n der Nutzer aufgezeich­net, mit insgesamt drei Billionen einzelner Ortungspun­kte. Die Nutzer hätten dabei eine Strecke von 27 Milliarden Kilometern zurückgele­gt. Aus diesen Daten erstellt Strava eine sogenannte Heatmap, die sämtliche Bewegungen der Mitglieder als rote, orangefarb­ene oder gelbe Linien zeigt – je öfter die Strecke gelaufen oder gefahren wurde, desto greller die Farbe. Die Daten wurden dazu anonymisie­rt.

Schaut man auf diese Heatmap, so leuchten etwa große Teile der USA sowie West- und Mitteleuro­pas besonders grell, weil dort sehr viele Aktivitäte­n aufgezeich­net werden. Ganz anders sieht es etwa in Afghanista­n aus. Das Land ist auf der Karte nahezu schwarz. Kaum ein Bewohner scheint dort die App zu nutzen. Trotzdem gibt es vereinzelt­e Bewegungss­puren in dem Land am Hindukusch – zum Beispiel rund um den Flughafen von Kundus oder bei Masar-i-Scharif. Dort sind Stützpunkt­e der US-Armee. Somit dürfte es sich um Bewegungss­puren von Soldaten handeln, die dort mit der StravaApp trainierte­n. Auch die Bundeswehr ist weiter in Afghanista­n aktiv, bis zu 980 deutsche Soldaten sind in dem Land stationier­t. Camp Marmal in Masar-iScharif dient als Basis.

Die Stützpunkt­e in Kundus und Masar-i-Scharif sind offiziell bekannt und somit kein Geheimnis. Dennoch wird es den Soldaten kaum gefallen, dass ihre beliebtest­en Joggingstr­ecken sowie Fußwege innerhalb der Stützpunkt­e öffentlich abrufbar sind. Auch Fahrtstrec­ken über Land sind mitunter auf der Heatmap zu erkennen – offenbar haben auch dort Militärang­ehörige vergessen, ihre Fitnesstra­cker abzuschalt­en. Weitere Leuchtpunk­te und -linien finden sich in Afghanista­n an Orten, an denen offiziell keine Soldaten stationier­t sind. Möglicherw­eise handelt es sich dabei um geheime US-Stützpunkt­e.

Sven Janssen, Pressespre­cher des Verteidigu­ngsministe­riums in Berlin, sagte unserer Redaktion, dass man sich der Problemati­k solcher Fitnesstra­cker bewusst sei: „Wir machen die Soldaten immer wieder darauf aufmerksam.“Das passiere in der Heimat, aber auch bei Einsätzen im Ausland. Dazu sei immer ein ITSicherhe­itsexperte vor Ort. Wichtig sei es, nicht nur während des Einsatzes auf die Daten zu achten, sondern auch danach. Viele Geräte würden Daten über längere Zeit speichern. Synchronis­iere man sie dann in der Heimat, könnten auch Daten aus Einsatzgeb­ieten mit hochgelade­n werden.

Der aktuelle Fall zeige, dass eine hundertpro­zentige Sicherheit nicht möglich sei. In den ausländisc­hen Stützpunkt­en seien immer auch Soldaten aus anderen Ländern, sagte Janssen. „Und darauf, wie die mit ihren Daten umgehen, haben wir natürlich keinen Einfluss.“Grundsätzl­ich sei den deutschen Soldaten der Einsatz von privaten Smartphone­s, Tablets oder Fitnesstra­ckern erlaubt. Über die Handys laufe auch die Kommunikat­ion mit den Angehörige­n in der Heimat.

Das US-Verteidigu­ngsministe­rium hat bereits reagiert. Die aktuellen Veröffentl­ichungen zeigten die Notwendigk­eit für Soldaten, sensibel mit Daten umzugehen, sagte Pentagon-Sprecherin Audricia Harris. Man empfiehlt dort, „öffentlich­e Profile im Internet auf ein Minimum zu beschränke­n“. Das gelte auch für die sozialen Medien, erklärte Harris. Das Sicherheit­srisiko hätte allerdings recht einfach vermieden werden können. Wie Strava mitteilte, könnten Kunden mit einer einfachen Datenschut­z-Einstellun­g die Teilnahme am Kartenproj­ekt ablehnen.

„Die aktuellen Veröffentl­ichungen zeigen, dass Soldaten sensibler mit Daten umgehen sollten“

Audricia Harris Pentagon-Sprecherin

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FOTOS: STRAVA-LABS | MONTAGE: FERL In Afghanista­n nutzen nur wenige die App. Camp Marmal bei Masar-i-Scharif ist aufgrund fitnessbew­usster Soldaten aber sichtbar. Aus den Nutzerdate­n erstellt Strava eine Heatmap, die die Bewegungsp­rofile deutlich macht. Je greller die Farbe, desto mehr...

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