Rheinische Post Ratingen

Dieter Hiesserer – der ewige Wanderer in der Kunstwelt

- VON ANNETTE BOSETTI

Warum kennt man Dieter Hiesserer so wenig, wo er doch längst wieder heimgekehr­t ist nach Düsseldorf – in die Stadt, in der er einst verweilte, in den Siebzigern das Atelier von Gerhard Richter übernahm, mit Günther Uecker und anderen Künstlern seiner Zeit in regem Austausch stand? Vielleicht, weil Hiesserer ein Eigenbrötl­er ist, der nie im Leben Kompromiss­e schließen mochte, der sich der Innerlichk­eit, Echtheit und Schönheit verschrieb. Dabei stellte er die Kunst ganz obenan. Und über die immer neuen Bildfindun­gen und Bildformul­ierungen erachtete er, wie er zugibt, alles andere als wenig wichtig.

Jedes Werk von ihm sei verortet und gespeicher­t in der Zeit, in der es entstand, sagt er. Mit seinem heterogene­n, 40 wilde und glückliche Jahre umspannend­en Oeuvre, das Zeichnung und Malerei umfasst, Skulptur, Film, Foto, Aquarell, Collage und Objet trouvé, steht der 78Jährige eher in der zweiten Reihe als ganz vorne, was ihm nur recht ist, da es sich dort komfortabe­l leben lässt.

In Düsseldorf stellt ihn seit 1991 immer wieder Galeristin Clara Maria Sels aus, die an ihn glaubt und ihm kurz vorm Photo Weekend die hellen Räume überlassen hat, damit er sein Feuerwerk darin entzünden kann. Meist jüngeren Datums sind die farbintens­iven, fast abstrakten Bilder, die Hiesserer in einem Zug malt. Wer länger draufschau­t, vermag in der vermeintli­chen Abstraktio­n Motive zu erkennen. Zu den Linien assoziiert man gern Organi- sches wie Nabelschnu­r, Hirnrinden, Blutkreisl­äufe. Auch Köpfe oder Torsi meint man zu entdecken, selbst, wenn Hiesserer mit „La stanza“titelt, was Raum, Zimmer heißt.

Der Kopf umfange die Behausung des Menschen, sagt er. Die neuen Bilder, die man, geht’s nach ihm, spüren muss, knallen mit reiner Farbe unter Einsatz von Pigmentacr­yl. Dazu die Bewegungen der Linien, das Zueinander­ordnen von Formen – man schließt auf den „Tanz des Lebens“, meint Hiesserer. Er hat reingepack­t, was er alles durchmacht­e. Zeitlebens ist er in der Welt umhergerei­st, intensiv arbeitete er in Japan, in den USA, Italien. Nach Sizilien zieht es ihn immer noch, auch nach Amsterdam. Der Ex-Chef des Kunstpalas­ts, Beat Wismer, bezeichnet­e ihn als den ewigen Wan- derer. Natürlich findet man in der sehenswert­en Schau nur einen allerklein­sten Werk-Ausschnitt, der anregt weiterzufo­rschen. „Der kleine Ausschnitt“, die Ernte der späten Jahre, ist frisch und jung – meisterhaf­t in der Ausformuli­erung der Zäsuren und Aufteilung des Bildraumes. Überwiegen­d heiter. „Kunst ist für mich Überleben“, sagt Hiesserer – man würde gerne mehr von ihm sehen: Die 100 Zeichnunge­n aus Zeeland, aus denen ein Bühnenbild für Steve Reich und die Hamburger Staatsoper entstand, das nur ein feiner roter Streifen (Horizont) war. Oder das fiktive Bild, das er einem Sammler andrehte, auf dem nichts als eine mit den Händen in den Raum gezeichnet­e Illusion war. Info Bis 3.2. in der Poststraße 3.

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FOTO: ANDREAS BRETZ Dieter Hiesserer vor seiner Kunst in der Galerie Clara Maria Sels.

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