„Billy Wilder hätte meine Filme geliebt“
Der Kinostar verrät, welcher seiner Filme der beste ist, was ihn an Kritikern und Medien stört und wieso er im September vielleicht die FDP wählt.
Weite Stoffhose, Shirt, Mütze. Schlabberlook. Ein echter „Hipster“, würde Jens Spahn wohl zu Til Schweiger (53) sagen, wenn er ihn jetzt so sähe. Deutschlands erfolgreichster Filmemacher sitzt in einem Wohnmobil in einem Waldstück vor Potsdam. Er schiebt Regler an den großen Monitoren von links nach rechts, kürzt, schneidet, verschiebt Szenen seines neuen Films „Klassentreffen“. Gerade guckt der Eismann, bei dem die Hauptdarsteller ein Eis bekommen und dann nicht bezahlt haben, aus seinem Eismobil und ruft den Männern „Penner“hinterher. Eine kleine Szene, doch Schweiger sucht minutenlang den richtigen Schnitt. Musik, die Männer, der Eismann. Drei Szenen, die Hintergrundmusik passt. „Hah, das ist es“, ruft Schweiger und lacht. Es ist 19 Uhr, der Zwölf-Stunden-Drehtag ist vorbei. Er dreht sich zum Journalisten um. „Bist du bereit?“. Das „Du“, vor ein paar Jahren bei einem gemeinsamen Abendessen entstanden, ist geblieben. Die Filmbranche ist hemdsärmelig.
In deinem neuen Film geht es um Männer Mitte 40, die nicht erwachsen werden wollen. Wie erwachsen bist du?
SCHWEIGER Im Film geht’s eher um die Probleme der Protagonisten, die sie mit dem Altwerden haben. Sehr lustig, mit einem melancholischen Unterton. Ich glaube, ich persönlich werde nie erwachsen. Das klingt ja nach Stillstand.
Du meinst fertig sein.
SCHWEIGER Ja, und ich bin nie fertig. Das Kind im Manne ist bei mir ausgeprägt. Mein zwei Jahre älterer Bruder, den ich sehr liebe, ist ganz anders. Vernünftig, rational. Ich dachte immer, das kommt bei mir auch. Kam aber nicht.
Wann hast du das letzte Mal etwas Kindisches gemacht?
SCHWEIGER Oh, ständig. Vor zwei Wochen sitzen wir im Speisewagen von Hamburg nach Berlin. Die Frau neben uns fragt, ob wir ihr Laptop und iPhone im Blick behalten können, weil sie auf Toilette muss. Wir so: Klaro, kein Ding. Sie geht aufs Klo, ich verstecke ihre Sachen und wir tun, als ob wir schlafen. Die war für fünf Sekunden total geschockt (kichert), hat’s dann aber geschnallt, weil alle anderen angefangen haben zu lachen. Ich hab’ als Entschädigung ihre Rechnung übernommen (grinst).
Gerade eben hast du nach einem langen Drehtag die letzte Einstellung vier Mal geändert. Bist du ein Perfektionist?
SCHWEIGER Ich will immer das Bestmögliche rausholen, auf dem Set bin ich Perfektionist. Das Gefühl „Ich hab’ kein’ Bock mehr, ich gehe nach Hause“, das gibt’s bei mir nicht.
Auf der anderen Seite gehörst du zu denen, die sehr schnell Filme drehen. Wie passt das zusammen?
SCHWEIGER Ich weiß, was ich will. Das Konzept, die Filmidee, sie ist ja da. Und ich arbeite mit Vertrauten, mit Profis, die ich schon lange kenne.
Wie viel Prozent deines Teams sind Stammgäste?
SCHWEIGER Zwischen 80 und 90 Prozent, sicher. Und ich probe auch die Einstellungen nicht. Wir drehen die Proben mit. Oft sind gerade die ersten Takes die besten, gerade bei emotionalen Szenen. Das ist wie im richtigen Leben. Der erste Eindruck stimmt oft.
Die Til-Schweiger-Komödie ist eine eigene Marke. Die Farben, die Ästhetik, die Figur des liebenswürdigen Trottels, das Happy End.
SCHWEIGER Ich lege Wert auf starke Farben, eine kernige Bildsprache, gutes Licht. Das ist mein Stil. Wer das nicht mag, soll sich Filme von der Berliner Schule anschauen.
Und das Happy End sagt uns, dass Til Schweiger harmoniesüchtig ist?
SCHWEIGER Ja, klar. Sind wir doch alle. Nihilistische Filme gibt’s doch genug. Es muss bei mir nicht immer ein Happy End geben, aber alle meine Filme haben zumindest eine Hoffnung am Schluss, auch wenn die Helden sterben. Etwas, das Mut macht. Die Leute sollen mit einem guten Gefühl nach Hause gehen.
Wie in „Knockin‘ on Heaven’s Door“, wo der Traum der Männer wahr wird. Sie sind zum ersten Mal am Meer und kommen in den Himmel.
SCHWEIGER Genau. Sie können im Himmel mitreden, das war die Idee. Und wenn das Mädchen in „Honig im Kopf“auf der Wiese liegt, zwischen den Schafen, in den Himmel schaut, das Schaf blökt und sie sagt: ‚Hast du was gesagt, Opa?‘, dann weißt du: Sie glaubt wirklich, dass Opa im Himmel ist.
Hast du deinen besten Film schon gedreht?
SCHWEIGER (langes Schweigen) Ja, ich denke, das war „Barfuss“. Aber „Schutzengel“fand ich auch toll. Das heißt aber nicht, dass ich nicht daran arbeite, einen noch besseren zu drehen.
Was ist das Rezept für deine Komödien?
SCHWEIGER Das wurde ich vor zwei Jahren bei einem Workshop in der Filmakademie auch gefragt. Ich weiß es nicht. Ich mache einfach, was mir gefällt. Wenn ich ein Rezept hätte, gäbe es nur noch Hit-Komödien. So ist es aber nicht. Ich bin ja auch schon gefloppt.
Bei den Filmkritikern floppen deine Filme regelmäßig.
SCHWEIGER Ach, ist das so? (grinst)
Nicht gerade deine Lieblingsmenschen, oder?
SCHWEIGER Quark. Ihr sprecht mich nur immer wieder darauf an. Es gibt Schauspieler, die sind Arschlöcher, und es gibt Journalisten, die sind Arschlöcher. So ist das eben. Ich habe ja überhaupt nichts gegen Journalisten. Mit manchen bin ich sogar befreundet.
Vielleicht haben die Kritiker auch einfach recht.
SCHWEIGER Da gibt es kein richtig oder falsch. Film ist keine Mathematik, Film ist Geschmackssache. Ich mache die Filme, die mir gefallen. Aber manchmal habe ich den Eindruck, dass die Leute denken, wenn sie etwas lange genug behaupten und es immer wiederholen, dann wird es zur Wahrheit. Nur ein Beispiel: Eine Zeitung schrieb neulich, dass Til Schweiger in seinem neuen Restaurant das teuerste Leitungswasser in Hamburg verkauft. Das haben Dutzende Medien abgeschrieben. Dabei musste man nur googeln, um zu sehen, dass das nicht stimmt. Wir haben gerichtlich eine Gegendarstellung durchgesetzt. Das war schlicht eine Falschmeldung, fake news. Mit voller Absicht.
Glaubst du etwa auch, Medien verbreiten gezielt fake news?
SCHWEIGER Natürlich sind die Medien nicht gesteuert. Aber einige Medien berichten bewusst so, dass ein Bild entsteht, das nicht der Wahrheit entspricht. Noch ein Beispiel: Bei meiner Premiere von „One Way“in der wunderschönen Essener Lichtburg gab es am Ende acht Minuten Standing Ovations. Am nächsten Tag meldete die Nachrichtenagentur dpa, der Film wäre durchgefallen, und es hätte nur spärlichen Applaus gegeben. Da war ich echt geschockt, also richtig geschockt, weil es eine ganz klare Lüge war. Heute, zehn Jahre, später schockt mich kaum noch was, man wird auch irgendwie stärker durch sowas.
Deine Filme sind populär, du bist der Populist des deutschen Films. Dir könnten Kritiken egal sein.
SCHWEIGER Sind sie mir auch. Wenn sie unfair sind, ärgern sie mich trotzdem.
Du bist halt kein Billy Wilder…
SCHWEIGER Oh, ich glaube, Billy Wilder hätte meine Filme geliebt. Er hatte immer ein gutes Timing, einen Rhythmus in seinen Filmen, die Überraschung. Das ist mir auch wichtig.
Warum bist du nicht nur der erfolgreichste Filmemacher, sondern zugleich auch der umstrittenste?
SCHWEIGER Das hat viel mit Neid zu tun. Alle Menschen sind neidisch. Das ist keine Erfindung der Deutschen. Wenn ich aber ein Land nennen müsste, in dem der Neid erfunden sein könnte, käme ich auf Deutschland. Hier haben einige eine besondere Lust daran, den Erfolgreichen am Zeug zu flicken. Also nicht die Deutschen generell, aber viele Journalisten. Schau dir doch an, wie mit Michael Schumacher umgegangen wurde. Dreimal Weltmeister, plötzlich Schummel-Schumi. Oder Boris Becker. Erst Nationalheld, dann Pleite-Boris. Oder Lothar Matthäus. Ein feiner Kerl, hat ein paar unglückliche, vielleicht naive Entscheidungen getroffen. Na und? Er wird als Idiot dargestellt. Aber er ist bis heute der einzige Weltfußballer aus Deutschland.
Journalisten berichten in guten wie in schlechten Zeiten.
SCHWEIGER Na ja. Die Lust an der Beschreibung des Absturzes ist schon ausgeprägt. Oder Franz Beckenbauer. Eine Ikone. Fortsetzung des Interviews auf der folgenden Seite.