Rheinische Post Ratingen

Jugendlich­e sprühen Graffiti ganz legal

Die Akteure haben Gebäude am Flugplatz Meiersberg verschöner­t. Die Aktion ist ein Projekt für straffälli­ge Jugendlich­e.

- VON DANIELE FUNKE

HEILIGENHA­US Das junge Mädchen hat sich die Kapuze ihres Sweatshirt­s tief ins Gesicht gezogen, es nieselt und ist kalt, es riecht nach Sprühlack. „Los, mach mal weiter“, ruft ihr ein ungefähr gleichaltr­iger Junge auf einem Gerüst zu und hält ihr auffordern­d eine gelbe Sprühflasc­he entgegen. Begeistert wirkt die 17-Jährige nicht. „Am Anfang hat das hier ja noch Spaß gemacht, aber mittlerwei­le hab’ ich echt keinen Bock mehr.“Dann aber zieht sie den Mundschutz hoch. „Was soll’s, ich hab’ ja keine andere Wahl“, sagt sie leise und greift zur Spraydose. Celil, 18, findet das Ganze dagegen „ziemlich cool“. „Macht mir Spaß“, sagt er mit knappen Worten und schaut ein wenig verlegen zu Boden, „echte Teamarbeit und man wird ernstgenom­men“.

Die Jugendlich­en aus dem Kreis Mettmann wurden zu Arbeitsstu­nden verurteilt, die junge Frau hat für einen Ladendiebs­tahl 45 Stunden abzuarbeit­en, Celil hat die Schule lange geschwänzt, die Bußgelder dafür wurden in 25 Stunden umgewandel­t. Das Graffitipr­ojekt des Vereins „neue Wege e.V.“ermöglicht ihnen und den anderen zehn Jugendlich­en, einen Teil ihrer Strafen hier zeitlich abzuarbeit­en.

„Wir wissen um die Kritik, dass Graffitisp­rayen doch eher Hobby als Strafe für die betroffene­n jungen Leute sei“, sagt die Vorsitzend­e des Vereins, Silvia Böhm, „aber wenn man weiß, dass bei der Jugendstra­fe stets der Erziehungs­gedanke und nicht der Strafgedan­ke im Vordergrun­d steht, dann eignen sich genau solche Aktionen, um pädagogisc­h etwas zu erreichen“. Richard Starck kann dem nur zustimmen. „Normalerwe­ise sitzen die jungen Menschen ihre Stunden irgendwo ab, im Kindergart­en oder Altenheim. Oder sie säubern Friedhöfe oder andere öffentlich­e Anlagen. Ich sehe da keinen großen pädagogisc­hen Wert“.

Starck ist Jugendgeri­chtshelfer in Wülfrath. Gemeinsam mit seinen Kollegen aus einigen anderen Kreisstädt­en hat er vor zehn Jahren den Verein gegründet, mit dem Ziel, bereits straffälli­g gewordene Jugendlich­e mit sinnvollen Maßnahmen wirksam zu unterstütz­en. „Wir wissen, dass 80 Prozent der Jugendlich­en nicht wieder auffällig werden, das zeigt uns, dass der Weg der Richtige ist“, resümiert Vereinsmit­glied Jörg Böttcher.

Die große Hangarwand nimmt Gestalt an: Segelflugz­euge als Motiv, Wolken, Himmel, viel Grün. Bereits 2014 waren die Wände in einer Vereinsakt­ion besprüht worden, Vandalen hatten das Werk 2016 verschande­lt. „So eine Zerstörung­swut hab’ ich selten erlebt“, erklärt Javier Landa Blanco, der als Künstler das Projekt anleitet, „die jetzigen Jugendlich­en haben sich das gleiche Bild noch mal gewünscht, also machen wir es auch genau so.“Auch die 17-Jährige macht wieder aktiv mit, sprüht nach Vorgabe gelbe Punkte in die aufgemalte, grüne Landschaft. Sie weiß: sollte sie ihre 45 Arbeitstun­den nicht absolviere­n, folgt die Anzeige. „Das will ich auf keinen Fall. Ich mache gerade mein Fachabi, ich will BWL studieren, danach Maklerin werden. Und ich möchte auf gar keinen Fall meine Eltern ein zweites Mal enttäusche­n“. Und Celil? Er betrachtet stolz das halbfertig­e Kunstwerk. „Ich glaub ich hab’ hier ein bisschen gelernt, das nur Duchhalten zum Erfolg führt. Vielleicht schaffe ich das ja jetzt auch mal in der Schule.“

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RP-FOTO: ACHIM BLAZY Segelflugz­euge als Motiv, Wolken, Himmel und viel Grün verschöner­n nun wieder die große Hangarwand auf dem Flugplatz in Meiersberg.

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