Peter Maffay – grandios zum Abschied
Der 74-Jährige brauste beim Konzert im Kölner Stadion mit einer Harley auf die Bühne. Das letzte Lied sangen die 37.000 Fans.
Es geht so gut wie nichts mehr rund um das Kölner Rheinenergie-Stadion. Eine rote Vespa knattert zwischen den unzähligen Autos hindurch, die Stoßstange an Stoßstange auf der Aachener Straße stehen. Ihr Fahrer klappt das Visier seines Helms hoch und fragt einige Fußgänger: „Was ist denn da heute los?“– „Peter Maffay spielt im Stadion!“, rufen sie zurück und rennen weiter. So schnell sie können. Tausende Maffay-Fans sind viel zu spät dran an diesem leicht verregneten Abend, denn: Einige Stunden vor Konzertbeginn des deutschen Rockmusikers, der mit seiner „Farewell Tour 2024“seinen Abschied von den großen Bühnen feiert, herrscht dort ein Verkehrschaos. Den für 19.30 Uhr angedachten Beginn hat der Veranstalter deshalb etwas nach hinten verschoben.
Für den Star aber gibt es keinen Stau: Schon um 19.45 Uhr fährt Peter Alexander Makkay alias Peter Maffay, einer der erfolgreichsten deutschen Sänger, Komponisten und Musikproduzenten der vergangenen fünf Jahrzehnte, mit einer Harley-Davidson auf die Bühne und singt: „Um ihn das Dröhnen der Motoren / Und die Lichter die ihn blenden / Für einen Easy Rider / Da ist der Highway nie zu Ende“.
Dieser kraftvolle und ohrenbetäubende Knallerstart passt sinnbildlich zu Maffays musikalischer Karriere. Von Anfang an Vollgas, von Anfang an auf der Überholspur. Auf ihn und seinen Musik- und Produktionsapparat war seit Anfang der 1970er-Jahre stets Verlass. Die Ränge sind zu diesem Zeitpunkt allerdings immer noch nicht voll besetzt. Stau sei Dank.
Doch es hilft ja nichts, um spätestens 23 Uhr muss Schicht sein im Schacht. Vorgabe der Stadt Köln. Und weil Maffay das weiß und Profi genug ist, lässt er ein paar Witze vom Stapel: „Keiner von uns hatte eine Ahnung, wie so eine Tour aussehen würde. Aber so schnell falle ich nicht um. Vor allem nicht bei meiner Körpergröße.“Selbstironie und Tiefstapelei vom „Boss“, wie Johannes Oerding ihn gleich noch nennen wird, ist das. Die Fans lachen mit ihm zusammen, die Stimmung ist
fantastisch, friedvoll, ausgelassen.
Die Lücken auf den Rängen füllen sich mehr und mehr. Eine Zuschauerin sucht noch etwas abgehetzt ihren Platz, da beginnt sie schon mitzusingen: „Ich war sechzehn und sie einunddreißig / Und über Liebe wusste ich nicht viel“. 37.000 Menschen schwenken ihre Arme im Takt von „Und es war Sommer“. Frau Nostalgie möchte zu Maffay auf die Bühne springen.
Auf der steht er an diesem Abend nicht allein, sondern er hat eingeladen: Anastacia, Wolfgang Niedecken und Johannes Oerding. Maffays Begründung für dieses Stelldichein ist simpel: Manchmal würden aus Begegnungen Freundschaften, danach vielleicht sogar tiefe Freundschaften werden. Die Deutschrock-Legende liebt es, gute Freunde auf der Bühne
um sich zu haben. Und die lieben ihn. „Du bist der Soundtrack ganzer Generationen. Du zauberst den Menschen ein Lächeln ins Gesicht. Deswegen bist du für mich der Boss“, sagt Oerding zu Maffay. Die Zuschauer sehen das genauso. Ein paar wischen sich Tränen von ihren Wangen. Als Maffay dann in der zweiten Strophe von Oerdings „Blinde Passagiere“zu singen beginnt, spricht es zwar niemand aus, jedoch denken es die meisten: Seine Stimme ist wie frische Luft in einem viel zu verrauchten Raum: Man kann gar nicht genug von ihr bekommen.
Genug bekommen kann man auch von den Soli des niederländischen Gitarristen Jan-Bart Meijers nicht. Meijers spielt, schwitzt und bewegt seinen Mund beim Song
„Eiszeit“so, als wolle er mit seinen Lippen die einzelnen Töne sofort wieder vom Boden des Stadions aufklauben. „Der ist ja der Wahnsinn!“, schreit eine Frau ihrem Mann ins Ohr. Der starrt nur wie paralysiert auf eine der drei großen Leinwände, auf denen Meijers samt seinen Schweißperlen, die ihm aus grauen Locken tropfen, zu sehen ist.
Und Wolfgang Niedecken? Der wird von Maffay mit „Eine Kölner Institution, an der man nur schwer vorbeikommen kann“auf die Bühne gebeten. Die Menge jubelt dem Musik-Urgestein zu. Niedecken wirkt gelassen und gerührt zugleich. Aber auch etwas versteckt hinter seiner Sonnen-Nickelbrille und unter seinem Dylan-Hut. Um Punkt 21 Uhr dringen doch noch einige Sonnenstrahlen durch die dicke Wolkendecke. Die Leute wippen, springen und singen „Verdamp lang her, verdamp lang / Verdamp lang her“. Gänsehaut und „Oh, wie ist das schön“-Gesänge schwappen hinüber auf die Jahnwiesen.
Was dann noch folgt: die USamerikanische Sängerin Anastacia begleitet ihren Freund Peter bei „So bist du“. Zusammen mit der Kölner Backgroundsängerin Linda Teodosiu zu „You Shook Me All Night Long“brennt sie die Hütte ab. Und am Ende stimmt das ganze Stadion zusammen mit Maffay und Niedecken „Über sieben Brücken musst du gehn“an. Noch weit entfernt im nahe gelegenen Stadtwald hört man Minuten nach Konzertschluss Maffays Fans singen: „Oh, wie ist das schön“.
Es war schön mit Ihnen, Herr Maffay.