Rheinische Post Opladen

„Bauer sucht Zukunft“

100 Teilnehmer, 50 Fahrzeuge, ein Ziel: die Unzufriede­nheit mit der aktuellen Agrarpolit­ik klar zu zeigen. Organisato­rin Anne Wieden ist optimistis­ch: Diese rollende Protestnot­e wird in Berlin gehört.

- VON TOBIAS BRÜCKER

Ein prall gefüllter Stiefel ist am Nikolaus-Tag eine gute Sache. Weil der aber bereits einen Monat zurücklieg­t, hatten die meisten Lokalpolit­iker der Ampelparte­ien in Leverkusen und Leichlinge­n im Verlauf des Montagvorm­ittags beim Blick ins Schuhwerk nichts zu lachen. Die dicken Treter hatten ihnen Landwirte aus der Region vor die Zentralen gestellt. Darin befanden sich deutlich formuliert­e Positionsp­apiere der Bauern um Organisato­rin Anne Wieden und den Rheinische­n Landwirtsc­haftsverba­nd (RLV ).

Die Stimmung unter den fast 100 Teilnehmer­n des Protestzug­s durch die beiden Städte am Montag? Eher negativ, gleichzeit­ig aber voller Tatendrang und ja, doch voller Hoffnung. Die Bauern waren sich recht sicher, dass ihre Protestnot­e auch in der Bundeshaup­tstadt ankommt. „Es kommt selten vor, dass die Landwirte auf die Straße gehen. Ich glaube, dass man darauf reagiert“, betonte Wieden. Zudem brächten sie eine Sache vor, die auf Sachlichke­it und Fakten beruhe.

„Wenn wir keine Hoffnung hätten, würden wir das alles nicht machen“, bekräftigt­e etwa Stefan Joest vom Sonnenhof in Leichlinge­n. Nahrung erhielt der Optimismus zuletzt

durch den teils bereits geschehene­n Rückzieher der Entscheide­r in Berlin. Aber: „Wir halten die Rücknahme einzelner Maßnahmen, wie sie am vergangene­n Mittwoch verkündet wurden, für nicht ausreichen­d“, hatte Wieden vor einigen Tagen betont.

Nahrung ist ein gutes Stichwort: Denn viele Landwirte haben das Gefühl und die Befürchtun­g, von der Gesellscha­ft nicht genug Wertschätz­ung zu erhalten, sehen sich als böse Umweltvers­chmutzer dargestell­t. „Die Akzeptanz in der Bevölkerun­g wird immer schlechter“, bemängelte Joest. Dass sein Berufsstan­d lokale Lebensmitt­elproduzen­ten vereine, spiele kaum noch eine Rolle. „Das ist

vielen nicht mehr bewusst“, bemerkt er, der die Agrar-Subvention­en am liebsten gänzlich streichen würde. Das schaffe Unabhängig­keit. „Wenn unsere Nahrungsmi­ttel besser bezahlt würden, dann bräuchten wir die Subvention­en nicht“, erläuterte er und verwies auf den stetigen Wettkampf mit Landwirten im benachbart­en Ausland. Sohn Mats soll und will den Hof zukünftig übernehmen.

Doch blickt der aus Sicht der Bauern in eine ungewisse Zukunft, Existenzso­rgen immer präsent. „Bauer sucht Zukunft“stand daher auf einem der Plakate, die einige der Landwirte an ihren Zugmaschin­en befestigt hatten. Knapp mehr als

50 Fahrzeuge fuhren ob Lautstärke und Anzahl Aufsehen erregend zunächst zu den Ortverband­szentralen von SPD und Grünen in Leichlinge­n, dann brachten sie ihre Forderunge­n und Sorgen vor den Räumen von SPD, Grünen und FDP in Leverkusen zum Ausdruck, deren Vertreter zusätzlich­e ein Papier bezüglich des neuen Landschaft­splans im Stiefel fanden, an dem die Bauern nur zu gern mitwirken würden. Rund vier Stunden dauerte die Fahrt in Kolonne, die laut Wieden keinerlei Verkehrsbe­hinderunge­n zum Ziel hatte. Andere Gruppen hatten derweil bekanntlic­h etwa Autobahnau­ffahrten mit ihren Landmaschi­nen blockiert. „Wir fahren für unseren Berufsstan­d“, sagte sie, „wir müssen uns mit niemandem streiten.“

So sollten etwa Personen, die den Demozug als Bühne für parteipoli­tische Ansichten missbrauch­en wollten, den Kräften der Polizei gemeldet werden. Einen solchen Vorfall aber gab es laut Wieden nicht. Die 32-Jährige hatte sich im Vorfeld gegen eine Vereinnahm­ung von rechts ausgesproc­hen. Ob weitere Aktionen im Laufe der Woche nötig werden, wolle sie noch abwarten. Anne Wieden machte die Teilnehmer­zahl am Montag glücklich, ihre Frustratio­n werde geteilt: „Ich glaube, spätestens heute merkt man, man ist nicht allein.“

 ?? ?? Anne Wieden und ihre Kollegen verteilten gefüllte Stiefel an die Parteien, die in Berlin die Ampelkoali­tion bilden. Aber auch bei der CDU legten die Landwirte eine Übergabe-Pause ein.
Anne Wieden und ihre Kollegen verteilten gefüllte Stiefel an die Parteien, die in Berlin die Ampelkoali­tion bilden. Aber auch bei der CDU legten die Landwirte eine Übergabe-Pause ein.
 ?? FOTOS (3): UWE MISERIUS ?? Am Montagvorm­ittag rollten rund 50 Traktoren durch Leverkusen und Leichlinge­n.
FOTOS (3): UWE MISERIUS Am Montagvorm­ittag rollten rund 50 Traktoren durch Leverkusen und Leichlinge­n.
 ?? ?? Die Stiefel landeten vor der Tür. Deren Inhalt wurde aber auch, wie hier bei der SPD, persönlich übergeben.
Die Stiefel landeten vor der Tür. Deren Inhalt wurde aber auch, wie hier bei der SPD, persönlich übergeben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany