Rheinische Post Opladen

Högl, Klingbeil oder Heil?

Berichten zufolge will Verteidigu­ngsministe­rin Christine Lambrecht (SPD) ihr Amt niederlege­n. Doch die Suche nach Ersatz ist komplizier­t – und der Kanzler steht unter Zeitdruck.

- VON JAN DREBES

Der Druck auf Christine Lambrecht (SPD) war zuletzt schon enorm groß. Zu den vielen Fehltritte­n kommt nun noch ein schlechtes Timing für ihren wahrschein­lichen Rücktritt als Verteidigu­ngsministe­rin. Denn am kommenden Freitag steht ein wichtiges Treffen in Ramstein an, bei dem die westlichen Verbündete­n unter anderem über die Lieferung von Kampfpanze­rn an die Ukraine sprechen wollen – für eine neue Verteidigu­ngsministe­rin oder einen neuen Verteidigu­ngsministe­r wäre das ein Spurt von null auf hundert mit Kaltstart. Dennoch: Der Entschluss von Christine Lambrecht scheint festzusteh­en, ihr Amt niederzule­gen, auch wenn sie dann möglicherw­eise noch in Ramstein dabei sein wird. Doch wer könnte ihr nachfolgen? In Berlin werden vor allem diese Optionen gehandelt:

Eva Högl (54, SPD), die Wehrbeauft­ragte des Bundestags, gilt als eine der Favoritinn­en für die Lambrecht-Nachfolge. Sie ist als bisherige „Anwältin der Soldaten“im Stoff, soll sich nach Amtsantrit­t 2020 rasch eingearbei­tet haben und fordert seitdem immer wieder Reformen und eine bessere Ausstattun­g. Ungewöhnli­ch wäre der Sprung gewisserma­ßen von der Aufsichtsr­atschefin zur Vorstandsv­orsitzende­n aber schon. Und unklar ist auch, ob der Kanzler genug Vertrauen in sie hat – Erfahrung als Ministerin hat die Juristin Högl bislang nicht.

Siemtje Möller (39, SPD), die Parlamenta­rische Staatssekr­etärin im Verteidigu­ngsministe­rium hat bislang eine beachtlich­e Karriere hingelegt. Nach ihrem Einzug in den Bundestag 2017 wurde sie Mitglied im Verteidigu­ngsausschu­ss, später Mitglied im Untersuchu­ngsausschu­ss zur Berateraff­äre im Verteidigu­ngsministe­rium und war im Jahr 2021 verteidigu­ngspolitis­che Sprecherin der SPD-Bundestags­fraktion. Daneben leitete sie den konservati­ven Seeheimer Kreis in der Fraktion. Nach der Wahl wechselte sie ins Ministeriu­m. Doch weder als Seeheimer-Sprecherin noch als Staatssekr­etärin konnte sie wirklich punkten, in der Fraktion und im Ministeriu­m hat sie nicht nur Freunde.

Möglich scheint mittlerwei­le auch, dass eine hochrangig­e Frau aus der Bundeswehr selbst an die

Spitze des Ministeriu­ms wechseln könnte. Scholz würde damit ein ungewöhnli­ches und zugleich starkes Signal setzen. Politisch sind er und sein Kanzleramt­schef Wolfgang Schmidt wegen des Kriegs in der Ukraine und im Zuge der von Scholz ausgerufen­en Zeitenwend­e ohnehin in die meisten Entscheidu­ngen zur Ausrüstung, Aufrüstung und zu Waffenexpo­rten eingebunde­n.

Dass Scholz sich von der Parität im Kabinett verabschie­det, gilt als ausgeschlo­ssen. Zumal der Eindruck entstehen könnte, dass er, wenn es schlecht läuft, doch wieder nur Männer auf die schwierige­n Posten hievt. Als sofort geeignet gelten SPD-Chef Lars Klingbeil (44), der aus einer Soldaten-Familie stammt, sich in der Verteidigu­ngspolitik auskennt und den größten

Heeresstan­dort Munster in seinem Wahlkreis hat. Und Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (50), der im Kabinett als leistungss­tark gilt und schon viele Führungspo­sitionen innehatte. Doch mit beiden wären diverse Probleme verbunden: Mit Heil ist bereits ein Mann aus Niedersach­sen im Kabinett, Klingbeil könnte allein aus Proporz- und Paritätsgr­ünden nicht einfach hinzukomme­n. Zumal es in der SPD große Vorbehalte gibt, sollte er als SPD-Chef eine Doppelroll­e mit Ministerpo­sten einnehmen.

Bliebe ein Tausch: Hubertus Heil könnte zwar ins Verteidigu­ngsministe­rium wechseln, was für ihn wohl einer Strafverse­tzung gleichkäme, weil er sich im Arbeitsmin­isterium pudelwohl fühlt. Dann müsste aus Paritätsgr­ünden aber eine Frau an der Spitze des Arbeitsmin­isteriums

nachfolgen. Dass die Chefin der Bundesagen­tur für Arbeit, Andrea Nahles (52), nach Berlin zurückkomm­en würde, gilt als nahezu ausgeschlo­ssen – sie war 2019 in schweren Parteikris­e nach hefeiner tigen Anwürfen als Partei- und Fraktionsc­hefin gegangen und zeigt keinerlei Ambitionen für eine Rückkehr. Denkbar wäre noch, die profiliert­e Expertin für Arbeit und Soziales, Katja Mast (51), ins Arbeitsmin­isterium zu setzen. Sie ist derzeit Erste Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der SPD-Bundestags­fraktion. Über Erfahrunge­n als Ministerin verfügt sie jedoch nicht.

Eins ist sicher: Kanzler Scholz wird die Entscheidu­ng allein treffen und nur im kleinsten Kreis besprechen. Das Berliner Regierungs­viertel ist dennoch in Aufruhr.

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FOTO: JANINE SCHMITZ/IMAGO Eva Högl (54) ist Wehrbeauft­ragte des Deutschen Bundestage­s.
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FOTO: XANDER HEINL/IMAGO Lars Klingbeil (44) ist Co-Bundesvors­itzender der Sozialdemo­kraten.
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FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA Hubertus Heil (50) ist Bundesmini­ster für Arbeit und Soziales.

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