Mit 65 in den Hörsaal
Der neue Lebensabschnitt bietet die Möglichkeit zu einem Studium ohne Prüfungsstress, nur aus Spaß an neuem Wissen. Heinz Fels ist ein Gasthörer an der Heinrich-Heine-Universität.
DÜSSELDORF Heinz Fels hat mit 65 Jahren sein erstes Sommersemester auf dem Campus der Heinrich-Heine-Universität (HHU) in Düsseldorf erlebt. „Meine Tage auf dem Universitätsareal, in Hörsälen, in der Bibliothek waren ein wunderbares Erlebnis“, sagt Fels und meint damit sowohl die wissenschaftliche Arbeit, die Forschung als auch das Miteinander mit anderen Studierenden, den Dozenten und Dozentinnen. Zu seinem Alltag gehörte natürlich ebenso das Mittagessen in der Mensa „und der eine oder andere Kaffee im Café Exlibris“.
„Die Gasthörerschaft“, erklärt Katja Wohlfeil vom Studierendenservice der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, „ist seit 1970 im Hochschulgesetz verankert. Seitdem bietet die HHU dies für alle Interessierten an.“
Das Studium im Alter ist also ein wissenschaftliches Weiterbildungsangebot für neugierig und wissbegierig gebliebene Menschen im mittleren und höheren Erwachsenenalter. Hier wird nicht auf ein berufliches Ziel hin studiert. Es geht um die Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Themen, und auch darum, sich weiterzubilden, am Ball zu bleiben. Heinz Fels formuliert seine Motivation so: „Das Gehirn soll warm bleiben.“
Interessierte können unabhängig vom Schulabschluss und ohne Bindung an Studien- und Prüfungsordnungen als Gasthörer die Lehrveranstaltungen besuchen. Einen akademischen Abschluss können die Gasthörer nicht erwerben.
„Ich habe die Absicht, ein Studium universale zu machen“, sagt Heinz Fels. „Ich möchte mein Allgemeinwissen erweitern und im Ruhestand nachholen, was in meinem Berufsleben zu kurz gekommen ist.“Fels war vor seinem Renteneintritt Immobilienkaufmann. An der HHU belegte er im vergangenen Sommersemester zum Beispiel eine Ringvorlesung über Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, die er mit großem Interesse verfolgt hat.
Außerdem besuchte er eine Vorlesung in Literaturgeschichte vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart oder ein Seminar zur Kunstkritik im Rheinland im 19. und 20. Jahrhundert.
Und wie es so ist in einem Seminar, war aktive Mitarbeit angesagt: Eine Powerpointpräsentation stand an. Auch an die Vorlesung mit Gastprofessor Rainer Maria Brandauer erinnert er sich gerne: „Ein Genuss“, sagt Fels.
Viel Neues sei auf ihn zugekommen: Zoom-Konferenzen, die Plattform Moodle, die Nutzung von Diensten über elektronische Medien, all das war schwierig – aber nach dem Motto Learning by doing und mit hilfsbereiten Ansprechpartnern habe schließlich alles gut geklappt.
Die HHU hat etwa 300 Gasthörer, vor Corona waren die Zahlen höher. Der größere Teil besteht aus Senioren, der kleinere aus Studierenden, die Wartezeiten überbrücken wollen, bis sie ihren gewünschten Studienplatz erhalten. „Generell sind die Geisteswissenschaften wie Geschichte, Philosophie und Kunstgeschichte beliebt“, sagt Wohlfeil.
Einzelne Gasthörer aber hätten auch Interesse an Medizin oder Psychologie. An der Düsseldorfer Universität besuchen die Seniorenstudierenden die regulären Vorlesungen, so wie alle anderen Studierenden auch. Das macht die Sache so interessant.
Überrascht war Heinz Fels dagegen, dass er keinen Kontakt zu anderen Gasthörern aufbauen konnte. Aber das mag auch den Nachwirkungen der Corona-Pandemie geschuldet gewesen sein. Allerdings hätten ihn die Studierenden der Ethik-Vortragsreihe wiedererkannt. „Vorurteilsfrei und sehr positiv“, so beschreibt er die Begegnungen auf dem Campus. Vielleicht liege es daran, „dass ich von gebildeten Menschen umgeben bin“, sagt Fels und lacht.
Der Gaststudent erinnert sich an eine nette Begebenheit im Hörsaal: Als es in der Vorlesung um die erste Herztransplantation 1967 ging, schaute der Vortragende zu Fels hinüber als wolle er sagen: Sie sind doch dabei gewesen. Aber Fels war damals erst elf Jahre alt.
Auch Katja Wohlfeil erfährt viel positives Feedback: „Die Studierenden helfen, wenn technische Probleme auftreten, es findet ein Austausch untereinander statt. Sie bekommen dadurch auch eine andere Perspektive, denn die älteren Gasthörer bringen Lebens- und Berufserfahrung und interessante Lebensgeschichten mit. Das erweitert den Horizont.“