Rheinische Post Opladen

Zwischen Genie und Wahnsinn

Trotz guter Leistungen ist Keeper Florian Kastenmeie­r immer für einen Patzer gut.

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(jol) Zwischen den beiden Szenen lagen nur wenige Minuten. Und diese kurze Zeitspanne ist bestens geeignet, den großen Widerspruc­h zu zeigen, der immer wieder in den Darbietung­en von Florian Kastenmeie­r steckt. Fortunas zweifellos hoch talentiert­er Torhüter, der jedoch regelmäßig für einen Aussetzer gut ist. Stellt sich die Frage: Wann schafft er es, diesen Schlendria­n endgültig abzulegen, mit dem er sich mitunter selbst im Weg steht?

Blicken wir zurück auf den frühen Samstagnac­hmittag, auf Fortunas Zweitliga-Heimspiel gegen den Hamburger SV. Es läuft die 78. Spielminut­e. Kastenmeie­r, der bis dahin zwar nur selten geprüft wurde, aber stets einen sicheren Eindruck hinterließ, hat den Ball im eigenen Strafraum ungefährde­t am Fuß, möchte einen Querpass nach links auf Jordy de Wijs spielen. Stattdesse­n passt der 24-Jährige die Kugel jedoch direkt in die Füße des eingewechs­elten Hamburgers David Kinsombi. Dieser ist jedoch so überrascht, dass er viel zu hart gegen den Ball tritt, sodass der frei vor dem leeren Tor stehende Robert Glatzel nicht mehr herankommt – Glück für Fortuna.

13 Minuten später, die Nachspielz­eit ist beim Stand von 1:0 für Fortuna angebroche­n. Plötzlich tauchen gleich zwei HSV-Spieler völlig blank vor Kastenmeie­r auf. Erneut Glatzel und Moritz Heyer. Das muss eigentlich der Ausgleich für die Gäste sein – aber der Fortuna-Keeper springt den beiden Hanseaten mit der ganzen Urgewalt seiner imposanten Körpergröß­e von 1,92 Metern entgegen und wehrt ab.

Eine Wahnsinns-Parade, nicht einmal eine Viertelstu­nde nach seinem kapitalen Bock. Wobei dieser ganz sicher nicht darin begründet war, dass „Flo“die Technik nicht beherrscht; für einen Keeper ist er ein ganz ausgezeich­neter Kicker, hatte ja auch noch spät in der Jugend als Stürmer gespielt.

Nein, es war eines dieser berüchtigt­en Konzentrat­ionslöcher, das der gebürtige Regensburg­er im Grunde doch schon hinter sich zu haben schien. „Unser Torwarttra­iner und ich analysiere­n jedes Spiel sehr genau“, hatte Kastenmeie­r erst in der vergangene­n Woche berichtet – auf die Frage, wie er es geschafft habe, seine früher recht häufig auftretend­en Aussetzer anscheinen­d abzustelle­n. „Wir machen da gar nichts Besonderes, sondern schauen uns die Szenen nur intensiv an und besprechen sie. Und dann versuche ich, den gleichen Fehler nicht wieder zu machen.“

Seine ansteigend­e Form schien dieses Vorgehen in den vergangene­n Monaten zu bestätigen, mit dem bislang krönenden Höhepunkt seiner Galavorste­llung beim 1:1 mit Fortunas „Corona-Notelf“beim SC Paderborn. Auch gegen den HSV sah das fast durchgängi­g gut aus – bis auf den eingangs erwähnten, beinahe fatal ausgehende­n Schnitzer in der 78. Minute.

Florian Kastenmeie­r ist also weiter auf der Suche nach Konstanz. Das ist inzwischen zwar mehr ein Meckern auf hohem Niveau geworden, weil seine Konzentrat­ionslöcher eindeutig seltener geworden sind. Aber es gibt sie eben noch. Und erst, wenn „Flo“sie wirklich auf ein Minimum – die absolute Null auf diesem Sektor schafft nicht einmal der mehrfache Welttorhüt­er Manuel Neuer – reduziert hat, ist Fortunas Nummer eins wirklich in der Riege der Klassetorh­üter angekommen. Das Zeug dazu hat er allemal.

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