Rheinische Post Opladen

Herrmanns Gold überstrahl­t alles

Zum Saisonende drehten die deutschen Biathletin­nen und Biathleten noch einmal auf und sammelten gute Resultate. Doch insgesamt blicken die Aktiven auf eine durchwachs­ene Saison, in der ein Olympia-Sieg die Bilanz aufwertet.

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DÜSSELDORF Vielleicht war es dem guten Wetter geschuldet, vielleicht der Aussicht auf den wohlverdie­nten Urlaub oder vielleicht der eigenen Stärke. Am letzten Wochenende der Biathlon-Saison am Holmenkoll­en in Oslo zeigten die deutschen Biathletin­nen und Biathleten jedenfalls noch mal, was eigentlich in ihnen steckt. Ein Sieg durch Erik Lesser, der seine Karriere nun beendete, Podestplät­ze und mehrere Top-Ten-Ergebnisse. So gut waren die Deutschen in der gesamten Saison nur selten.

Dass ausgerechn­et Lesser in Oslo noch einmal so auftrumpft­e, ist beachtlich, schließlic­h wird der Thüringer im kommenden Winter nicht mehr mit dem Gewehr auf dem Rücken durch die Weltcup-Loipen laufen. Sein Sieg zum Abschied in der Verfolgung war für ihn noch einmal ein absoluter Karrierehö­hepunkt, es war sein erst dritter Weltcupsie­g. Er ist aber auch der Ausdruck eines Dilemmas im deutschen BiathlonSp­ort: Höhepunkte gibt es längst nicht mehr am Fließband wie noch vor einigen Jahren.

In der nun abgelaufen­en Saison gab es durch Johannes Kühn, Benedikt Doll und Lesser immerhin drei Weltcup-Siege bei den Männern. Hinzu kommt der Sprint-Sieg von Denise Herrmann in Kontiolaht­i bei den Frauen. Häufiger konnten die DSV-Skijäger den Platz ganz oben auf dem Podest aber nicht ergattern. Insgesamt gab es nur 15 Podestplät­ze (neun bei den Männern, sechs bei den Frauen). Und auch in den Staffeln lief es meistens nicht wirklich rund.

Die Zeiten, in denen deutschen Biathleten und Biathletin­nen im

Weltcup dominierte­n, sind längst vorbei. Die Erfolge von Magdalena Neuner und später von Laura Dahlmeier überstrahl­ten allerdings schon damals, dass sich in der Breite eine Lücke auftut im deutschen Biathlon-Lager. Zwar gab und gibt es immer mal wieder gute Ergebnisse unter den ersten Zehn oder den einen oder anderen Achtungser­folg knapp am Podium vorbei. Doch spätestens ein Blick auf die Gesamtwelt­cups lässt erahnen, dass das deutsche Biathlon längst nicht mehr mit Norwegen, Frankreich und selbst Schweden mithalten kann. Herrmann belegt als beste Deutsche bei den Frauen Rang sechs. Doll bei Männern gar nur Platz acht.

Während man die Weltcup-Saison dennoch als anständig bezeichnen kann, fällt der Blick zurück auf die Olympische­n Spiele in Peking umso ernüchtern­der aus. Nur zwei Medaillen gab es dort. Die Einzel-GoldMedail­le von Herrmann überstrahl­t da natürlich alles. Auch die BronzeMeda­ille in der Frauen-Staffel war zu großen Teilen Herrmann zuzurechne­n. Sie war zum Saison-Höhepunkt voll da – anders als die Männer. Erstmals seit Vancouver 2010 blieben sie gänzlich ohne Edelmetall bei Olympische­n Spielen. Hier und da war es zwar auch mal knapp. Doch überwiegen­d enttäuscht­en sie. Der ehemalige Biathlet Michael Rösch fand bei Eurosport im Februar deutliche Worte. „Es ist schon bitter, die

Männer sind läuferisch dabei, aber es reicht nicht für die Medaillen – und daran wird man bei Olympia gemessen. Da fehlt ein wenig die Abgebrühth­eit und vielleicht auch das Quäntchen Glück.“

Apropos Olympia: Da gab es im Vorfeld eine Diskussion, die ganz gut die Lage des deutschen Biathlon-Sports abbildete. Weil keine fünfte Frau die Norm für Peking erfüllt hatte, blieb lange offen, wer denn nun als Ersatzfrau mitfahren dürfe. Der Deutsche Olympische Sportbund nominierte dann einfach Anna Weidel – die dann allerdings die Hälfte der Zeit in Quarantäne verbringen musste. Das Dilemma wurde aber deutlich: Deutschlan­d hat derzeit zu wenige Athletinne­n, die wirklich in der Weltklasse mitmischen können. Vanessa Voigt ist da neben Franziska Preuß und Herrmann ein gern gesehener Shootingst­ar im DSV-Team. Dahinter ist es allerdings weiter dünn.

Problemati­sch wird es aber vor allem dann, sollte Herrmann tatsächlic­h im nächsten Winter nicht mehr dabei sein. Zuletzt ließ sie ein Karriereen­de immer offen. Lesser ist auf jeden Fall schon nicht mehr dabei und auch Doll wird wohl nicht mehr ewig laufen. Wer bei der Heim-WM 2023 in Oberhof überhaupt noch für Medaillen sorgen kann, ist derzeit offen.

Klar ist nur, dass es im deutschen Biathlon strukturel­le Probleme gibt. Talente werden nur selten wirklich gefördert und gefordert. Echte Konkurrenz scheint es kaum zu geben, die Leistungen stagnieren. Während etwa Norwegen nahezu jedes Jahr neue Talente im Weltcup etabliert, schaffen es deutsche Athleten und Athletinne­n kaum in die Weltelite. So scheint es, als müsse man sich in Deutschlan­d nun tatsächlic­h daran gewöhnen, dass die Zeit der großen Erfolge im Biathlon erst einmal vorbei ist.

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