Belgien verschiebt Atomausstieg
Die Laufzeiten werden um zehn Jahre verlängert. Im Rheinland wächst die Sorge.
BERLIN (dpa) Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat die Entscheidung Belgiens bedauert, den Atomausstieg zu verschieben und die Laufzeiten zweier Meiler um zehn Jahre zu verlängern. Zugleich bekräftigte sie die generelle Abkehr von der Kernenergie in Deutschland. Die Argumente für und gegen längere Laufzeiten seien in den vergangenen Wochen gründlich abgewogen worden, sagte die Ministerin. „Das Ergebnis war eindeutig: Einem kleinen Beitrag zur Energieversorgung stünden große wirtschaftliche, rechtliche und sicherheitstechnische Risiken entgegen. Das wäre weder sinnvoll noch vertretbar.“
Die belgische Regierung hatte am Freitagabend mitgeteilt, dass Block 3 des Atomkraftwerkes Tihange nahe der deutschen Grenze und Block 4 des Kraftwerkes Doel bei Antwerpen zehn Jahre länger laufen sollen – bis mindestens Ende 2035. Mit der Verschiebung des Atomausstiegs will Belgien auch angesichts des Ukraine-Krieges und zuletzt stark gestiegener Energiepreise seine Energiesicherheit gewährleisten.
Auch in Deutschland war eine Akw-Laufzeitverlängerung zuletzt wieder diskutiert worden. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte jedoch klargestellt, dass die Vorbereitungen für die Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland bis Ende des Jahres schon zu weit fortgeschritten seien, als dass sie länger in Betrieb gehalten werden könnten.
Ministerin Lemke sieht noch andere Gründe für eine Abkehr von der Atomkraft: „Gerade in einer Krisenzeit wie dieser halte ich eine Laufzeitverlängerung aus Sicherheitsgründen für nicht vertretbar. Sie kann uns sogar verwundbarer machen.“Die große weltweite Sorge um die Akw-Sicherheit in der Ukraine führe allen gerade das potenzielle Schadensausmaß von Atomkraftwerken dramatisch vor Augen.
Nordrhein-Westfalen äußerte nach der Ankündigung Belgiens, den Atomausstieg um zehn Jahre zu verschieben, Sicherheitsbedenken und fordert die intensive Prüfung der Anlagen. Zwar handele es sich um eine souveräne Entscheidung jedes Staates, wie er seinen Strombedarf decken wolle, teilte das NRW-Wirtschafts- und Energieministerium am Wochenende mit. „Im Interesse der Bürgerinnen und Bürger der EU müssen dabei aber natürlich die Sicherheitsanforderungen und damit auch die Belange der europäischen Nachbarn berücksichtigt werden.“
„Um verlorenes Vertrauen in die Sicherheit der dann am Ende 50 Jahre alten Anlagen zurückzugewinnen, werden wir auf Transparenz bei der Entscheidung, eine umfassende grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung und strenge Maßstäbe bei der umfassenden Sicherheitsüberprüfung drängen“, erklärte das Ministerium in Düsseldorf.