NRW ist Rückzugsort der italienischen Mafia
Die Mafia ist in Nordrhein-Westfalen stark verbreitet. Besonders im Ruhrgebiet und im Rheinland ist die organisierte Kriminalität aktiv. NRW gilt als Transitland für Drogenkuriere.
DUISBURG Die weltweite Großrazzia gegen die ’Ndrangheta am Mittwoch ist beispiellos – nicht einmal nach den sogenannten Duisburger Mafiamorden vor elf Jahren mit sechs Toten hat es so einen Schlag gegen das Organisierte Verbrechen gegeben. Damals wurden die Opfer von einem Killerkommando der kalabrischen Mafia vor dem Restaurant „Da Bruno“, einem damaligen Nobel-Italiener am Duisburger Hauptbahnhof, mit 54 Schüssen ermordet. Und auch elf Jahre später ist die ’Ndrangheta weiterhin fest verwurzelt in Duisburg. Nach Informationen unserer Redaktion soll ein Mitglied der damaligen Opferfamilie im Zuge der Großrazzia am Mittwoch in Duisburg festgenommen worden sein.
Die Duisburger Morde waren in dem Ausmaß eine Ausnahme. Da sind sich die Fahnder der Organisierten Kriminalität sicher. Das Massaker bedeutete für die Mafia selbst eine Zäsur. Denn dadurch wurde der öffentliche Fokus auf die Mafia gerichtet, die gerne im Verborgenen arbeitet. „Die Mafiosis bleiben bewusst im Dunkeln, wollen nicht auffallen. Da passen die Morde natürlich nicht hinein“, so ein Ermittler.
Die Mafia ist laut LKA sehr aktiv in Nordrhein-Westfalen. Wie viele Anhänger hingegen die Mafia in NRW habe, kann das LKA nicht seriös sagen. Die Mafia bewegt sich in vielen Kriminalitätsfeldern. Im Raum Köln ist etwa die Cosa Nostra als „Baustellen-Mafia“aktiv, im östlichen Ruhrgebiet die Camorra und im westlichen Ruhrgebiet/Niederrhein die ’Ndrangheta. Die Organisationen kommen sich in der Regel nicht ins Gehege bei ihren Geschäften, auch nicht mit Rockern, Russen und Libanesen. Ausgangspunkt der Organisierten Kriminalität ist immer das Streben nach Geld und dem maximalen Profit – und das möglichst unauffällig. NRW ist für die Mafia so attraktiv, weil es ein prosperierendes Land sei mit einer guten Infrastruktur und Nähe zu den Niederlanden. NRW gilt für die Mafia als Rückzugsort, als Operationsort für ihre Geschäfte und als Transitland, um etwa Drogen aus den Niederlanden zu schmuggeln.
In Europa ist das Kokain-Geschäft fest in der Hand der italienischen ’Ndrangheta. Aus einem Lagebild des Landeskriminalamtes geht hervor, dass in mehr als der Hälfte aller Verfahren der Organisierten Kriminalität die Hauptaktivitäten der kriminellen Gruppierungen im Kriminalitätsbereich des Rauschgifthandels und -schmuggels liegen. Das weiße Pulver, das in Europa verkauft wird, stammt zu größten Teilen aus Südamerika. Nach Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) gelangen die Drogen vor allem über die Häfen Rotterdam und Antwerpen nach Europa und von dort aus dann auch auf den deutschen Markt. In NRW gilt Düsseldorf als Hochburg von Kokain-Konsumenten. Geschmuggelt wird der Stoff in großen Containerschiffen, deren Besatzung darüber in der Regel keine Kenntnis besitzt. NRW und Deutschland fungieren für die Kokainkuriere aber in erster Linie als Transitland. Die Bestimmungsorte sind vor allem Ost- und Südeuropa – insbesondere Italien.
Zu den Kriminalitätsfeldern der Mafia gehört nach wie vor auch die Schutzgeld-Erpressung. Diese ist jedoch extrem schwer nachzuweisen, nicht zuletzt wegen mangelnder Anzeigebereitschaft der Opfer. Ein Insider erklärt, dass man sich die moderne Schutzgeld-Erpressung anders vorstellen müsse, als dass jemand von der Mafia einmal im Monat in ein Restaurant kommt und Schutzgeld abholt. Das gebe es zwar sicherlich auch noch, aber heutzutage liefe das vor allem so ab: „Wer ein italienisches Restaurant aufmacht, muss dann unter Umständen zum Beispiel Stühle, Tische oder Getränke von einem bestimmten Lieferanten abnehmen, hinter dem wiederum die Mafia steckt.“Man müsse sich nur einmal die Mühe machen und sich das Inventar verschiedener italienischer Restaurants anschauen. „Dann würde einem auffallen, dass die Inneneinrichtungen sich sehr ähneln.“
In NRW arbeiten heute rund 600 Polizisten im Bereich Organisierte Kriminalität. In keinem Bundesland sind es mehr.