Jedes sechste Kind ist zu dick
Gerade arme Familien sind stärker betroffen. Kinderärzte fordern eine Zucker-Steuer.
DÜSSELDORF (kib) Jedes sechste Kind in Deutschland ist übergewichtig, knapp sechs Prozent sind sogar fettleibig. Wie aus einer Studie des Robert-Koch-Instituts (RKI) hervorgeht, entwickelt sich Übergewicht bei Kindern zugleich immer mehr zu einem schichtenspezifischen Problem. „Die soziale Ungleichheit der Gesundheitschancen hat in nur einem Jahrzehnt stark zugenommen“, erklärte Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), im Landtag. Es sei alarmierend, dass in Haushalten mit geringem Einkommen, niedrigem Bildungsniveau und schlechter beruflicher Stellung überproportional viele Kinder zwischen drei und 17 Jahren übergewichtig oder fettleibig (adipös) seien. Weil es in NRW überdurchschnittlich viele sozial schwache Haushalte gebe, lägen auch die Werte für übergewichtige Kinder hier leicht über dem Bundesschnitt.
Die Folgen sind dramatisch. Einer in der Fachzeitschrift „Lancet“veröffentlichten Studie zufolge verlieren junge Erwachsene durch Übergewicht sechs gesunde Lebensjahre, bei schwerer Adipositas sogar etwa 19 Jahre. Die daraus resultierenden Krankheiten verursachen in Deutschland Kosten von 145 Milliarden Euro.
Hauptursache ist laut BVKJ falsche Ernährung – insbesondere Fastfood und zuckerhaltige Getränke. Elf- bis 13-jährige Jungen in Deutschland trinken der RKI-Studie zufolge im Durchschnitt täglich 450 Milliliter davon. Würden sie Wasser trinken, nähmen die Kinder binnen gut fünf Wochen ein Kilogramm ab. Um das gleiche Ergebnis durch mehr Bewegung zu erzielen, müssten die Jungen hingegen 19 Wochen lang zusätzlich eine Stunde Fußball spielen. Die Kinderärzte fordern daher eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke, wie sie Großbritannien eingeführt hat. Das Ergebnis: 144.000 weniger adipöse Menschen, 19.000 weniger neue Fälle von Diabetes und 270.000 weniger kariös geschädigte Zähne. Durch Schul-Initiativen, etwa mehr Obst und Gemüse oder gesünderes Schulessen, seien in Deutschland hingegen nur positive Effekte von gut einem Prozent zu erwarten, sagte Fischbach.