Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
„Eine einmalige Chance im Leben“
Einmal zur Berliner Fashion Week bitte! Ein Ziel, das neun Studierende der Hochschule Niederrhein erreicht haben. Auch Naahal Sanatigar durfte ihre Mode auf dem großen Laufsteg zeigen. Wie sie den Tag erlebt hat und was hinter ihrer Kollektion steckt.
MÖNCHENGLADBACH Die selbstentworfene Kleidung auf dem großen Laufsteg zu sehen – das ist der Traum der meisten angehenden Modedesigner. Für neun Absolvierende der Hochschule Niederrhein ist er in Erfüllung gegangen: Sie durften auf der Modeveranstaltung „Neo.Fashion.“(2. und 3. Juli) in Berlin ihre Kreationen zeigen. Die Veranstaltung ist Teil der Berliner Fashion Week und zeigt Kollektionen ausgewählter Studierender von deutschen Hochschulen.
Dazu gehörte auch Naahal Sanatigar, die im letzten Semester ihres Bachelorstudiums Design-Ingenieur Mode in Mönchengladbach ist: „Das war eine Chance, die man nur einmal im Leben bekommt“, sagt die 24-Jährige. Sie hatte sich schon im Januar mit ihrer Kollektion aus sechs Entwürfen beworben. Eine Jury aus Dozierenden entschied dann, wer im Juli für die Hochschule nach Berlin fahren durfte. „Das war alles sehr gut organisiert“, erinnert sich Naahal. Es habe sogar konkrete Bügelzeiten gegeben, an die sich alle halten mussten.
Jede Kollektion wurde von einem Video begleitet, das die Studierenden eigens dafür produziert hatten. Naahal hatte in ihrem Video die Geschichte ihrer Entwürfe erzählt. Die sind sehr persönlich, ihre Kollektion heißt „knock knock. who’s there? It’s you! Who’s you?“. Übersetzt: „Klopf, Klopf. Wer ist da? Du bist es! Wer ist ‚du‘?“Sie hat Psychologie mit Mode verbunden. „Ich habe mich im Studium viel damit beschäftigt, wer ich bin“, sagt sie. „Auch wegen der Migrationsgeschichte meiner Eltern.“Ihre Eltern sind 1999 aus dem Iran nach Köln gekommen – und wurden auch in den Kleidungsstücken gewürdigt.
Ihre Kollektion zeigt sechs Outfits, die je eine Etappe von Nahaals Persönlichkeitsentwicklung symbolisieren. Das erste Ensemble ist aus Jeansstoff und erinnert an einen Blaumann. Es trägt den Namen „1999 – Köln Hauptbahnhof“– die erste Station ihrer Eltern in Deutschland. Naahal hat Inspiration aus der Arbeiterkleidung ihres Vaters gezogen.
Eine weitere Etappe trägt den Namen „2007 – Don’t listen to idiots“(Höre nicht auf Idioten), und setzt sich mit Angst und Scham während der Schulzeit auseinandersetzt. Eine Lehrerin hatte der damals Achtjährigen gesagt, sie würde es auf der weiterführenden Schule nie schaffen – weil sie eine Migrationsgeschichte hat. Das Oberteil wurde mit Streifen aus einem ihrer Schulbücher bedruckt. Der dazugehörige Jeans-Rock ist wieder eine Erinnerung an die harte Arbeit, die ihre Eltern für ihre Familie erbracht haben und auf die sie stolz ist. „2024 – Hier und Jetzt“, ein Kleid mit passendem Mantel, der Aufdruck an dunkles Wasser erinnert. „Eigentlich ist es Transparent-Folie, die ich angezündet und dann eingescannt habe“, erklärt sie.
Es sei aufregend gewesen, in die turbulente Modewelt reinzuschnuppern; die Studentin erhofft sich jedoch einen Wandel: „Wir produzieren einfach viel zu viel. Auch dafür ist die ,Neo.Fashion.‘ da: Studierende anzuregen, darüber nachzudenken, wie wir die Modewelt nachhaltiger machen können.“Ihre Kollektion arbeitet mit einer besonderen Drucktechnik.
Statt einer normalen Waschung, wie man sie zum Beispiel bei JeansStoffen kennt, wurde der Effekt auf ihrer Kleidung durch Aufdrucke mit wasserbasierter Tinte erzeugt. Das spart eine Menge Energie und Wasser. Alle Stoffe in der Kollektion wurden so bedruckt.
Dafür hat Naahal Sanatigar mit dem Unternehmen Kornit Digital zusammengearbeitet, das diese Drucktechnik entwickelt hat. Konventionelle Techniken brauchen viel Hitze und sind deswegen häufig nur für Polyester-Stoffe geeignet. Der nachhaltigere Druckprozess hat es Naahal ermöglicht, ausschließlich Baumwollstoffe zu verwenden. Das sei ein allgemeinerer Trend, von dem sie hofft, dass er jetzt immer mehr ins Rollen kommt. Die Reaktion auf ihre Kollektion, sei sehr emotional gewesen. Viele Menschen hätten sich darin wiedererkannt. Für sie selbst sei es ein komisches Gefühl gewesen, sich so persönlich vorzustellen: „Man offenbart sich und macht sich verletzlich. Aber es ist auch schön, sich mitzuteilen.“