Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Olaf Scholz macht sich selbst Mut
Mehr Sicherheit, mehr Zusammenhalt, mehr Wachstum – dafür will der Kanzler Geld ausgeben. Dass aus den Haushaltsgesprächen ansonsten wenig nach außen dringt, gefällt ihm.
BERLIN An einer Stelle der Regierungserklärung klatscht auch Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) dem Bundeskanzler von der SPD Beifall. Ebenso wie alle Abgeordneten der Union, der SPD, der Grünen und der FDP. Denn Olaf Scholz kritisiert mit deutlichen Worten die Abwesenheit der Abgeordneten von AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht bei der Rede des ukrainischen Staatspräsidenten Wolodymyr Selenskyj vor zwei Wochen. „Das war falsch, feige und dieses Hauses unwürdig“, ruft Scholz am Mittwoch ins Plenum. Die Mehrheit der AfD-Fraktion sowie die Abgeordneten des BSW waren der Rede des ukrainischen Staatspräsidenten demonstrativ ferngeblieben.
Doch das ist es dann auch schon mit der Einigkeit. Als der Regierungschef betont, man sei bei den Haushaltsverhandlungen der Ampelkoalition auf einem guten Weg, erntet er höhnisches Gelächter der Opposition. Scholz fährt unbeirrt fort: Es gebe sehr „kollegiale, sachorientierte und vertrauliche“Gespräche über den Etat für das kommende Jahr und einen Wachstumsturbo für die Wirtschaft. „Wir werden den Haushaltsentwurf im Juli vorlegen.“
Nun denn. Ursprünglich hatten sich Scholz, Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) einen Kabinettsbeschluss am 3. Juli vorgenommen. Nun heißt es, die Bundesregierung strebe den Kabinettsbeschluss zum Haushalt am 17. Juli an. Der ursprüngliche Termin sei nicht zu halten gewesen, weil die Einarbeitung politischer Beschlüsse in den Haushaltsplan durch die Beamten des Bundesfinanzministeriums rund zwölf Tage in Anspruch nehme. Die politische Einigung über die Konsolidierungsschritte und das Dynamisierungspaket zur Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen der Wirtschaft müssen demnach Ende kommender Woche stehen.
Bei den Verhandlungen seien aber bereits Fortschritte erzielt worden, wird verbreitet. Über die Ausgaben der Einzelressorts 2025 sei man sich weitgehend einig. Nun gehe es vor allem um das geplante Dynamisierungspaket. Bisher war von einem Haushaltsloch in Höhe von 25 Milliarden Euro die Rede, das die Koalition schließen muss.
Merz belässt es nicht bei Kritik am Haushalt, er wirft Scholz insgesamt eine fehlgeleitete Politik gegen die Interessen Deutschlands vor. „Noch nie in der Geschichte unseres Landes hat eine Regierung so gegen die klaren Interessen der eigenen Bevölkerung regiert, wie Sie das tun“, betont der CDU-Chef. Für kein einziges Projekt habe die Regierung die Unterstützung einer Mehrheit der Bevölkerung. Die Koalition werde „nur noch von der Not zusammengehalten“. Scholz sei offensichtlich „immer noch unfähig und unwillens zur Selbstkritik und zur Korrektur“seiner Politik. Er mache Krisen verantwortlich für das Erstarken von Links- und Rechtsradikalismus. Doch: „Sie sind dafür verantwortlich, dass die Probleme in unserem Lande nicht gelöst werden“, ruft Merz dem Kanzler zu.
Scholz bezeichnet den Ausgang der Europawahl, bei der seine Partei ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahren hatte, als „Einschnitt“: Das Ergebnis habe gezeigt, „dass ganz offenbar angesichts all der vielen Krisen vielen die Zuversicht abhanden gekommen ist“, sagt er. Daraus folge ein Auftrag an die Regierung: „Wir müssen dort, wo Zuversicht fehlt, sie neu begründen.“Einsparungen im Sozialbereich lehnt der SPD-Kanzler weiter ab, weil dies zulasten des gesellschaftlichen Zusammenhalts gehen würde. Ziel der Regierung müsse es vielmehr sein, dass die Wirtschaft wieder schneller wachse, so Scholz.
Intern dringt vor allem die SPD in der Koalition auf einen schnellen Haushaltsbeschluss. Für Lindner dagegen wäre auch ein noch späterer Kabinettstermin kein größeres Problem. „Entscheidend ist, dass wir den August als Parlament zur Lektüre haben sowie den Anfang des Septembers zum internen Diskurs – und dann ab Mitte September zur Haushaltsdebatte im Plenum schreiten können“, sagte FDP-Chefhaushälter Otto Fricke unserer Redaktion.
Doch es bleibt spannend. In der kommenden Woche soll nach Aufforderung von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich der Bundeskanzler ein politisches Signal in die Fraktion geben, mit welchen Schwerpunkten beim Haushalt zu rechnen ist. Fraktionsgeschäftsführerin Katja Mast betont schon mal: „Wenn das Kabinett den Haushaltsentwurf beschließt, werden wir diesen in der Fraktion diskutieren – und zwar in einer Präsenzsitzung in Berlin, auch in der sitzungsfreien Zeit.“
Auf Zeitpläne lässt sich der Kanzler im Plenum nicht ein. Er selbst hat einen eng gestrickten. Er muss am Donnerstag nach Brüssel zum Gipfel der Europäischen Union. Am Sonntag hat er den ganzen Tag für den Haushalt eingeplant. Am Ende des Tages soll er dann stehen. So viel zur Zuversicht.