Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
75 Jahre Grundgesetz – ein Meilenstein der Freiheit
Die deutsche Verfassung gibt es am 23. Mai seit genau 75 Jahren. Unsere Autorin erinnert an die wichtigen Menschenrechte.
MÖNCHENGLADBACH Haben Sie den Termin notiert? Den im Mai? DAS Jubiläum?! In diesem Jahr wird unser Grundgesetz 75 Jahre alt. Wenn das kein Grund zum Feiern ist! Menschenwürde, Pressefreiheit, Asylrecht, Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit – Vor dem Hintergrund der grade erlebten Katastrophe des Zweiten Weltkriegs hat der Parlamentarische Rat 1949 eine Grundlage für Frieden und Freiheit in unserem Land geschaffen. Seit 75 Jahren leben wir in unserem Land mit diesen Grundrechten
– eine ganze Reihe davon sind so wichtig, dass sie sogar „Ewigkeits“-Wert haben. Sie dürfen niemals geändert werden – zum Beispiel der 1. Artikel: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Daran, ob die Menschenwürde geschützt wird, muss sich alles messen lassen, was der Staat entscheidet – ob das Sterbehilfe, Bürgergeld oder die Unterbringung in Asylunterkünften betrifft. Ist das nicht großartig? Alle deutschen Landtage – bis auf Bayern – haben 1949 dieses Grundgesetz, das wir auch Verfassung nennen, verabschiedet und sich damit eine Grundlage für einen Neuanfang
gegeben. Ein Neuanfang, der ein Erfolgsmodell geworden ist. Das ist nicht immer so deutlich im täglichen Leben. Aber dass wir auf der Straße offen unsere politische Meinung äußern können, ohne weggeschleppt zu werden – das ist unsere Freiheit. Dass wir nicht Rechenschaft darüber ablegen müssen, woran wir glauben oder mit wem wir uns treffen – unsere Freiheit! Dass wir den Staat verklagen dürfen, wenn wir finden, dass er die Menschenwürde nicht im Blick hat – Freiheit! Dass niemand kontrolliert, was auf der Kanzel gepredigt wird – Freiheit! Dass wir Mitglied sein dürfen in politischen Parteien, ohne dass das Konsequenzen für uns hat – auch Freiheit. Letzteres ist sogar eine besonders große Freiheit – denn wir dürfen sogar Mitglied in einer Partei sein, die das Grundgesetz für überholt und ersetzbar hält. So weit geht das. Ob wir das allerdings wollen sollten, ob es klug ist, sich solchen Irrwegen anzuschließen, das möchte ich infrage stellen. Deshalb ist es gerade jetzt wichtig, dass wir zusammen feiern: sichtbar, öffentlich, laut, begeistert, unüberhörbar. 75 Jahre Grundgesetz! Gegen alle Rattenfänger und Märchenerzähler, gegen die Lügnerinnen und Wortverdreher, gegen die, die behaupten, man „könne ja nichts mehr sagen“und die, die das Grundgesetz für verzichtbar halten und die, die auf die Menschenwürde pfeifen – wir sind so frei: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und Menschen, von dem Willen beseelt als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben!“
Martina Wasserloos-Strunk ist Leiterin der Philippus Akademie im ev. Kirchenkreis.