Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Opferaussagen werfen Fragen auf
Ein Niederländer soll in der Hückelhovener Bergmannssiedlung einen Mann lebensgefährlich angeschossen haben – er schweigt vor Gericht weiterhin. Doch auch die Opfer geraten ins Visier – woher kommen 250.000 Euro Bargeld?
HÜCKELHOVEN/MÖNCHENGLADBACH Woher stammen 250.000 Bargeld und wo ist diese Summe heute? Wo war der Geschädigte am Tattag tatsächlich? In Heinsberg, in Den Haag, in Rotterdam oder Köln? Und wie oft ist der Geschädigte, der eigentlich Rentner ist, beruflich mit derart hohen Summen wirklich unterwegs? Diese und noch mehr Fragen sind nach wie vor nicht endgültig und schlüssig geklärt im Prozess gegen einen 36 Jahre alten Niederländer vor dem Schwurgericht in Mönchengladbach. Vorgeworfen werden ihm versuchter Mord, versuchter Raub mit Todesfolge, schwerer Raub und gefährliche Körperverletzung. Es geht um die Tat, die sich am 1. November 2020 in der Bergmannssiedlung in Hückelhoven ereignet hat, bei dem ein heute 54-Jähriger und seine heute 23-jährige Tochter durch Schüsse schwer verletzt wurden.
Für den zweiten Verhandlungstag war eine Äußerung des Angeklagten angekündigt, doch zu dieser kam es nicht. Der Mann war im Dezember nach internationaler Fahndung nördlich von Amsterdam festgenommen worden, Spuren vom Tatort hatten die Ermittler zu ihm geführt.
Im Mittelpunkt der Verhandlung im Landgericht in Mönchengladbach stand nun die Vernehmung der Zeugen – und der Fragenkatalog wurde immer größer. In den Zeugenstand gerufen wurde zunächst der 54 Jahre alte Geschädigte, der sich noch kurz vor der Verhandlung in der Türkei befunden hatte. Der Mann, der mit seiner Familie in Hückelhoven wohnt, habe sich am 1. November 2020 auf dem Rückweg von einer Geschäftsreise befunden, als er plötzlich bemerkte, das ihm ein Fahrzeug folgte. In der Klosestraße in Hückelhoven habe er gewartet, das Fahrzeug sei dann weg gewesen. Am Tatort sei ihm ein Fahrzeug mit niederländischem Kennzeichen aufgefallen, dem er keine weitere Beachtung geschenkt haben will. Im weiteren Verlauf, es war in den Abendstunden und bereits dunkel, seien drei Männer auf ihn zugerannt, wahrgenommen habe er eine Taschenlampe, mit der er geblendet worden sei, und eine Pistole.
Abgesehen hatten es die Täter auf eine Laptoptasche, in der sich 250.000 Euro befunden haben sollen. Das Geld, so antwortete der 54-Jährige auf die Frage des Vorsitzenden Richters Martin Alberring, sei angeblich „Firmengeld einer Firma, die in der Türkei ansässig ist“, so der Geschädigte. Es gehe um Edelmetalle und deren Ein- und Ausfuhr. Mit den 250.000 Euro wollte der 54-Jährige Edelmetalle erwerben.
Ob er das Geld schon länger im Besitz hatte oder es am Tattag entgegennahm, ist nicht schlüssig geklärt. Auch ist offen, wo der Geschädigte am Tattag gewesen war. Seine beiden 21 und 23 Jahre alten Töchter wollen zwar am 1. November den ganzen Tag über zu Hause gewesen sein, doch wo sich der Vater aufhielt, dazu machte keine von beiden schlüssige Angaben.
Der 54-Jährige zeigte Widersprüche in seinen Aussagen, erklärte dies damit, dass er massiv unter Adrenalin stand, im weiteren Verlauf seiner Behandlung sei er aufgrund der Gabe von Medikamenten nicht in der Lage gewesen, sich vollständig zu erinnern. Ähnlich erging es seiner 23-jährigen Tochter. Deide kämpfen noch immer mit den Folgen der schweren Schussverletzungen, woran das Gericht auch keinerlei Zweifel hegte.
Auf die Frage, wo ihr Vater am 1. November 2020 gewesen sei, antwortete sie: „Dazu mache ich keine Angaben.“Kurz darauf sagte sie, sich nicht erinnern zu können. Die jüngere Tochter (21) brachte dann noch einen Anwalt ins Spiel, mit dem sich die Familie beraten haben will, doch der trat vor Gericht gar nicht auf. Wer der Anwalt sei, wollte Alberring von der Studentin wissen. Auch sie wollte zuerst keine Angaben machen und suchte auffallend oft die direkte Konfrontation mit dem Vorsitzenden Richter Martin Alberring und Verteidiger Felix Menke. Sie nannte im weiteren Verlauf den Namen eines Hückelhovener Rechtsanwalts. Warum dieser die geschädigte Familie in der Verhandlung nicht vertritt, ist unklar.
Die Verhandlung wird am kommenden Montag, 12. September, in Mönchengladbach fortgesetzt.