Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Der alte Traum von Olympia
Der Erfolg der European Championships in München befeuert die Diskussion um eine deutsche Bewerbung für Olympische Spiele. Das zu vermitteln, bleibt aber schwierig – nicht nur wegen des schlechten Images der Veranstalter.
Dutzende Kinder drängeln sich am Hindernisparcours im Olympiapark, andere versuchen sich an der Tischtennisplatte oder am Ruder-Ergometer. Familien pilgern zur Turnhalle, ins Olympiastadion, zum Beachvolleyball – teils mit Oma und Opa. Hier erzählen ältere Semester der jungen Sitznachbarin von der Stimmung bei den Spielen 1972, dort erklärt ein Junge einem älteren Herrn die Regeln beim Bouldern. Die Begeisterung bei den European Championships in München, die am Sonntag zu Ende gegangen sind, war generationenübergreifend, ja generationenverbindend.
Die Resonanz war enorm, die Euphorie groß beim Publikum, bei Athletinnen und Athleten und den Veranstaltern. Überall wurde von der besonderen Atmosphäre, der gigantischen Stimmung, dem fairen Publikum geschwärmt. So haben die European Championships mit Europameisterschaften in neun Sportarten Hunderttausende zu einem sportlichen Großereignis gelockt – mit Randsportarten wie Radsport, Triathlon, Turnen, Tischtennis, Kanu, Rudern, Klettern oder Beachvolleyball, die sonst immer im Schatten des Fußballs stehen. Das Konzept, deren Athleten durch ein gemeinsames Event in den Mittelpunkt zu stellen, hat funktioniert.
Kein Wunder also, dass der Erfolg die Diskussion um eine deutsche OlympiaBewerbung wieder befeuert. Die Gegner schienen in Deutschland über Jahre in der Mehrheit. Die Wertschätzung für Leistungssport allgemein und für sportliche Großveranstaltungen schien auf dem Tiefpunkt, schon lange vor Corona.
„Sportliche Großereignisse entfachen immer erst dann Euphorie, wenn sie stattfinden“, sagt Michael Mronz, Initiator der Initiative Rhein-Ruhr-City, unserer Redaktion. „Bei der Fußball-WM 2006 war Monate vorher noch die Frage, ob sie überhaupt sicher stattfinden kann.“Rhein-Ruhr-City hatte ein Konzept für eine Olympia-Bewerbung aus der Region aufgestellt und die Sommerspiele 2032 ins Auge gefasst. Zur Bewerbung kam es letztlich nicht. Bevor sich der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und die deutsche Politik für eine deutsche Bewerbung aussprechen wollten, hatte sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) schon für Brisbane in Australien entschieden. Seitdem hat sich einiges verändert. Die neue Bundesregierung hat in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen, dass sie eine Olympia-Bewerbung unter Umständen unterstützen würde. Auch im Koalitionsvertrag der nordrhein-westfälischen Landesregierung werden Olympische Spiele befürwortet. Der DOSB hat einen neuen Präsidenten: Thomas Weikert macht kein Geheimnis daraus, dass er sich wieder Olympia in Deutschland wünschen würde. „Bevor wir über das Wo, Wann und Wie sprechen, müssen wir zuerst das Warum klären“, sagt Weikert aber auch zu einer Bewerbung. Zunächst sollen im Dezember die Mitglieder des DOSB dazu befragt werden.
Mronz begrüßt diese Herangehensweise. „Der internationale Sport wartet geradezu auf eine deutsche Bewerbung“, sagt er. Die müsse aber „aus einem Guss“sein. Nur wenn man sehe, dass Städte, Land, Bund, organisierter Sport und Bevölkerung dahinterstehen, könne eine Bewerbung erfolgreich sein.
Der wichtigste Punkt bleibt: Die Menschen müssen vom Projekt Olympia überzeugt sein. Ein weiteres Scheitern durch die Ablehnung der Bürger wollen weder DOSB noch die Politik riskieren. Wie also die Kritiker überzeugen? Reichen dafür die Bilder von gelungenen European Championships?
Michael Mronz
Initiator der Bewegung RheinRuhrCity
Er glaube, „wenn das überzeugend vorbereitet wird, die Bevölkerung mitgenommen wird“, dass dann die Überzeugung und Energie von München wachsen könnten, sagt Thomas Berlemann, Vorsitzender der Stiftung Deutsche Sporthilfe. „München profitiert seit 50 Jahren von diesen Spielen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Rhein-Ruhr, mit dieser Bevölkerung, der vorhandenen Infrastruktur, ein paar Anpassungen genau so viel, wenn nicht noch mehr Begeisterung auslösen kann.“Bessere Infrastruktur, Investitionen in Sport und Wirtschaft, ein gemeinsames Ziel, ein Wir-Gefühl – das alles spricht für Olympia. Dass Spiele trotz vorhandener Sportstätten Geld kosten würden, dass Förder-, also Steuergelder fließen müssten, ist ebenso klar. Mronz sagt: „Wir müssen den Menschen zeigen, welchen Wert Olympia für sie selbst haben kann.“
Das bleibt aber trotz der European Champions und aller Sachargumente schwierig. Das IOC nämlich hat nicht viel getan, sein Image zu verbessern: Die Winterspiele 2014 fanden in Russland statt, die 2022 in China. Offizielle Kritik an den politischen Verhältnissen gab es kaum. Das IOC steht immer noch für Gigantismus, Intransparenz und Unterstützung autoritärer Systeme.
Katharina Schulze, die Sprecherin des Bündnisses Nolympia, das sich 2010 in München gegründet hatte, sagte jüngst: „Die Rahmenbedingungen haben sich seit den letzten Bewerbungen nicht verändert: Das IOC ist immer noch das Gleiche, inklusive Knebelverträge, die die finanziellen Risiken auf die Austragungsorte abwälzen nach dem Motto ‚Gewinne behalten wir, Verluste tragen die anderen‘.“Die European Championships hätten hingegen auf Gigantismus verzichtet und sich gut eingefügt.
Diesen Spagat muss eine Olympia-Initiative schaffen: Ein Ereignis mit Tausenden Teilnehmern und Hunderttausenden Besuchern zu veranstalten, das begeistert, ohne teuren Gigantismus. Unmöglich ist das nicht. Die European Championships beweisen es.
„Der internationale Sport wartet geradezu auf eine deutsche Bewerbung“