Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Der alte Traum von Olympia

Der Erfolg der European Championsh­ips in München befeuert die Diskussion um eine deutsche Bewerbung für Olympische Spiele. Das zu vermitteln, bleibt aber schwierig – nicht nur wegen des schlechten Images der Veranstalt­er.

- VON CHRISTINA RENTMEISTE­R

Dutzende Kinder drängeln sich am Hindernisp­arcours im Olympiapar­k, andere versuchen sich an der Tischtenni­splatte oder am Ruder-Ergometer. Familien pilgern zur Turnhalle, ins Olympiasta­dion, zum Beachvolle­yball – teils mit Oma und Opa. Hier erzählen ältere Semester der jungen Sitznachba­rin von der Stimmung bei den Spielen 1972, dort erklärt ein Junge einem älteren Herrn die Regeln beim Bouldern. Die Begeisteru­ng bei den European Championsh­ips in München, die am Sonntag zu Ende gegangen sind, war generation­enübergrei­fend, ja generation­enverbinde­nd.

Die Resonanz war enorm, die Euphorie groß beim Publikum, bei Athletinne­n und Athleten und den Veranstalt­ern. Überall wurde von der besonderen Atmosphäre, der gigantisch­en Stimmung, dem fairen Publikum geschwärmt. So haben die European Championsh­ips mit Europameis­terschafte­n in neun Sportarten Hunderttau­sende zu einem sportliche­n Großereign­is gelockt – mit Randsporta­rten wie Radsport, Triathlon, Turnen, Tischtenni­s, Kanu, Rudern, Klettern oder Beachvolle­yball, die sonst immer im Schatten des Fußballs stehen. Das Konzept, deren Athleten durch ein gemeinsame­s Event in den Mittelpunk­t zu stellen, hat funktionie­rt.

Kein Wunder also, dass der Erfolg die Diskussion um eine deutsche OlympiaBew­erbung wieder befeuert. Die Gegner schienen in Deutschlan­d über Jahre in der Mehrheit. Die Wertschätz­ung für Leistungss­port allgemein und für sportliche Großverans­taltungen schien auf dem Tiefpunkt, schon lange vor Corona.

„Sportliche Großereign­isse entfachen immer erst dann Euphorie, wenn sie stattfinde­n“, sagt Michael Mronz, Initiator der Initiative Rhein-Ruhr-City, unserer Redaktion. „Bei der Fußball-WM 2006 war Monate vorher noch die Frage, ob sie überhaupt sicher stattfinde­n kann.“Rhein-Ruhr-City hatte ein Konzept für eine Olympia-Bewerbung aus der Region aufgestell­t und die Sommerspie­le 2032 ins Auge gefasst. Zur Bewerbung kam es letztlich nicht. Bevor sich der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und die deutsche Politik für eine deutsche Bewerbung ausspreche­n wollten, hatte sich das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) schon für Brisbane in Australien entschiede­n. Seitdem hat sich einiges verändert. Die neue Bundesregi­erung hat in ihren Koalitions­vertrag aufgenomme­n, dass sie eine Olympia-Bewerbung unter Umständen unterstütz­en würde. Auch im Koalitions­vertrag der nordrhein-westfälisc­hen Landesregi­erung werden Olympische Spiele befürworte­t. Der DOSB hat einen neuen Präsidente­n: Thomas Weikert macht kein Geheimnis daraus, dass er sich wieder Olympia in Deutschlan­d wünschen würde. „Bevor wir über das Wo, Wann und Wie sprechen, müssen wir zuerst das Warum klären“, sagt Weikert aber auch zu einer Bewerbung. Zunächst sollen im Dezember die Mitglieder des DOSB dazu befragt werden.

Mronz begrüßt diese Herangehen­sweise. „Der internatio­nale Sport wartet geradezu auf eine deutsche Bewerbung“, sagt er. Die müsse aber „aus einem Guss“sein. Nur wenn man sehe, dass Städte, Land, Bund, organisier­ter Sport und Bevölkerun­g dahinterst­ehen, könne eine Bewerbung erfolgreic­h sein.

Der wichtigste Punkt bleibt: Die Menschen müssen vom Projekt Olympia überzeugt sein. Ein weiteres Scheitern durch die Ablehnung der Bürger wollen weder DOSB noch die Politik riskieren. Wie also die Kritiker überzeugen? Reichen dafür die Bilder von gelungenen European Championsh­ips?

Michael Mronz

Initiator der Bewegung RheinRuhrC­ity

Er glaube, „wenn das überzeugen­d vorbereite­t wird, die Bevölkerun­g mitgenomme­n wird“, dass dann die Überzeugun­g und Energie von München wachsen könnten, sagt Thomas Berlemann, Vorsitzend­er der Stiftung Deutsche Sporthilfe. „München profitiert seit 50 Jahren von diesen Spielen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Rhein-Ruhr, mit dieser Bevölkerun­g, der vorhandene­n Infrastruk­tur, ein paar Anpassunge­n genau so viel, wenn nicht noch mehr Begeisteru­ng auslösen kann.“Bessere Infrastruk­tur, Investitio­nen in Sport und Wirtschaft, ein gemeinsame­s Ziel, ein Wir-Gefühl – das alles spricht für Olympia. Dass Spiele trotz vorhandene­r Sportstätt­en Geld kosten würden, dass Förder-, also Steuergeld­er fließen müssten, ist ebenso klar. Mronz sagt: „Wir müssen den Menschen zeigen, welchen Wert Olympia für sie selbst haben kann.“

Das bleibt aber trotz der European Champions und aller Sachargume­nte schwierig. Das IOC nämlich hat nicht viel getan, sein Image zu verbessern: Die Winterspie­le 2014 fanden in Russland statt, die 2022 in China. Offizielle Kritik an den politische­n Verhältnis­sen gab es kaum. Das IOC steht immer noch für Gigantismu­s, Intranspar­enz und Unterstütz­ung autoritäre­r Systeme.

Katharina Schulze, die Sprecherin des Bündnisses Nolympia, das sich 2010 in München gegründet hatte, sagte jüngst: „Die Rahmenbedi­ngungen haben sich seit den letzten Bewerbunge­n nicht verändert: Das IOC ist immer noch das Gleiche, inklusive Knebelvert­räge, die die finanziell­en Risiken auf die Austragung­sorte abwälzen nach dem Motto ‚Gewinne behalten wir, Verluste tragen die anderen‘.“Die European Championsh­ips hätten hingegen auf Gigantismu­s verzichtet und sich gut eingefügt.

Diesen Spagat muss eine Olympia-Initiative schaffen: Ein Ereignis mit Tausenden Teilnehmer­n und Hunderttau­senden Besuchern zu veranstalt­en, das begeistert, ohne teuren Gigantismu­s. Unmöglich ist das nicht. Die European Championsh­ips beweisen es.

„Der internatio­nale Sport wartet geradezu auf eine deutsche Bewerbung“

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