Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Hoffnungsmonat März
Die Zahl der Corona-Infektionen steigt weiterhin rasant. Die Kliniken im Bundesgebiet verzeichnen zwar mehr Aufnahmen, aber nicht so viele wie befürchtet. Dafür gibt es Chancen, den Höhepunkt der Krise jetzt schnell zu überwinden.
Vor einer Infektion mit der Omikron-Variante können weder eine Impfung noch die Genesung vollständig schützen. Das erklärt die noch immer rasant steigenden Fallzahlen. Die hohe Infektiosität von Omikron hat zu einer Inzidenz von 1426 wöchentlichen Ansteckungen pro 100.000 Einwohner (Stand Montag) geführt. „Der Genesenenstatus wirkt eben nur noch sehr kurz“, sagt der Leiter der Virologie am Universitätsklinikum Essen, Ulf Dittmer. Menschen, die schon mit dieser Variante infiziert wurden, können sich erneut anstecken. Für den Essener Mediziner spielt die Genesung im Kampf gegen hohe Fallzahlen deshalb kaum noch eine Rolle.
Selbst der Schutz vor einer Erkrankung ist unsicher. „Wir wissen leider nicht, ob wenigstens hier der Genesenenstatus wirkt“, meint Dittmer. Sicher sei, dass schwere Verläufe durch Impfung und Genesung meist vermieden werden. Derzeit verhindert die Impfquote von fast 90 Prozent bei den über 60-Jährigen, dass die hochansteckende Omikron-Variante das Gesundheitssystem überlastet. Noch liegt die Zahl der CovidPatienten auf Intensivstationen mit 2350 deutlich unter dem Höhepunkt vom Januar des Vorjahres (5761). Dittmer schränkt aber ein, dass es auf den Normalstationen schon ein reges Aufkommen gebe: „Viele Patienten müssen bis zu drei Tage bei uns bleiben.“Ähnliche Maßnahmen gab es auch in den USA und Großbritannien, wo die Omikron-Variante schon länger unterwegs ist.
Gibt man die neuesten Daten zu Infektionen, Erkrankungen und Intensivbehandlungen in den Covid-Simulator der Universität des Saarlandes ein, wird die Spitze der Fallzahlen Anfang März erreicht – die Inzidenz könnte dann zwischen 1700 und 3000 liegen. Bis Ende Februar ist nach dieser Simulation mit bis zu 300.000 Fällen täglich zu rechnen. Auf den Intensivstationen müssten Mitte März 4200 Patienten behandelt werden, die Zahl auf den Normalstationen würde sich auf knapp 16.000 etwa verdoppeln. Es handelt sich um eine Simulation auf Basis der jetzt gegebenen Bedingungen. Die Umstände können sich durch Lockerungen oder Verschärfungen sowie eine Änderung im Kontaktverhalten der Bevölkerung jederzeit ändern.
Als wichtige Ursache für die schnelle Verbreitung sieht Dittmer die Wege von Kitas und Schulen zu Eltern und Bekannten. Ein Ende des Präsenzunterrichts lehnt der Virologe ab, solange die Zahlen noch kontrollierbar sind. „Das geht vor allem zulasten der weniger privilegierten Schulkinder. Die wären dann verloren“, sagt der Mediziner.
Von sofortigen Lockerungen hält Dittmer deshalb nicht allzu viel. Auch das Beispiel Dänemark, das alle Beschränkungen aufgehoben hat, taugt hier wenig. „Die Dänen liegen in der Omikron-Welle vier Wochen vor uns. Sie haben den Peak überschritten“, sagt der Medizin-Professor. Die bisherigen Kontaktbeschränkungen hätten die Ausbreitung der Omikron-Variante „besser gebremst, als das in anderen Ländern der Fall war“. Dittmer berichtet aber auch von Schwierigkeiten, dass die vielen Krankheitsfälle das ärztliche und pflegerische Personal stark ausdünnten.
Trotzdem sollten die politisch Verantwortlichen schon für die Zeit planen, wenn die Fallzahlen wieder sinken. „Wir brauchen ein Lockerungskonzept nach Überschreiten des Peaks“, fordert Dittmer. Das
dürfte Mitte bis Ende Februar der Fall sein. Außerdem müsse die Lage in den Kliniken kontrollierbar sein. „Wir können im März die Bestimmungen sicherlich zurückfahren“, vermutet der Essener Virologe. Allerdings blieben einige Regeln weiterhin nötig: „Wir können nicht sofort alles wegfallen lassen.“
Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach stellt Lockerungen der Corona-Maßnahmen in naher Zukunft in Aussicht. Er sagte am Sonntagabend bei Bild TV: „Ich glaube, dass wir deutlich vor Ostern lockern werden.“Wenn nach dem für Mitte Februar erwarteten Höhepunkt der Omikron-Welle die Fallzahlen tatsächlich runtergehen sollten und es gelungen sei, einen großen Teil der Bevölkerung vor schwerer Krankheit und Tod zu schützen, dann sei für ihn ganz klar, „dass man dann in die Lockerungen übergeht“. Aber man dürfe „das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er erschossen ist“. Lauterbach kann sich vorstellen, dass Bund und Länder bei ihren Beratungen am 16. Februar über Lockerungen diskutieren. „Ob das tatsächlich zu Lockerungen kommt, hängt davon ab, wie wir dann stehen“, sagte der Minister.