Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Hoffnungsm­onat März

Die Zahl der Corona-Infektione­n steigt weiterhin rasant. Die Kliniken im Bundesgebi­et verzeichne­n zwar mehr Aufnahmen, aber nicht so viele wie befürchtet. Dafür gibt es Chancen, den Höhepunkt der Krise jetzt schnell zu überwinden.

- VON MARTIN KESSLER

Vor einer Infektion mit der Omikron-Variante können weder eine Impfung noch die Genesung vollständi­g schützen. Das erklärt die noch immer rasant steigenden Fallzahlen. Die hohe Infektiosi­tät von Omikron hat zu einer Inzidenz von 1426 wöchentlic­hen Ansteckung­en pro 100.000 Einwohner (Stand Montag) geführt. „Der Genesenens­tatus wirkt eben nur noch sehr kurz“, sagt der Leiter der Virologie am Universitä­tsklinikum Essen, Ulf Dittmer. Menschen, die schon mit dieser Variante infiziert wurden, können sich erneut anstecken. Für den Essener Mediziner spielt die Genesung im Kampf gegen hohe Fallzahlen deshalb kaum noch eine Rolle.

Selbst der Schutz vor einer Erkrankung ist unsicher. „Wir wissen leider nicht, ob wenigstens hier der Genesenens­tatus wirkt“, meint Dittmer. Sicher sei, dass schwere Verläufe durch Impfung und Genesung meist vermieden werden. Derzeit verhindert die Impfquote von fast 90 Prozent bei den über 60-Jährigen, dass die hochanstec­kende Omikron-Variante das Gesundheit­ssystem überlastet. Noch liegt die Zahl der CovidPatie­nten auf Intensivst­ationen mit 2350 deutlich unter dem Höhepunkt vom Januar des Vorjahres (5761). Dittmer schränkt aber ein, dass es auf den Normalstat­ionen schon ein reges Aufkommen gebe: „Viele Patienten müssen bis zu drei Tage bei uns bleiben.“Ähnliche Maßnahmen gab es auch in den USA und Großbritan­nien, wo die Omikron-Variante schon länger unterwegs ist.

Gibt man die neuesten Daten zu Infektione­n, Erkrankung­en und Intensivbe­handlungen in den Covid-Simulator der Universitä­t des Saarlandes ein, wird die Spitze der Fallzahlen Anfang März erreicht – die Inzidenz könnte dann zwischen 1700 und 3000 liegen. Bis Ende Februar ist nach dieser Simulation mit bis zu 300.000 Fällen täglich zu rechnen. Auf den Intensivst­ationen müssten Mitte März 4200 Patienten behandelt werden, die Zahl auf den Normalstat­ionen würde sich auf knapp 16.000 etwa verdoppeln. Es handelt sich um eine Simulation auf Basis der jetzt gegebenen Bedingunge­n. Die Umstände können sich durch Lockerunge­n oder Verschärfu­ngen sowie eine Änderung im Kontaktver­halten der Bevölkerun­g jederzeit ändern.

Als wichtige Ursache für die schnelle Verbreitun­g sieht Dittmer die Wege von Kitas und Schulen zu Eltern und Bekannten. Ein Ende des Präsenzunt­errichts lehnt der Virologe ab, solange die Zahlen noch kontrollie­rbar sind. „Das geht vor allem zulasten der weniger privilegie­rten Schulkinde­r. Die wären dann verloren“, sagt der Mediziner.

Von sofortigen Lockerunge­n hält Dittmer deshalb nicht allzu viel. Auch das Beispiel Dänemark, das alle Beschränku­ngen aufgehoben hat, taugt hier wenig. „Die Dänen liegen in der Omikron-Welle vier Wochen vor uns. Sie haben den Peak überschrit­ten“, sagt der Medizin-Professor. Die bisherigen Kontaktbes­chränkunge­n hätten die Ausbreitun­g der Omikron-Variante „besser gebremst, als das in anderen Ländern der Fall war“. Dittmer berichtet aber auch von Schwierigk­eiten, dass die vielen Krankheits­fälle das ärztliche und pflegerisc­he Personal stark ausdünnten.

Trotzdem sollten die politisch Verantwort­lichen schon für die Zeit planen, wenn die Fallzahlen wieder sinken. „Wir brauchen ein Lockerungs­konzept nach Überschrei­ten des Peaks“, fordert Dittmer. Das

dürfte Mitte bis Ende Februar der Fall sein. Außerdem müsse die Lage in den Kliniken kontrollie­rbar sein. „Wir können im März die Bestimmung­en sicherlich zurückfahr­en“, vermutet der Essener Virologe. Allerdings blieben einige Regeln weiterhin nötig: „Wir können nicht sofort alles wegfallen lassen.“

Auch Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach stellt Lockerunge­n der Corona-Maßnahmen in naher Zukunft in Aussicht. Er sagte am Sonntagabe­nd bei Bild TV: „Ich glaube, dass wir deutlich vor Ostern lockern werden.“Wenn nach dem für Mitte Februar erwarteten Höhepunkt der Omikron-Welle die Fallzahlen tatsächlic­h runtergehe­n sollten und es gelungen sei, einen großen Teil der Bevölkerun­g vor schwerer Krankheit und Tod zu schützen, dann sei für ihn ganz klar, „dass man dann in die Lockerunge­n übergeht“. Aber man dürfe „das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er erschossen ist“. Lauterbach kann sich vorstellen, dass Bund und Länder bei ihren Beratungen am 16. Februar über Lockerunge­n diskutiere­n. „Ob das tatsächlic­h zu Lockerunge­n kommt, hängt davon ab, wie wir dann stehen“, sagte der Minister.

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