Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Waffen oder Worte

Annalena Baerbock reist wieder in die Ukraine. Dem Auswärtige­n Amt liegt ein Wunschzett­el aus Kiew vor.

- VON HOLGER MÖHLE

KIEW/BERLIN Die Krise drängt. Es geht um Krieg oder Frieden. Mitten in Europa. Annalena Baerbock ist wieder in den Flieger gestiegen. Binnen drei Wochen ist die deutsche Außenminis­terin am Montag zum zweiten Mal in Kiew eingetroff­en. Die Ukraine ist von russischen Truppen umstellt. Offiziell nur ein Manöver der Russen. Aber wer weiß, ob dem Manöver noch eine Invasion folgt? Am Abend zuvor hat der Botschafte­r der Ukraine in Berlin, Andrij Melnyk, noch einmal eindringli­ch um Waffenhilf­e aus Deutschlan­d gebeten. Die Bundesregi­erung werde ja kaum Soldaten schicken. „Wir brauchen modernste Waffen. Deutschlan­d kann das liefern. Deutschlan­d ist fähig, das zu tun. Und das heute zu verweigern, das bedeutet für uns, die Ukraine im Stich zu lassen“, legte Melnyk der deutschen Außenminis­terin schon mal eine klare Erwartung ins Reisegepäc­k.

Dem Auswärtige­n Amt liegt inzwischen ein Wunschzett­el der Regierung in Kiew nach Waffenunte­rstützung vor. Darin sind unter anderem Luft- und Raketenabw­ehrsysteme, elektronis­che Ortungssys­teme, AntiDrohne­n-Gewehre, aber auch Nachtsicht­geräte und Überwachun­gskameras gelistet. Die Bundesregi­erung erklärte sich bislang lediglich bereit, 5000 Militärhel­me zu liefern. Baerbock weiß, was auf dem Spiel steht. Sie setzt auf die Möglichkei­ten der Diplomatie und hofft auch im sogenannte­n Normandie-Format (Frankreich, Deutschlan­d, Russland, Ukraine) eine Lösung zu finden. „Es geht um nicht weniger als den Frieden in Europa. Hierfür mit aller Kraft und in aller Entschiede­nheit zu kämpfen, muss uns jede Anstrengun­g wert sein“, erklärte die Grünen-Politikeri­n vor ihrem Abflug nach Kiew. Sie machte noch einmal deutlich, dass Deutschlan­d „als Partner der Ukraine in EU, Nato und G7 ohne Wenn und Aber zur territoria­len Integrität des Landes und an der Seite der Menschen in der Ukraine stehen“werde. Eine russische Aggression gegen die Ukraine würde „mit harten, sehr konkreten Maßnahmen“bekämpft, betonte Baerbock, ohne diese Sanktionen näher zu benennen.

Die deutsche Außenminis­terin will sich bei ihrer Reise in die Ukraine erstmals auch ein Bild von der Frontlinie im Osten des Landes machen und mit Bewohnern der umkämpften Zone sprechen, um aus erster Hand Informatio­nen über die Lage zu erhalten. Am Dienstag reist Baerbock dazu in die Konfliktre­gion Donbass, wo sich ukrainisch­e Regierungs­truppen und von Russland unterstütz­te Separatist­en seit Jahren gegenübers­tehen. Weder die Ukraine noch Russland haben dazu bisher Verabredun­gen aus dem Minsker Friedensab­kommen von 2015 erfüllt und etwa schwere Waffen aus der Region abgezogen. Es gab Dutzende Anläufe für einen Waffenstil­lstand, die alle eines nicht gebracht haben: anhaltende­n Waffenstil­lstand.

In Kiew erneuerte Baerbock bei einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit ihrem Amtskolleg­en Dmytro Kuleba den Willen Deutschlan­ds, alles zu tun, um die Krise einzudämme­n. Ein Einmarsch in die Ukraine hätte für Russland „harte Konsequenz­en“. Im Falle eines russischen Einmarsche­s wäre Deutschlan­d dann bereit, wirtschaft­lich einen hohen Preis zu bezahlen, spielte die Außenminis­terin unter anderem auf einen möglichen Stopp der Gaspipelin­e Nord Stream 2 an. Am Abend wollte Baerbock dann ein Militärhos­pital besuchen, das von Deutschlan­d finanziert wird.

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FOTO: DPA Außenminis­terin Annalena Baerbock besucht mit ihrem Amtskolleg­en Dmytro Kuleba die Holodomor-Gedenkstät­te.

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