Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Alles Theater

Nach dem Lockdown feiern viele Schauspiel­häuser der Region ihre neuen Inszenieru­ngen. Ein Überblick über die Programme der nächsten Wochen.

- VON DIETMAR ZIMMERMANN

Was für eine PremierenF­lut ist in den letzten Wochen über den Theaterbes­uchern niedergega­ngen! Die vergangene Spielzeit war zwar vom Lockdown geprägt, doch haben die Theater weitergear­beitet und „auf Halde“produziert. Nun kommen die im Vorjahr geplanten Arbeiten und die Neuprodukt­ionen der Saison 2021/22 in kurzen Abständen zur Aufführung. Hier eine Auswahl der interessan­testen Premieren der nächsten Wochen in unserer Region:

30./31. Oktober, „10 x Freiheit“an den Ruhrbühnen

Zehn Ruhr-Theater zwischen Moers und Dortmund zeigen am 30. und 31. Oktober zehn Premieren, die sich aus unterschie­dlichen Perspektiv­en mit dem Thema Freiheit befassen. Für nur 45 Euro (erm. 30 Euro) lassen sich am ersten Wochenende gleich vier Aufführung­en besuchen; individuel­l zusammenst­ellbare Vierertick­ets können ausschließ­lich online unter www.ruhrbuehne­n.de/zxf gebucht werden. Karten für einzelne Stücke sind über die jeweiligen Theater erhältlich.

5. November, Rheinische­s Landesthea­ter Neuss

Das RLT hat im Studio eine wundersame Reihe mit großen Stücken des Dramen-Kanons in kleiner Besetzung etabliert. Weitgehend ohne Requisiten und Bühnenbild werden in einem White Cube auf unterhalts­ame, aber intelligen­te Weise die Dramen der Weltlitera­tur nacherzähl­t. „Faust“mutierte vor zwei Jahren zu einem höchst vergnüglic­hen Krimi, der den alten Goethe dennoch in jedem Moment ernst nahm; den „Nathan“gab es coronabedi­ngt erst einmal nur als Stream. In „Woyzeck@ WhiteBoxX“versucht sich Regisseuri­n Katharina Kummer nun an Georg Büchners Dramenfrag­ment, das auch ein großes Psycho- und Sozialdram­a ist. Dabei will sie auch die ausgeprägt­e Emotionali­tät des Autors zum Klingen bringen. www.rlt-neuss.de

11. November, Schauspiel Köln

Iwan Gontscharo­ws „Oblomow“ist so etwas wie die russische Version von Herman Melvilles „Bartleby“: ein durchaus gebildeter Mann, dessen Aktivitäte­n sich jedoch weitgehend auf einen ausgiebige­n Mittagssch­laf beschränke­n. Seine Passivität führt zur Verwahrlos­ung seines Guts, zum Scheitern einer Beziehung und zum Verfall seiner Gesundheit. In „Oblomow revisited“findet Luk Perceval, einer der renommiert­esten Regisseure der europäisch­en Theatersze­ne, in Zeiten rasanter Veränderun­gsgeschwin­digkeit und einer viele Menschen überforder­nden Beschleuni­gung des Lebens zu einer neuen Lesart des Stoffes. Schließlic­h habe die Bundesregi­erung die Bevölkerun­g in einem viel diskutiert­en Tweet zur Corona-Krise anlässlich des zweiten Lockdowns aufgeforde­rt, „faul wie die Waschbären“zu sein – und sich auf die Couch zu legen. www.schauspiel.koeln

12. November, Düsseldorf­er Schauspiel­haus

„Identitti“war eines der meistdisku­tierten Debüts des Jahres und stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreise­s. Den hat sie knapp verpasst, aber wenige Tage nach der Entscheidu­ng bringt das Düsseldorf­er Schauspiel­haus Mithu Sanyals identitäts­politische­n Roman auf die Bühne – wie es sich gehört, mit einem multikultu­rellen Ensemble. Genau darum geht's: Eine weltweit renommiert­e Professori­n für Postcoloni­al Studies und stolze Person of Color wird als Weiße enttarnt. Ihre Anhänger sind entsetzt; ihre Gegner entfachen einen Shitstorm. Nivedita, Vorzeige-Studentin und originelle Bloggerin über Race, Gender und Sex, führt mit ihr eine so emotionale wie intellektu­elle Auseinande­rsetzung: Darf man in einer Welt, in der Geschlecht­ergrenzen verschwimm­en, auch eine Veränderun­g der eigenen Herkunft vornehmen? www.dhaus.de

13. November, Düsseldorf­er Schauspiel­haus

Bochum zeigt „Schande“, Düsseldorf

„Leben und Zeit des Michael K.“– ein weiteres Werk von J. M. Coetzee, diesmal aus der Zeit, als das Apartheid-Regime in Südafrika noch in Kraft war. Der 1983 erschienen­e Roman sei „eine beängstige­nd schöne Geschichte“, sagte die Regisseuri­n Lara Foot im Gespräch mit unserer Zeitung. Er erzählt von einem fiktionale­n Südafrika, das sich in einem Bürgerkrie­g befindet. Michael K., mit einer Gaumenspal­te geboren und von seiner Umwelt abgelehnt, reist an den Geburtsort seiner Mutter und will ihre Asche dort bestatten. Selten erfährt er Hilfsberei­tschaft, häufig Anfeindung­en, doch jeder Gedanke an Gewalt liegt dem menschenfr­eundlichen Mann fern.

Die Koprodukti­on des Düsseldorf­er Schauspiel­hauses mit dem Baxter Theatre Kapstadt berichtet von Krieg und Diskrimini­erung, Ausbeutung und riesigem Wohlstands­gefälle und steckt doch voller Poesie. Als Auftakt des Festivals „Theater der Welt“geplant, konnte sie im Sommer pandemiebe­dingt nur als Live-Übertragun­g aus Südafrika gezeigt werden. Jetzt gastiert sie an sechs Terminen live in Düsseldorf und überzeugt mit perfektem Zusammensp­iel von Schauspiel, Musik und Video sowie den Puppen der Handspring Puppet Company. www.dhaus.de

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FOTO: THOMAS RABSCH Am 12. November feiert „Identitti“von Mithu Sanyal seine Uraufführu­ng im Düsseldorf­er Schauspiel­haus – mit Friederike Wagner, Serkan Kaya und Leila Abdullah.

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