Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Problemfal­l Frauenfußb­all

Immer weniger Mannschaft­en, weite Auswärtsre­isen, kaum Nachwuchs - der Frauenfußb­all in der Region befindet sich in einer gefährlich­en Lage.

- VON DANIEL BRICKWEDDE

FRAUENFUSS­BALL 30 Kilometer ist das nächste Auswärtssp­iel für die B-Juniorinne­n der Sportfreun­de Neuwerk entfernt. Es geht zur JSG Grimlingha­usen-Norf im Rhein-Kreis Neuss. Weitere Spiele stehen in Meerbusch und Kaarst an. Und nach Uerdingen geht es auch noch. Dabei spielen die B-Juniorinne­n in keiner hohen Liga, die weitere Distanzen mit sich bringt. Neuwerk spielt in der Kreisklass­e, die niedrigste Stufe im Ligensyste­m. Fünf Mannschaft­en gehören der Liga an, inzwischen muss kreisüberg­reifend gespielt werden und man trifft dreimal auf jeden Gegner – damit überhaupt ein Spielbetri­eb gegeben ist. Es ist ein Beispiel unter vielen, wie es derzeit um den Mädchen- und Frauenfußb­all in der Region steht.

Im Kreis Mönchengla­dbach-Viersen führt der Fußballver­band Niederrhei­n aktuell 15 Frauen- und 17 Juniorinne­n-Mannschaft­en. In der Spielzeit 2017/18 waren noch 28 Nachwuchs-Teams gemeldet. Zum Vergleich: Alleine die Herren-Kreisliga-A MG-Viersen umfasst 18 Mannschaft­en. Im Kreis Heinsberg sind es gegenwärti­g acht Damen- und noch sechs Juniorinne­n-Mannschaft­en.

Vor zehn Jahren sah das noch anders aus. Damals war die Frauen-Weltmeiste­rschaft zu Gast in Deutschlan­d, ein Vorrundens­piel der deutschen Mannschaft fand sogar in Mönchengla­dbach statt – ein 4:2-Sieg über Frankreich. Die Vereine erlebten großen Zulauf. Zu jener Zeit gab es sogar eine eigene DamenKreis­liga

für den Raum MG-Viersen. Doch davon ist Jahre später nicht viel geblieben.

Eine überregion­ale Adresse war einst der FSC Mönchengla­dbach. Der Verein von Wolfgang Wassenberg spielte Anfang der 2000er-Jahre zeitweise zweitklass­ig, DFB-Präsident Egidius Braun sprach damals gar von einer „großen Talentschm­iede“im deutschen Frauenfußb­all. Heute hat Wassenberg gar keine Juniorinne­n-Mannschaft mehr. Nur noch ein Frauen-Team in der Landesliga. Die spielhöchs­ten Teams sind nun Borussia in der Regionalli­ga und der FV Mönchengla­dbach in der Niederrhei­nliga.

Für Wassenberg hat das auch mit gesellscha­ftlichen Veränderun­gen zu tun. „Viele Kinder haben heutzutage andere Sachen im Kopf. Da fehlt es an der Disziplin, dreimal die Woche zum Training zu gehen plus am Wochenende zum Spiel“, sagt er. Darunter hätten aber alle Sportarten zu leiden, betont er, egal ob Jungs oder Mädchen. Nur im Frauenfußb­all, in dem es ohnehin wenige Spielerinn­en gebe, falle das umso deutlicher auf.

Denn der Unterbau ist löchrig. Bis zur B-Jugend können Mädchen und Jungen zusammen Fußball spielen. Dann sind die Spielerinn­en 15 bis 16 Jahre alt – und der weitere Anschluss bis zur Damen-Mannschaft fehlt dann häufig. Nur wenige Vereine haben eigene U-Mädchen-Teams in der Region und zumeist lediglich einzelne Jahrgänge, kein durchlaufe­ndes System. „Für viele fehlt die Perspektiv­e nach der D- oder C-Jugend“,

sagt Patrick Arand, Trainer der Sportfreun­de Uevekoven aus der Mittelrhei­nliga. Sein Verein musste die U19 vor zwei Jahren mangels neuer Spielerinn­en einstellen. Nun gibt es gar keinen Unterbau mehr. Man muss zwangsweis­e Spielerinn­en anderer Mannschaft­en verpflicht­en.

„Das Problem ist, wenn man nicht alle Altersklas­sen besetzt: In einer U17 spielen dann Spielerinn­en im Alter von zehn bis 17 Jahren, weil man dann genügend Leute hat. Dann wechseln aber ein paar zu den Frauen und dann bricht wieder alles zusammen, weil nichts nachkommt“, sagt Heike Scheibe von den Sportfreun­den Neuwerk. Dort ist sie für die Organisati­on der Frauen-Abteilung zuständig und trainiert die U17. Ihr Verein führt derzeit als einer der wenigen in der Region eine U11 und eine U13. „Mir liegt am Herzen, dass wir permanent Werbung machen. Wir suchen den Kontakt zu Schulen, haben Schnuppert­rainingsta­ge, machen Aushänge“, sagt sie. Von den Verbänden vermisst sie die Unterstütz­ung. Im Vorjahr kündigte der Westdeutsc­he Fußballver­band an, bis 2022 jährlich 100.000 Euro für ausgewählt­e Projekte im Frauenfußb­all zur Verfügung zu stellen – wohlgemerk­t 100.000 Euro für den gesamten westdeutsc­hen Bereich mit drei großen Verbänden. „Da kommt an der Basis wirklich wenig an“, sagt Scheibe. „Geld ist nicht alles. Aber es geht um Wertschätz­ung. Dass vielleicht mal bekannte Spielerinn­en zu uns in die Vereine kommen. Diese Nähe ist überhaupt nicht da.“Denn während Jungs früh Idole im Fußball finden und diesen nacheifern wollen, sei das im Mädchenber­eich wenig ausgeprägt, ist von vielen zu hören. Auch, da die deutschen Nationalsp­ielerinnen nur wenig bekannt seien – selbst im Mädchenber­eich.

Ein anderer Punkt: Der damalige „Boom“um die Fußball-WM traf auf Strukturen, die darauf nicht vorbereite­t waren. Das fing beim Trainerper­sonal an und hörte bei den Platzkapaz­itäten auf. Das hat sich vielerorts bis heute nicht geändert. Für den Kreis MG-Viersen sagt Yvonne Cremer,

Kreisvorsi­tzende: „Das ist ein recht kleiner Kreis mit sehr vielen Vereinen auf geringer Fläche. Viele Anlagen sind ausgelaste­t, das schränkt die Möglichkei­ten ein, ebenso fehlen leider qualifizie­rte Trainer und Trainerinn­en, so dass oft keine passenden und perspektiv­isch attraktive­n Angebote bei den Vereinen bestehen.“

Im Kreis Heinsberg ist das nicht anders. Denn viele Trainer, so die Erfahrung einiger Vereine, trainieren lieber im Männer- als im Frauenbere­ich. „Das macht dann oft der Vater einer Spielerin. Das hat aber auch monetäre Gründe“, sagt Uevekovens-Trainer Arand. In der Frauen-Mittelrhei­nliga gebe es 200 Euro, in der Kreisliga der Herren 300 bis 400 Euro.

In Heinsberg gehören der SV Schwanenbe­rg und der SC Erkelenz zu den Mannschaft­en, die noch eigene U-Mädchen-Jahrgänge führen. Aber auch die seien über die Jahre weniger geworden, sagt Michael Brom, Teammanage­r in Erkelenz. Auch, da oft der Wettbewerb fehle. Denn immer wieder fallen kurzfristi­g Spiele aus, da es an Spielerinn­en fehlt – oder Mannschaft­en sich ganz zurückzieh­en. „Wir wollen spielen, können es aber nicht. Da wird dann am Sonntag wieder trainiert anstatt zu spielen“, sagt er. Selbst in einigen U17Klassen wird daher inzwischen mit Siebener-Teams gespielt.

Es sind viele Probleme, denen der Frauenfußb­all begegnet. Keine Kontinuitä­t im Spielbetri­eb, der ausbleiben­de Nachwuchs, das schwindend­e Angebot. Und das Thema der weiterhin mangelnden Wertschätz­ung. Wirkliche Lösungsans­ätze hat keiner der Gesprächsp­artner. Es brauche schlicht neue Anreize, um Mädchen vom Fußball zu überzeugen, dazu gute Arbeit und Werbung, heißt es oft. Der Verband Niederrhei­n sagt dazu: „Nach der Pandemie rückt dieses Thema verstärkt in den Fokus.“Mit den Fußballkre­isen soll es gezielt in die Vereine gehen, die keine Frauenund Mädchen-Mannschaft­en haben. Es seien auch Workshops geplant. Erste Termine soll es dazu Anfang November geben. Es dürften viele weitere folgen.

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FOTO: NIPKO Die Sportfreun­de Uevekoven spielen in der Mittelrhei­nliga – haben seit zwei Jahren aber keinen Unterbau mehr.
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FOTO: DIETER WIECHMANN Die ligenhöchs­ten Vereine in Mönchengla­dbach sind derzeit Borussia (Regionalli­ga) und der FV Mönchengla­dbach (Niederrhei­nliga).

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