Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Auf dem Weg zur Fahrrad-Stadt Schwachstellen beseitigen
Jüchen will fahrradfreundliche Kommune werden und hat dafür einen Antrag gestellt. Beim ADFC-Test erhielt die Stadt aber nur die magere Note 3,9.
JÜCHEN Fahrradfahren hat in der Corona-Krise deutlich an Bedeutung gewonnen, und vielleicht sind Jüchener bald zu Hause sogar in einer fahrradfreundlichen Kommune unterwegs. Jüchen will nämlich wie schon Neuss, Grevenbroich, Dormagen und Meerbusch sowie der Rhein-Kreis Neuss Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft fußgängerund fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise (AGFS) in NRW werden. Im Oktober hatte die Stadt den Antrag gestellt.
Für die Aufnahme steht erst einmal ein Procedere mit mehreren Schritten an. „Demnächst wird eine sogenannte Vorbereisung der AGFS gemeinsam mit der Stadt in Jüchen stattfinden, damit sich die Arbeitsgemeinschaft ein Bild von der Fahrradfreundlichkeit Jüchens machen kann“, heißt es auf Anfrage zum aktuellen Stand im Rathaus.
Einen Termin gebe es noch nicht.
Punkten will Jüchen bei der Bewerbung mit „einem nennenswerten Netz an Radwegen und Wirtschaftswegen, die als Radwege bestens genutzt werden können“. Zudem seien drei Radwege geplant. In der Mitgliedschaft sieht die Stadt viele Vorteile vom Zugang zu Fördermitteln des Landes und Marketingmöglichkeiten bis zur Teilnahme an Fachtagungen, zudem will die Stadtverwaltung
„Netzwerke zu den anderen fahrradfreundlichen Kommunen knüpfen“. Außerdem werde „das Interesse an einer steten Verbesserung der Fahrradfreundlichkeit Jüchens unterstützt“.
Verbesserungen dürften auch nötig sein, denn beim aktuellen bundesweiten Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) erhielt die Stadt Jüchen die eher mäßige Note 3,9. 2014 hatte es noch eine 3,5 gegeben. Alle zwei Jahre befragt der Club Menschen zur Fahrradsituation in ihrer Heimat.
Als größte Schwächen in Jüchen wurden beim aktuellen Test das Angebot öffentlicher Räder zum Ausleihen (Note 5,1), der Winterdienst auf Radwegen (4,7) und die „Fahrradförderung in jüngster Zeit“(4,6) genannt. Aber auch die Reinigung der Radwege (4,6), die Falschparkerkontrolle dort (4,5) oder die Möglichkeit der Fahrradmitnahme im öffentlichen Verkehr (4,3) schneiden nicht viel besser ab. Als Stärken werden die Erreichbarkeit des Stadtzentrums, die Öffnung von Einbahnstraßen für Radler auch in Gegenrichtung und „Radfahren für Alt und Jung“(jeweils 2,8 bis 2,9) genannt.
Heribert Adamsky, Vorsitzender des ADFC Rhein-Kreis Neuss, kennt viele der Kritikpunkte auch aus anderen Städten. „Doch in Jüchen fällt auf, dass Teilnehmer über die Fahrradförderung in jüngster Zeit enttäuscht sind.“Der Klimatest zeige, dass hierbei „Handlungsbedarf besteht“. Der ADFC begrüße die Bewerbung als fahrradfreundliche Stadt. „Im Rahmen der Strukturwandel-Projekte ergeben sich große Chancen, die Fahrradinfrastruktur zu verbessern.“
Die Stadt betont, dass „an der Befragung nur 82 Menschen aus Jüchen teilgenommen“haben. Dies ergebe „statistisch gesehen kein seriöses Meinungsbild im Sinne einer repräsentativen Studie. „Bezogen auf die Einwohnerzahl liegt die Zahl der Teilnehmer über dem Kreisdurchschnitt, die Bewertung dagegen ist unterdurchschnittlich“, so Adamsky.
Die Verwaltung erklärt, dass sie bemüht sei, „die kritisierten Schwachstellen zu beseitigen, sofern sie in den Verantwortungsbereich der Stadt fallen“.
An geplanten Projekten werden im Rathaus etwa neue Radwege als Lückenschluss zwischen dem Dycker Hahnerhof und Rath, Am Scheulenbendgraben sowie auf dem geplanten Verbindungsweg von der Neuenhovener Straße zur L 116 nördlich von Gierath, der „verlängerten“Kreuzstraße, genannt. Zudem werde regelmäßig die Notwendigkeit von Sperrgittern und Bügeln geprüft. „Wo es vertretbar ist, wurden und werden solche Bügel entfernt“, um das Durchkommen mit den schwereren Elektrorädern zu erleichtern.
Für die weitere Zukunft ist beim Ausbau beider Bahnhöfe im Stadtgebiet für die künftige S-Bahnlinie 6 die Einrichtung von Mobilitätsstationen geplant, von der auch Radler profitieren sollen. Das geplante große Neubaugebiet Jüchen-West soll über einen Fuß- und Radweg direkt an den Bahnhof angebunden werden.