Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Thyssenkrupp bereitet Elevator-Verkauf vor
Bislang favorisierte das Management des Essener Industriekonzerns einen Börsengang. Doch jetzt bahnt sich ein Verkauf der Ertragsperle an. Am späten Abend teilte die Deutsche Börse mit, dass Thyssenkrupp in den MDax absteigt.
ESSEN (maxi) Der Industriekonzern Thyssenkrupp hat bestätigt, dass er mit potenziellen Käufern der Aufzugsparte Elevator in Kontakt getreten ist. „Wir haben einen strukturierten Prozess für die Bewertung von Angeboten von strategischen Investoren und Finanzinvestoren eingeleitet“, teilte der Konzern mit. Bislang hatte Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff vor allem den Börsengang der Sparte vorangetrieben, mit dem der Konzern sein Verschuldungsproblem in den Griff bekommen will.
ESSEN Wer in der süddeutschen Provinz die Stadt Rottweil besucht, sieht ihn schon von Weitem. Mit seinem 246 Metern dominiert der Turm von Thyssenkrupp Elevator das Landschaftsbild. Hier, im baden-württembergischen Hinterland, prüfen die Ingenieure des Konzerns in zwölf Schächten ihre Aufzüge. Also jene Produkte, mit denen der angeschlagene Essener Industrieriese derzeit das meiste Geld verdient.
Nicht nur deshalb ruhen auf Elevator alle Hoffnungen des Konzerns: Im Frühjahr verkündete Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff seine Pläne, durch einen Börsengang frisches Geld in den Konzern zu spülen. Doch nun berichten Reuters und das „Handelsblatt“unter Berufung auf informierte Kreise, der Konzern habe in den vergangenen Tagen potenzielle Käufer angeschrieben und zu einer Abgabe eines Angebots aufgefordert. Interessenten sind sowohl direkte Konkurrenten als auch Investmentfonds.
Ganz ausgeschlossen hatte Kerkhoff einen Verkauf zwar nicht, aber den Börsengang prioritär vorbereitet. Nach dem gescheiterten StahlJoint-Venture mit dem indischen Rivalen Tata und nach der ebenfalls geplatzten Aufspaltung des Konzern in einen Industriegüter- und einen Werkstoffkonzern ist das Management auf der Suche nach einem Ausweg aus der Krise, deren Ursprünge noch bis zu den krachend gescheiterten Milliardeninvestitionen in Brasilien und dem US-Bundesstaat Alabama zurückgehen.
Thyssenkrupp benötigt dringend frisches Geld, um überlebensfähig zu sein. Die Aufzugsparte allein wird auf zwölf bis 17 Milliarden Euro taxiert. Thyssenkrupp erklärte zu einer möglichen Abkehr vom Börsengang: „Wir haben klar gesagt, dass wir – neben der Vorbereitung des Börsengangs – die vorliegenden Interessensbekundungen potenzieller Interessenten prüfen. Das tun wir gewissenhaft.“Deshalb habe man einen strukturierten Prozess für die Bewertung von Angeboten von strategischen Investoren und Finanzinvestoren eingeleitet, mit dem man sicherstelle, dass die Entscheidung für Thyssenkrupp und seine Stakeholder nachhaltig und die beste sei.
Der größte Einzelaktionär, die Krupp-Stiftung, erklärte, Thyssenkrupp sei in einer sehr herausfordernden Situation. „Marktumfeld und Konjunktur haben sich weiter verschlechtert. Eine Leistungssteigerung ist dringend erforderlich.“Die im Mai angekündigte Neuausrichtung des Unternehmens habe genau das zum Ziel. „Die Stiftung möchte, dass das Unternehmen in den Geschäftsfeldern wettbewerbsfähig aufgestellt ist, mit zukunftssicheren Arbeitsplätzen und einer nachhaltigen Dividendenfähigkeit“, sagte ein Sprecher der Stiftung. „Sie ist vom Potenzial des Unternehmens überzeugt und wird es unverändert unterstützen. Deswegen steht sie hinter dem vom Vorstand eingeschlagenen Weg.“
Zu den Stakeholdern zählen neben den Eignern auch die Arbeitnehmer. Und dort ist man noch nicht so weit, sich von den Börsenplänen gänzlich zu verabschieden. „Wir verhandeln derzeit mit dem Management von Thyssenkrupp Elevator über einen Tarifvertrag zur Absicherung der Beschäftigten und der Standorte für den Fall eines Börsengangs oder einer Ausgliederung“, sagte der NRW-Bezirksleiter der IG Metall und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende von Thyssenkrupp Elevator, Knut Giesler, unserer Redaktion. Beide Seiten hätten sich bislang einmal getroffen, und auch wenn das Ringen um die Laufzeit hart sei, sei es das Ziel der IG Metall, bis Jahresende durchzukommen. „Wir konzentrieren uns jetzt klar auf diesen Tarifvertrag für den Börsengang und reagieren nicht darauf, welche Sau gerade durchs Dorf getrieben wird. Wichtig ist, dass die Beschäftigten eine langfristige Sicherheit bekommen“, sagte Giesler. Tatsächlich bietet ein Verkauf
an einen Wettbewerber hohe Hürden – etwa durch die Wettbewerbsaufsicht. Und da ist Thyssenkrupp gebranntes Kind. Das StahlJoint-Venture scheiterte am Ende am Einspruch der EU-Kommission. Eine Prüfung würde den Konzern wertvolle Zeit kosten. Ungeachtet dessen muss das Management den aktivistischen Investoren im Aufsichtsrat signalisieren, dass es alle Optionen prüft. Schlägt es einen besseren Verkaufsdeal aus, könnte am Ende der Verdacht der Untreue im Raum stehen.
Ungeachtet dessen goutierte die Börse die Verkaufsmeldungen. Die Aktie setzte sich zwischenzeitlich an die Spitze des Dax. Thyssenkrupp-Papiere verteuerten sich in der Spitze um 5,6 Prozent und schlossen mit elf Euro. Welche Ironie. Am späten Abend teilte die Deutsche Börse den Abstieg von Thyssenkrupp aus dem wichtigsten Aktienindex, dem Dax 30, mit. „Dass uns der Abstieg aus dem Dax enttäuscht, steht außer Frage“, kommentierte Konzernchef Kerkhoff. „Als Gründungsmitglied wären wir dem Leitindex gern erhalten geblieben. Man muss aber auch ehrlich sein: Unsere Performance war zu schwach, daher ist der Gang in den MDax die logische Konsequenz.“
Auch der größte Einzelaktionär zeigte sich betont gelassen: „Für die Stiftung steht das Wohl des Unternehmens im Vordergrund – nicht, in welchem Index es gelistet ist“, sagte der Sprecher.
“Unsere Performance war zu schwach“Guido Kerkhoff Thyssenkrupp-Chef