Pläne für Abschiebeknast liegen auf Eis
Das Flüchtlingsministerium hat nach einer Klage 1700 Seiten Akten freigegeben. Demnach wurde in Düsseldorf ein Standort neben einem Schießstand der Polizei geprüft. Auch der Flughafen-Parkplatz stand zur Debatte.
DÜSSELDORF Das Land hat ein neues Abschiebegefängnis in Düsseldorf ausgerechnet neben einem Schießstand der Polizei geprüft. Auch ein Amok-Trainingszentrum war auf diesem Gelände angedacht. Dass Schreie, Schüsse und Explosionen von Übungsgranaten Flüchtlinge aus Kriegsgebieten belasten könnte, wurde zwar angemerkt, stoppte die Planungen aber zunächst nicht. Wie schleppend die Suche nach einem Standort verlief, zeigt sich aus 1700 Seiten Akten, die jetzt im Internet veröffentlicht worden sind.
Vorweg gesagt: Das Land hat seine Pläne für das Abschiebegefängnis inzwischen auf Eis gelegt. Nach Angaben des Flüchtlingsministeriums, weil man die Haftplätze nicht mehr braucht. Im Abschiebeknast im westfälischen Büren gebe es mit 175 Haftplätzen schon genug, man bringe dort sogar Flüchtlinge aus anderen Bundesländern unter.
Die Lage sah vorher anders aus. Das ergibt sich aus den Akten, deren Freigabe ein Anwalt im Auftrag des Bündnisses „Abschiebegefängnis verhindern“eingeklagt hat. Das Bündnis hatte sich vor dem Verwaltungsgericht auf das Informationsfreiheitsgesetz berufen. Die offen gelegten – und teilweise geschwärzten – Akten wurden jetzt bei der Internetplattform „Frag den Staat“online gestellt.
Laut dem Bündnis begann die Suche nach einem Standort schon 2017, damals noch unter der rotgrünen Koalition. 2018 – inzwischen waren CDU und FDP an der Macht – ging es laut den Akten zunächst um eine „Reservefläche“in Mönchengladbach, später wurde auch in anderen Städten rund um Düsseldorf gesucht. In der Landeshauptstadt selbst ging es um zwei potenzielle Standorte: Den Flughafenparkplatz P13 und den verlassenen Standort des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV ) „Auf dem Draap“in DüsseldorfHamm. Nebenan ist die Schießanlage der Düsseldorfer Polizei, in der anderen Richtung ein Klärwerk.
Am Airport sollte die FlughafenGesellschaft das Gefängnis bauen und dann ans Land vermieten. Das hätte rund 8 bis 10 Millionen Euro gekostet und europaweit ausgeschrieben werden müssen. Darauf hatte der Flughafen offenbar keine Lust. 2020 schlief die Projektgruppe ein. Aus dem Spickzettel für ein Telefonat des Ministeriums mit dem Rathaus im Jahr 2021 geht hervor, dass man nun Hilfe für das LANUV-Gelände suchte („Bitte um Unterstützung bei der Realisierung insbesondere durch Rückhalt in Stadtgesellschaft und Stadtpolitik“). Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) versprach laut Akten, vertraulich bei den „Spitzen der Ratsmehrheit“vorzufühlen.
Dass neben dem geplanten Abschiebegefängnis ein Schießstand der Polizei wäre, schien kein Problem. Man überlegte sogar, noch ein Trainingszentrum der Polizei daneben zu bauen. „Ein Ausreisegewahrsam und eine Trainingsstätte, ist sicherlich eine gute Kooperation auf diesem Gelände“, heißt es in einer E-Mail der landeseigenen Immobiliengesellschaft aus dem Jahr 2021.
Von der Polizei kam Widerspruch: „Der Einsatz von Einsatzfahrzeugen mit Lautsprecherdurchsagen, Megafonen, aber auch das Rufen von Kommandos sowie der Einsatz von Trainingsmunition“seien ganz schön laut. Ein hoher Beamter schrieb daher, er habe „Bedenken geäußert, ob ausgerechnet ein Ausreisegewahrsam mit dieser Nutzung in Einklang gebracht werden kann“. Am Ende überwogen Bedenken wegen Reaktionen der Anwohner – weshalb man wieder Richtung Flughafen
blickte.
Die Akten enden im November 2022, das Ministerium hat zugesagt, weitere nachzureichen. Im letzten Dezember hatte die Landesregierung allerdings bereits angedeutet, dass man die Pläne für den Abschiebeknast ad acta gelegt habe. Das Flüchtlingsministerium bestätigt auf Anfrage: „Zum jetzigen Zeitpunkt“habe man im Knast in Büren genug Platz: „Planungen zu einem Ausreisegewahrsam am Flughafen Düsseldorf werden zum jetzigen Zeitpunkt daher nicht als notwendig erachtet.“
Das Bündnis sieht das Flüchtlingsministerium unter Josefine Paul (Grüne) weiter „in der Pflicht sich klar gegen ein weiteres Abschiebegefängnis auszusprechen.“Anwalt Marcel Keienborg, der die Akten erklagt hat, ergänzte: Es sei „ein Problem für die Demokratie, wenn solche die Grundrechte so intensiv betreffenden Planungen über Jahre geheim gehalten bleiben.“