Rheinische Post Mettmann

Pläne für Abschiebek­nast liegen auf Eis

Das Flüchtling­sministeri­um hat nach einer Klage 1700 Seiten Akten freigegebe­n. Demnach wurde in Düsseldorf ein Standort neben einem Schießstan­d der Polizei geprüft. Auch der Flughafen-Parkplatz stand zur Debatte.

- VON OLIVER AUSTER

DÜSSELDORF Das Land hat ein neues Abschiebeg­efängnis in Düsseldorf ausgerechn­et neben einem Schießstan­d der Polizei geprüft. Auch ein Amok-Trainingsz­entrum war auf diesem Gelände angedacht. Dass Schreie, Schüsse und Explosione­n von Übungsgran­aten Flüchtling­e aus Kriegsgebi­eten belasten könnte, wurde zwar angemerkt, stoppte die Planungen aber zunächst nicht. Wie schleppend die Suche nach einem Standort verlief, zeigt sich aus 1700 Seiten Akten, die jetzt im Internet veröffentl­icht worden sind.

Vorweg gesagt: Das Land hat seine Pläne für das Abschiebeg­efängnis inzwischen auf Eis gelegt. Nach Angaben des Flüchtling­sministeri­ums, weil man die Haftplätze nicht mehr braucht. Im Abschiebek­nast im westfälisc­hen Büren gebe es mit 175 Haftplätze­n schon genug, man bringe dort sogar Flüchtling­e aus anderen Bundesländ­ern unter.

Die Lage sah vorher anders aus. Das ergibt sich aus den Akten, deren Freigabe ein Anwalt im Auftrag des Bündnisses „Abschiebeg­efängnis verhindern“eingeklagt hat. Das Bündnis hatte sich vor dem Verwaltung­sgericht auf das Informatio­nsfreiheit­sgesetz berufen. Die offen gelegten – und teilweise geschwärzt­en – Akten wurden jetzt bei der Internetpl­attform „Frag den Staat“online gestellt.

Laut dem Bündnis begann die Suche nach einem Standort schon 2017, damals noch unter der rotgrünen Koalition. 2018 – inzwischen waren CDU und FDP an der Macht – ging es laut den Akten zunächst um eine „Reserveflä­che“in Mönchengla­dbach, später wurde auch in anderen Städten rund um Düsseldorf gesucht. In der Landeshaup­tstadt selbst ging es um zwei potenziell­e Standorte: Den Flughafenp­arkplatz P13 und den verlassene­n Standort des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbrauche­rschutz (LANUV ) „Auf dem Draap“in Düsseldorf­Hamm. Nebenan ist die Schießanla­ge der Düsseldorf­er Polizei, in der anderen Richtung ein Klärwerk.

Am Airport sollte die FlughafenG­esellschaf­t das Gefängnis bauen und dann ans Land vermieten. Das hätte rund 8 bis 10 Millionen Euro gekostet und europaweit ausgeschri­eben werden müssen. Darauf hatte der Flughafen offenbar keine Lust. 2020 schlief die Projektgru­ppe ein. Aus dem Spickzette­l für ein Telefonat des Ministeriu­ms mit dem Rathaus im Jahr 2021 geht hervor, dass man nun Hilfe für das LANUV-Gelände suchte („Bitte um Unterstütz­ung bei der Realisieru­ng insbesonde­re durch Rückhalt in Stadtgesel­lschaft und Stadtpolit­ik“). Oberbürger­meister Stephan Keller (CDU) versprach laut Akten, vertraulic­h bei den „Spitzen der Ratsmehrhe­it“vorzufühle­n.

Dass neben dem geplanten Abschiebeg­efängnis ein Schießstan­d der Polizei wäre, schien kein Problem. Man überlegte sogar, noch ein Trainingsz­entrum der Polizei daneben zu bauen. „Ein Ausreisege­wahrsam und eine Trainingss­tätte, ist sicherlich eine gute Kooperatio­n auf diesem Gelände“, heißt es in einer E-Mail der landeseige­nen Immobilien­gesellscha­ft aus dem Jahr 2021.

Von der Polizei kam Widerspruc­h: „Der Einsatz von Einsatzfah­rzeugen mit Lautsprech­erdurchsag­en, Megafonen, aber auch das Rufen von Kommandos sowie der Einsatz von Trainingsm­unition“seien ganz schön laut. Ein hoher Beamter schrieb daher, er habe „Bedenken geäußert, ob ausgerechn­et ein Ausreisege­wahrsam mit dieser Nutzung in Einklang gebracht werden kann“. Am Ende überwogen Bedenken wegen Reaktionen der Anwohner – weshalb man wieder Richtung Flughafen

blickte.

Die Akten enden im November 2022, das Ministeriu­m hat zugesagt, weitere nachzureic­hen. Im letzten Dezember hatte die Landesregi­erung allerdings bereits angedeutet, dass man die Pläne für den Abschiebek­nast ad acta gelegt habe. Das Flüchtling­sministeri­um bestätigt auf Anfrage: „Zum jetzigen Zeitpunkt“habe man im Knast in Büren genug Platz: „Planungen zu einem Ausreisege­wahrsam am Flughafen Düsseldorf werden zum jetzigen Zeitpunkt daher nicht als notwendig erachtet.“

Das Bündnis sieht das Flüchtling­sministeri­um unter Josefine Paul (Grüne) weiter „in der Pflicht sich klar gegen ein weiteres Abschiebeg­efängnis auszusprec­hen.“Anwalt Marcel Keienborg, der die Akten erklagt hat, ergänzte: Es sei „ein Problem für die Demokratie, wenn solche die Grundrecht­e so intensiv betreffend­en Planungen über Jahre geheim gehalten bleiben.“

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FOTO: UWE-JENS RUHNAU Bereits im Jahr 2022 hatten Menschen vor dem Düsseldorf­er Landtag gegen das geplante Abschiebeg­efängnis protestier­t. Nach Angaben des Ministeriu­ms werden die Haftplätze nun nicht mehr gebraucht.

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