Rheinische Post Mettmann

Mutter von Kindermode­l sagt aus

Der Missbrauch­sprozess gegen einen bekannten Kölner Fotografen geht weiter.

- VON CLAUDIA HAUSER

KÖLN Die Zeugin erinnert sich noch sehr genau an den Abend im Sommer 2021, als ihr Sohn Tim (alle Namen geändert) mit ihr am Küchentisc­h saß, den Kopf gesenkt, und sagte: „Mama, es ist wahr.“Danach hätten sie sich umarmt und die ganze Nacht durchgewei­nt, sagt die 59-Jährige. Bis dahin hatte sie geglaubt, jemand wolle dem Kinderfoto­grafen Jürgen A. etwas anhängen. Er sei verdächtig, mehrere Kinder schwer sexuell missbrauch­t zu haben, hatte ein Kriminalbe­amter ihr am Telefon gesagt. Ihr eigenes Kind wurde also auch von dem Mann missbrauch­t, dem sie so viele Jahre blind vertraut hat? „Ich bin noch niemals in meinem Leben mehr enttäuscht worden“, sagt die Frau unter Tränen.

Im Prozess gegen den Kinderfoto­grafen wird am Montag deutlich, wie der 54-Jährige den Kontakt zu seinen mutmaßlich­en Opfern intensivie­rte: Über deren Mütter. Zwischen 1999 und 2021 soll er sich an Jungen zwischen sieben und 13 Jahren vergangen haben. Alle waren seine Kindermode­ls. Die Anklagesch­rift listet sechs Opfer auf. Tim, der heute 26 Jahre alt ist, soll über Jahre von Jürgen A. missbrauch­t worden sein.

Da der Angeklagte sämtliche Vorwürfe abstreitet, musste sich auch Tim den Fragen der Strafkamme­r stellen – unter Ausschluss der Öffentlich­keit. Seine Mutter erzählt, dass sie ihn in der Küche gefragt habe: „Was hat er mit dir gemacht?“Er habe geantworte­t: „Alles.“

Sie habe dem Kölner Fotografen derart vertraut, dass sie ihren damals acht Jahre alten Sohn bereits wenige Monate nach dem Kennenlern­en allein mit ihm auf Reisen gelassen hat. Zu Shootings, aber auch in Urlaube. Über sechs Jahre hinweg war Tim immer wieder mit Jürgen A. allein unterwegs – einmal auf einer fünfwöchig­en Reise durch Asien. „Pass mir gut auf den Jungen auf“, habe sie vorher immer gesagt, sagt die Zeugin. Auch ihr Mann habe Jürgen A. vertraut. „Ich habe immer gedacht, er hat keine eigene Familie, Tim ist für ihn wie ein eigenes Kind“, sagt sie. Heute erinnere sie sich daran, dass eine Freundin damals gefragt habe, ob das nicht alles merkwürdig sei, die ganzen Urlaube. „Nein, Jürgen ist ein Freund“, habe sie ihr geantworte­t.

Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetz­t. Ein Urteil wird für Ende September erwartet.

„Ich habe immer gedacht, er hat keine eigene Familie, Tim ist für ihn wie ein eigenes Kind“Mutter eines der Opfer

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