Mutter von Kindermodel sagt aus
Der Missbrauchsprozess gegen einen bekannten Kölner Fotografen geht weiter.
KÖLN Die Zeugin erinnert sich noch sehr genau an den Abend im Sommer 2021, als ihr Sohn Tim (alle Namen geändert) mit ihr am Küchentisch saß, den Kopf gesenkt, und sagte: „Mama, es ist wahr.“Danach hätten sie sich umarmt und die ganze Nacht durchgeweint, sagt die 59-Jährige. Bis dahin hatte sie geglaubt, jemand wolle dem Kinderfotografen Jürgen A. etwas anhängen. Er sei verdächtig, mehrere Kinder schwer sexuell missbraucht zu haben, hatte ein Kriminalbeamter ihr am Telefon gesagt. Ihr eigenes Kind wurde also auch von dem Mann missbraucht, dem sie so viele Jahre blind vertraut hat? „Ich bin noch niemals in meinem Leben mehr enttäuscht worden“, sagt die Frau unter Tränen.
Im Prozess gegen den Kinderfotografen wird am Montag deutlich, wie der 54-Jährige den Kontakt zu seinen mutmaßlichen Opfern intensivierte: Über deren Mütter. Zwischen 1999 und 2021 soll er sich an Jungen zwischen sieben und 13 Jahren vergangen haben. Alle waren seine Kindermodels. Die Anklageschrift listet sechs Opfer auf. Tim, der heute 26 Jahre alt ist, soll über Jahre von Jürgen A. missbraucht worden sein.
Da der Angeklagte sämtliche Vorwürfe abstreitet, musste sich auch Tim den Fragen der Strafkammer stellen – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Seine Mutter erzählt, dass sie ihn in der Küche gefragt habe: „Was hat er mit dir gemacht?“Er habe geantwortet: „Alles.“
Sie habe dem Kölner Fotografen derart vertraut, dass sie ihren damals acht Jahre alten Sohn bereits wenige Monate nach dem Kennenlernen allein mit ihm auf Reisen gelassen hat. Zu Shootings, aber auch in Urlaube. Über sechs Jahre hinweg war Tim immer wieder mit Jürgen A. allein unterwegs – einmal auf einer fünfwöchigen Reise durch Asien. „Pass mir gut auf den Jungen auf“, habe sie vorher immer gesagt, sagt die Zeugin. Auch ihr Mann habe Jürgen A. vertraut. „Ich habe immer gedacht, er hat keine eigene Familie, Tim ist für ihn wie ein eigenes Kind“, sagt sie. Heute erinnere sie sich daran, dass eine Freundin damals gefragt habe, ob das nicht alles merkwürdig sei, die ganzen Urlaube. „Nein, Jürgen ist ein Freund“, habe sie ihr geantwortet.
Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt. Ein Urteil wird für Ende September erwartet.
„Ich habe immer gedacht, er hat keine eigene Familie, Tim ist für ihn wie ein eigenes Kind“Mutter eines der Opfer