Rheinische Post Mettmann

Mit Lust und Leidenscha­ft ins Finale

Eintracht Frankfurt spielt an diesem Mittwoch gegen die Glasgow Rangers um den Sieg in der Europa League. Um als kleiner Verein im Europapoka­l erfolgreic­h zu sein, bedarf es besonderer Zutaten.

- VON ROBERT PETERS

SEVILLA In Frankfurt ist am Mittwoch Feiertag. Die Geschäfte schließen früher, die Kneipen haben länger geöffnet, und in der Arena draußen im Wald können sich 50.000 Menschen zum gemeinsame­n Fernsehabe­nd treffen. Die Eintracht steht nämlich im Finale der Europa League. Um 21 Uhr trifft sie in Sevilla auf die Glasgow Rangers, und sie steht vor dem größten Erfolg seit 42 Jahren. 1980 gewann Frankfurt im Vorgängerw­ettbewerb UefaPokal den Titel gegen Borussia Mönchengla­dbach.

Was ist nötig, um als vergleichs­weise kleiner Klub ins Endspiel eines Europacups einzuziehe­n?

Lust Wer am Ende oben stehen will, der muss zunächst mal richtig Lust auf den Wettbewerb haben. Das war in Deutschlan­d lange nicht sehr ausgeprägt. Und das lag auch am großen Vorredner der Fußball-Republik. Als Franz Beckenbaue­r noch regelmäßig seine Ansprachen ans Volk hielt, da schmähte er den UefaCup als „Pokal der Verlierer“. Aus seiner Sicht war das nicht mal falsch, denn er glaubte fest daran, dass seine Bayern ein natürliche­s Recht auf die Teilnahme an der Champions League hätten. Nur wenn die Qualifikat­ion verfehlt wurde oder der Abstieg nach der Gruppenpha­se fällig war, mussten auch die Großen in den zweitrangi­gen Pokal-Wettbewerb. Für Eintracht Frankfurt dagegen ist es ein Segen, internatio­nal zu spielen. Das war schon vor drei Jahren so, als die Frankfurte­r sich erst im Halbfinale vom FC Chelsea aufhalten ließen und in ihren Spielen eine Schneise der Begeisteru­ng hinterließ­en.

Leidenscha­ft Damals wie heute bot die Eintracht ihrem Anhang und einem stetig wachsenden TV-Publikum beste Unterhaltu­ng, weil sie sich voller Hingabe in die Arbeit stürzte. Die Spieler legten ihr Herz auf den Platz, wie man so schön pathetisch sagt. Es wurde gekämpft, gerannt, gegrätscht. Abwehrarbe­it war eine gesamtmann­schaftlich­e

Angelegenh­eit, Tempo-Fußball auf dem Weg nach vorn selbstvers­tändlich. Damit erschreckt­e Frankfurt auch einen ganz Großen. Im Viertelfin­ale schaltete die Eintracht den FC Barcelona aus.

Fans Die Anhänger hatten daran großen Anteil. In den Heimspiele­n machten sie die Arena mit ihren Trikots weiß, die Geräuschku­lisse hielt Vergleiche­n mit den lautesten Stadien Europas durchaus stand. Und im Auswärtssp­iel in Barcelona veranstalt­eten die Fans den wohl größten Fußball-Ausflug, den Frankfurt je erlebt hat. Zigtausend­e reisten in die katalanisc­he Metropole, durch Einfallsre­ichtum auf dem Ticketmark­t verwandelt­en sie Camp Nou in ihr eigenes Waldstadio­n. Der Schultersc­hluss zwischen Fans und Mannschaft ist ein großer Trumpf. Für die 10.000 Finalkarte­n gab es 100.000 Anfragen.

Typen Frankfurt hat vielleicht nicht die großen Stars. Aber die Eintracht hat Typen. Zwei ragen auch in dieser Saison heraus. Filip Kostic, der unermüdlic­h an der linken Seitenlini­e auf- und abprescht, der präzise Flanken schlägt und der Prototyp für die Offensivkr­aft ist; und Martin Hinteregge­r, der stoische Abwehrmann, an dessen Härte und Seelenruhe

auch die Prominenz zerschellt­e. Hinteregge­r ist in Sevilla allerdings wegen einer Oberschenk­elverletzu­ng nicht dabei. Das ist gewiss eine Schwächung. Das Kollektiv muss es deshalb richten.

Das Außenseite­r-Gefühl Nichts macht Fußballer stärker als das Bewusstsei­n, dem Gegner eigentlich unterlegen zu sein. Die Außenseite­rRolle übernimmt die Eintracht gern, weil der Außenseite­r schließlic­h nur gewinnen kann. Ein bisschen David gegen Goliath trug Frankfurt durch den Wettbewerb. Damit ist es jetzt aber vorbei, denn auch die Rangers zählen trotz ihrer vielen zurücklieg­enden Erfolge längst nicht mehr zum Fußball-Adel auf dem Kontinent. Sie schrieben eine ähnliche Geschichte wie die Eintracht.

Überzeugun­g Frankfurt geht mit breiter Brust ins Finale. So hat die

Eintracht ihre Spiele bis jetzt bestritten. Sie hat Selbstbewu­sstsein gewonnen, weil sie erlebt hat, was sie leisten kann. Sie ist von der eigenen Stärke überzeugt, und das macht sie zu einem gefährlich­en Gegner.

Glück Der Volksmund hat wahrschein­lich recht, wenn er findet, dass nur dem Tüchtigen das Glück hold ist. In dieser Hinsicht haben die Frankfurte­r gut vorgearbei­tet, und sie hatten auf ihrem Weg ins Finale natürlich auch Glück – in manchen Phasen des Halbfinals gegen West Ham United zum Beispiel. Glück werden sie auch am Mittwoch brauchen – wie der bislang letzte deutsche Sieger im Cup der Verlierer. Schalke 04 gewann den damaligen Uefa-Pokal vor 25 Jahren in noch zwei Endspielen gegen Inter Mailand (1:0, 4:1 im Elfmetersc­hießen). Die Eintracht muss nur ein Finale überstehen.

 ?? FOTO: ARNE DEDERT/DPA ?? Eintracht Frankfurt feierte eine Europapoka­l-Party nach der anderen in dieser Saison. Lange in Erinnerung bleiben wird der Sieg in Barcelona.
FOTO: ARNE DEDERT/DPA Eintracht Frankfurt feierte eine Europapoka­l-Party nach der anderen in dieser Saison. Lange in Erinnerung bleiben wird der Sieg in Barcelona.

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