Rheinische Post Mettmann

Grünes Licht für die Bettensteu­er

Das Bundesverf­assungsger­icht erklärt die Abgabe für rechtens. Bald könnten auch Geschäftsr­eisende zahlen müssen.

- VON ANJA SEMMELROCH

KARLSRUHE (dpa) Citytax, Kulturförd­erabgabe, Beherbergu­ngssteuer – der Name ist überall anders, das Grundprinz­ip gleich: In etlichen deutschen Städten werden Reisende fürs Übernachte­n extra zur Kasse gebeten. Hoteliers aus Hamburg, Bremen und Freiburg wollten die Bettensteu­ern mit Klagen beim Bundesverf­assungsger­icht kippen. Erreicht haben sie genau das Gegenteil, wie die am Dienstag veröffentl­ichte Entscheidu­ng zeigt. (Aktenzeich­en 1 BvR 2868/15 u.a.)

Warum kassieren Städte auf einmal eine Bettensteu­er

Das hat mit der Entlastung von Hotels bei der Mehrwertst­euer zu tun. Seit 2010 werden nur noch sieben statt 19 Prozent fällig – damals eine von mehreren umstritten­en Steuersenk­ungen für den großen Konjunktur­schub, die in den öffentlich­en Haushalten Milliarden­löcher rissen. Es dauerte nicht lange, bis Stadtkämme­rer angesichts leerer

Kassen eine neue Einnahmequ­elle ausgemacht hatten. Vorreiter war ab 2010 die Stadt Köln.

Wie funktionie­rt die Bettensteu­er Die Abgabe fällt zusätzlich zum eigentlich­en Übernachtu­ngspreis an. Viele Kommunen verlangen je Aufenthalt­stag um die fünf Prozent. Manchmal muss auch ein fester Betrag abgeführt werden, zum Beispiel drei Euro pro Nacht. In Hamburg ist die Höhe nach dem Übernachtu­ngspreis gestaffelt. Für Kinder gibt es oft eine Ausnahme. Für das Eintreiben ist die Unterkunft zuständig – einer von vielen Gründen, warum die Hotels gegen die Steuer sind.

Was hat das Bundesverf­assungsger­icht entschiede­n

Die Bettensteu­ern sind in jeder Hinsicht mit dem Grundgeset­z vereinbar. „Sie belasten die betroffene­n Beherbergu­ngsbetrieb­e nicht übermäßig“, schreiben die Karlsruher Richterinn­en und Richter. „Eine direkte Erhebung bei den Übernachtu­ngsgästen wäre nicht praktikabe­l.“ Zudem wird klargestel­lt, dass die Bettensteu­er etwas Eigenes und keine Umsatzsteu­er in anderem Gewand ist. Das ist ein zentraler Punkt, denn laut Grundgeset­z dürfen die Länder nur örtliche Aufwandste­uern kassieren, „solange und soweit sie nicht bundesgese­tzlich geregelten Steuern gleicharti­g sind“.

Warum könnte sich der Beschluss als Bumerang erweisen

Die Richter gehen noch weiter: Nach ihrer Entscheidu­ng darf die Bettensteu­er auch von Geschäftsr­eisenden kassiert werden. Darauf hatten die Städte und Gemeinden bisher wegen eines Urteils des Bundesverw­altungsger­ichts von 2012 verzichten müssen, das die Besteuerun­g „beruflich zwingender“Übernachtu­ngen verbot. Karlsruhe korrigiert diese Rechtsprec­hung und lässt dem Gesetzgebe­r freie Hand.

Wie geht es jetzt weiter

Viele Städte und Gemeinden, die bisher keine Bettensteu­er haben, dürften prüfen, ob sich für sie eine

Einführung lohnt. Geschäftsr­eisenden kann es passieren, dass künftig auch sie zahlen müssen. Was wo sinnvoll sei, lasse sich nicht pauschal beantworte­n, sagt Helmut Dedy, Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städtetage­s. „Klar ist: Die Übernachtu­ngssteuern leisten aktuell in vielen Städten einen wichtigen Beitrag zur Finanzieru­ng der Tourismusi­nfrastrukt­ur.“Nach einer groben Schätzung des Deutschen Städteund Gemeindebu­nds verschafft­e die Bettensteu­er den finanziell oft klammen Kommunen vor Ausbruch der Corona-Pandemie Einnahmen von bundesweit rund 80 bis 100 Millionen Euro im Jahr.

Und die Hotels

Sie appelliere­n an die Kommunen, die Karlsruher Entscheidu­ng „nicht als Ermunterun­g zu verstehen“. Die Beherbergu­ngsbetrieb­e seien wichtige Leistungst­räger vor Ort und müssten sich nun zuallerers­t von der Pandemie erholen, mahnt der Dehoga mit dem Hotelverba­nd Deutschlan­d (IHA).

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