Bund sichert sich Impfstoff-Firma Curevac
Nicht Donald Trump, sondern der Bund steigt bei der Tübinger Firma ein. Damit soll die Entwicklung des Corona-Impfstoffs beschleunigt werden. Curevac-Großaktionär Dietmar Hopp ist zufrieden.
BERLIN Im internationalen Verteilungskampf um den Corona-Impfstoff schlägt die Bundesregierung nun Pflöcke ein: Sie steigt mit 300 Millionen Euro bei dem Tübinger Entwickler Curevac ein, wie Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ankündigte. „Die Technologie von Curevac hat das Potenzial, neue Impfstoffe und therapeutische Behandlungsmöglichkeiten für viele Menschen zu entwickeln und über den Markt zur Verfügung zu stellen“, so Altmaier. Der Großaktionär von Curevac ist SAP-Mitgründer Dietmar Hopp, er hält derzeit über seine Beteiligungsgesellschaft Dievini 82 Prozent. Zuvor soll US-Präsident Donald Trump versucht haben, das Unternehmen zu übernehmen.
Was hat der Bund vor? Der Bund will über die staatliche Förderbank KfW einsteigen und einen Anteil von 23 Prozent an Curevac übernehmen. Das ist weniger als die Sperrminorität von 25 Prozent, das heißt: Der Bund kann sich nicht in die Geschäftspolitik oder Strategie einmischen. „Der Bund ist nicht der bessere Unternehmer“, betonte Altmaier. Man werde keinen Einfluss auf die Geschäftspolitik nehmen. Auch EU-rechtlich sei ein Einstieg in dieser Größenordnung unproblematisch. Die EU schaut bei Teil-Verstaatlichungen genau hin und prüft, ob es sich um unerlaubte Beihilfen handelt.
Wie weit ist Curevac? Curevac gehört zu den weltweit 120 Unternehmen, die nach einem Impfstoff gegen das Coronavirus suchen. Das Tübinger Unternehmen hatte im Mai präklinische Ergebnisse veröffentlicht. Noch im Juni sollen erste klinische Studien mit gesunden Freiwilligen starten. Diese sind Voraussetzung für eine mögliche Zulassung durch die Behörden.
Was machen die Konkurrenten? Bei der Suche nach einem Impfstoff verfolgen Unternehmen weltweit drei Spuren: Manche setzen auf Lebendimpfstoffe,
manche auf Tot-Impfstoffe und andere wie Curevac auf genbasierte Impfstoffe. Dabei enthalten die Impfstoffe ausgewählte Gene des Virus in Form der Botenstoffe m-RNA oder DNA. Ziel ist es dabei, dass der Körper als Reaktion auf die Impfung einen Immunschutz aufbaut, der auch eine echte Infektion abwehren kann. Diesen Weg verfolgen auch die Curevac-Konkurrenten Biontech aus Mainz und der US-Konzern Moderna. Biontech hatte im April als erstes deutsches Unternehmen grünes Licht für eine klinische Studie erhalten.
Sticht der Bund nun die USA aus? Im März war Curevac wegen des Interesses der USA in die Schlagzeilen geraten. Trump soll dem Unternehmen viel Geld geboten haben, um sich die Impfstoff-Produktion exklusiv für die USA zu sichern. Dazu erklärte Hopp nun, als er das gelesen habe, habe er die Geschäftsführung von Dievini angerufen: „Ich habe erklärt, dass dies für mich nicht infrage kommt.“Altmaier dankte am Montag erneut „für diese klare Haltung“und betonte: „Germany is not for sale“– Deutschland sei nicht zu kaufen, auch wenn man ansonsten gerne auf offene Grenzen setze. „Curevac bleibt ein deutsches Unternehmen, das international erfolgreich ist“, so der Minister.
Wer sind künftig die Eigentümer? Der Bund steigt über eine Kapitalerhöhung ein, er übernimmt keine Anteile von Hopp, der Gates-Stiftung oder anderen Eigentümern. „Keiner will Anteile an Curevac abgeben“, betonte auch Hopp, der selbst 2006 bei dem jungen Unternehmen eingestiegen war. Die Anteile
der Alt-Eigentümer werden damit lediglich verwässert. Das Geld will Curevac nutzen, um seine Entwicklungsund Produktionskapazitäten auszubauen. Zugleich kündigte Curevac an, sich weitere starke Partner zu suchen. Dazu will das Unternehmen im Juli an die US-Börse Nasdaq gehen. Das geht aus einem Schreiben hervor, in dem das Bundesfinanzministerium den Haushaltsausschuss des Bundestags über die geplante Beteiligung informiert.
Wie schnell könnte Curevac die Produktion hochfahren? Das hängt davon ab, wie hoch die Dosierung eines Impfstoffes sein muss, um einen Menschen wirksam zu schützen, hatte Friedrich von Bohlen, Geschäftsführer von Dievini, im März erklärt. „Bräuchten wir ein Mikrogramm Impfstoff pro Impfung, so wie es Curevac kürzlich bei Tollwut zeigen konnte, könnte man mit einem Kilogramm eine Milliarde Menschen impfen. Muss die Dosis höher liegen, brauchen wir auch deutlich mehr Impfstoff. Curevac wäre heute in der Lage, über 100 Millionen Dosen pro Jahr zu produzieren.“
Setzt der Bund nur auf ein Pferd? Nein, denn noch ist unklar, welches Verfahren und welcher Hersteller das Rennen macht. Experten setzen sogar darauf, dass verschiedene Hersteller Zulassungen erhalten. Anders ist auch die globale Versorgung gar nicht sicherzustellen. Am Wochenende hatten Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande eine Vereinbarung mit dem Pharmakonzern Astrazeneca bekannt gegeben, um sich bis zu 400 Millionen Dosen eines von Astrazeneca geplanten Corona-Impfstoffs zu sichern.