„Ohne ausreichende Materialien ist eine würdevolle Bestattung gefährdet“
Das Virus beeinträchtigt derzeit massiv auch die Arbeit von Bestattern. Die so sensiblen Trauergespräche zum Beispiel sind nur noch eingeschränkt möglich.
Das Coronavirus trifft auch einen sehr sensiblen Bereich äußerst hart: das Bestattungswesen. Erd- und Urnenbestattungen sind zwar weiterhin erlaubt (siehe Info), unterliegen aber eben strengen Einschränkungen – und das bereits in der Zeit vor der eigentlichen Bestattung. So sind die von vielen Trauernden sehr geschätzten Aufbahrungen, mit einer Abschiednahme am offenen Sarg, beim Bestatter kaum mehr möglich.
Eine gewaltige Einschränkung gibt es auch beim obligatorischen und so wichtigen Trauergespräch vorab zwischen Bestatter und engsten Angehörigen. Das von vielen Trauernden bevorzugte Trauergespräch bei sich daheim ist in Coronazeiten nicht mehr möglich – Hausbesuche sollten Bestatter aus Gründen der gegenseitigen Sicherheit wegen der Ansteckungsgefahr derzeit nicht machen.
Und auch die Zahl der derjenigen, die noch zu diesem Gespräch zum Bestatter kommen dürfen, ist möglichst eingeschränkt: „Das sollten nur noch eine, maximal zwei Personen sein – und die müssen natürlich auch gesund sein“, erläutert Elke Herrnberger, Pressesprecherin des Bundesverbandes Deutscher Bestatter (BDB), dem in Deutschland rund 81 Prozent aller Bestattungsunternehmen angeschlossen sind.
Ansonsten bleibe wegen der allgemeinen Kontaktsperre nur das Trauergespräch via Telefon oder Videochat – einfühlsame und tiefergehende Gespräche, echte Trauergespräche also, werden dadurch natürlich erheblich erschwert. „Das tut den Bestattern sehr weh“, versichert Herrnberger. Auch wichtige Gesten der Empathie sind für Bestatter nun nur noch höchst eingeschränkt möglich: „Zum Beispiel ein freundlicher Händedruck, der zu einem Trauergespräch eigentlich auch dazugehört, ist nun nicht mehr möglich“, erläutert die Pressesprecherin.
Die Beisetzung selbst muss dann im engsten Kreis stattfinden. „Als Faustregel gilt, dass etwa zehn Personen teilnehmen dürfen“, sagt Herrnberger. Entgegen einer landläufigen Meinung dürfen das nicht immer nur Verwandte ersten Grades sein, also Ehepartner, die eigenen Kinder und die eigenen Eltern – aber auch das bestimmt jedes Bundesland für sich. Den Bestattern vor Ort sind die einzelnen Auslegungen bekannt. Risikogruppen wie ältere Menschen und Menschen mit einer chronischen Erkrankung sollten nach Möglichkeit aber nicht zu einer Bestattung kommen.
Verschiedene Städte und Kommunen fordern derzeit dazu auf, bei Trauerfeiern eine Teilnehmer- beziehungsweise Kondolenzliste zu führen, damit bei einer eventuellen Erkrankung eines Teilnehmers der Infektionsweg nachverfolgt werden kann und andere potenziell Betroffene informiert werden können.
Etliche Kommunen bieten derzeit bei einer Urnenbestattung die Möglichkeit einer zeitlichen Streckung an. Muss gewöhnlich die (Urnen-)Bestattung spätestens sechs Wochen nach der Einäscherung erfolgen, kann diese je nach Einzelfall nun bis zu einem Jahr nach der Einäscherung stattfinden.
Von dieser Möglichkeit rät der Bundesverband aber ab: „Für den Trauerprozess ist eine derartige Streckung unglaublich schwierig. Von daher ist es besser, die Beisetzung auf alle Fälle schon jetzt – dann eben in einem kleinen Kreis – stattfinden zu lassen. Damit ist der erste Schritt der Trauerbewältigung schon einmal getan“, empfiehlt Herrnberger. Zudem gebe es ja die Möglichkeit, nach der Beisetzung im engsten Kreis zu einem späteren Zeitpunkt, nach der Corona-Krise, eine größere Gedenkfeier für den Verstorbenen zu veranstalten. Darauf sollte in Anzeigen und Trauerbriefen dann auch vorab hingewiesen werden.
Generalsekretär des Bundes
Deutscher Bestatter
Eine weitere Alternative, sofern die technischen Möglichkeiten vorhanden sind, könnte eine Online-Übertragung der Trauerfeier im Internet sein. „Oder aber man lässt die Trauerfeier als Video aufzeichnen, so dass der Film später, zum Beispiel bei einer Gedenkveranstaltung, gemeinsam angesehen werden kann“, sagt Herrnberger.
Den Bestattern in NRW drückt der Schuh aber auch noch an einer ganz anderen Stelle: Im Unterschied zu den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Bremen,
Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen ist das Bestatterhandwerk hier vom Land noch nicht als zwingend systemrelevanter Beruf anerkannt worden. Das heißt, dass die Bestattungsunternehmen in NRW aktuell nicht in ausreichendem Maß zwingend benötigte Materialien wie Desinfektionsmittel, Mund-Nasen-Schutz, Schutzbrillen und Einweg-Infektionshandschuhe käuflich erwerben können.
„Wir möchten alle Verstorbenen würdig und unter Beachtung der Vorgaben des Robert-Koch-Instituts professionell versorgen und bestatten können. Ohne ausreichende Materialien ist dies aber gefährdet“, bekräftigt Stephan Neuser, Generalsekretär des BDB.
Etwas gelassener beurteilt das Helmut Haybach, Leiter der Fachgruppe Bestatter im Fachverband des Tischerlandwerks NRW: „Sicherlich ist das wünschenswert, würde eine Einstufung als ,systemrelevant’ die konkrete Berufsausübung für Bestatter in Zeiten zunehmender Ausgangssperren sicherstellen. Aber man muss als Bestatter umgekehrt auch so realistisch sein, dass selbst dann die Prioritäten bei der Versorgung und Ausstattung von Schutzmaßnahmen weiterhin bei Krankenhäusern und Altenheimen liegen werden.“
Haybach empfiehlt Bestattern für die Materialbeschaffung daher folgendes: „Hier
hilft nur die tägliche Rücksprache bei den einschlägigen Lieferanten und vielleicht auch mal beim Kollegen, wenn man in der Krise merkt, dass es besser sein kann zusammenzuarbeiten.“
Ähnlich dramatisch wie der BDB beurteilt aber auch Haybach die durch Corona stark eingeschränkten Möglichkeiten der Bestatter bei der Trauerarbeit: „Bestatter sind auf den persönlichen Kontakt mit dem Kunden angewiesen. Er ist ein wichtiger Baustein auch der Trauerarbeit für die Angehörigen, welche nicht in Euro und Cent bewertet werden kann. Schließlich ist eine Beisetzung weit mehr als ein technischer Ablauf zum letzten Abschied.“
Dieser Austausch mit den Angehörigen werde nun stark reduziert auf Absprachen im Umfeld des Bestatters – und eben nicht mehr im häuslichen Umfeld des Verstorbenen. „Dafür sind viele Bestatterbetriebe aber gar nicht eingerichtet“, sagt Haybach. Und wenn ein Trauergespräch gar nur noch am Telefon stattfinden könne, sei das im Grunde kein Gespräch, das das Wort „Trauergespräch“noch verdiene.
Helmut Haybach kennt die Trauerbegleitung persönlich auch noch aus einer ganz anderen Perspektive: Nebenberuflich wirkt er als Diakon in der Katholischen Kirche und leitet daher auch Begräbnisfeiern. „Natürlich wird durch Corona auch die Seelsorge in diesem Bereich stark eingeschränkt, können wir Beerdigungen nicht mehr in der Form durchführen, wie wir es gerne machen wollen.“
Stephan Neuser