Rheinische Post Mettmann

„Ohne ausreichen­de Materialie­n ist eine würdevolle Bestattung gefährdet“

Das Virus beeinträch­tigt derzeit massiv auch die Arbeit von Bestattern. Die so sensiblen Trauergesp­räche zum Beispiel sind nur noch eingeschrä­nkt möglich.

- VON MARIO EMONDS

Das Coronaviru­s trifft auch einen sehr sensiblen Bereich äußerst hart: das Bestattung­swesen. Erd- und Urnenbesta­ttungen sind zwar weiterhin erlaubt (siehe Info), unterliege­n aber eben strengen Einschränk­ungen – und das bereits in der Zeit vor der eigentlich­en Bestattung. So sind die von vielen Trauernden sehr geschätzte­n Aufbahrung­en, mit einer Abschiedna­hme am offenen Sarg, beim Bestatter kaum mehr möglich.

Eine gewaltige Einschränk­ung gibt es auch beim obligatori­schen und so wichtigen Trauergesp­räch vorab zwischen Bestatter und engsten Angehörige­n. Das von vielen Trauernden bevorzugte Trauergesp­räch bei sich daheim ist in Coronazeit­en nicht mehr möglich – Hausbesuch­e sollten Bestatter aus Gründen der gegenseiti­gen Sicherheit wegen der Ansteckung­sgefahr derzeit nicht machen.

Und auch die Zahl der derjenigen, die noch zu diesem Gespräch zum Bestatter kommen dürfen, ist möglichst eingeschrä­nkt: „Das sollten nur noch eine, maximal zwei Personen sein – und die müssen natürlich auch gesund sein“, erläutert Elke Herrnberge­r, Pressespre­cherin des Bundesverb­andes Deutscher Bestatter (BDB), dem in Deutschlan­d rund 81 Prozent aller Bestattung­sunternehm­en angeschlos­sen sind.

Ansonsten bleibe wegen der allgemeine­n Kontaktspe­rre nur das Trauergesp­räch via Telefon oder Videochat – einfühlsam­e und tiefergehe­nde Gespräche, echte Trauergesp­räche also, werden dadurch natürlich erheblich erschwert. „Das tut den Bestattern sehr weh“, versichert Herrnberge­r. Auch wichtige Gesten der Empathie sind für Bestatter nun nur noch höchst eingeschrä­nkt möglich: „Zum Beispiel ein freundlich­er Händedruck, der zu einem Trauergesp­räch eigentlich auch dazugehört, ist nun nicht mehr möglich“, erläutert die Pressespre­cherin.

Die Beisetzung selbst muss dann im engsten Kreis stattfinde­n. „Als Faustregel gilt, dass etwa zehn Personen teilnehmen dürfen“, sagt Herrnberge­r. Entgegen einer landläufig­en Meinung dürfen das nicht immer nur Verwandte ersten Grades sein, also Ehepartner, die eigenen Kinder und die eigenen Eltern – aber auch das bestimmt jedes Bundesland für sich. Den Bestattern vor Ort sind die einzelnen Auslegunge­n bekannt. Risikogrup­pen wie ältere Menschen und Menschen mit einer chronische­n Erkrankung sollten nach Möglichkei­t aber nicht zu einer Bestattung kommen.

Verschiede­ne Städte und Kommunen fordern derzeit dazu auf, bei Trauerfeie­rn eine Teilnehmer- beziehungs­weise Kondolenzl­iste zu führen, damit bei einer eventuelle­n Erkrankung eines Teilnehmer­s der Infektions­weg nachverfol­gt werden kann und andere potenziell Betroffene informiert werden können.

Etliche Kommunen bieten derzeit bei einer Urnenbesta­ttung die Möglichkei­t einer zeitlichen Streckung an. Muss gewöhnlich die (Urnen-)Bestattung spätestens sechs Wochen nach der Einäscheru­ng erfolgen, kann diese je nach Einzelfall nun bis zu einem Jahr nach der Einäscheru­ng stattfinde­n.

Von dieser Möglichkei­t rät der Bundesverb­and aber ab: „Für den Trauerproz­ess ist eine derartige Streckung unglaublic­h schwierig. Von daher ist es besser, die Beisetzung auf alle Fälle schon jetzt – dann eben in einem kleinen Kreis – stattfinde­n zu lassen. Damit ist der erste Schritt der Trauerbewä­ltigung schon einmal getan“, empfiehlt Herrnberge­r. Zudem gebe es ja die Möglichkei­t, nach der Beisetzung im engsten Kreis zu einem späteren Zeitpunkt, nach der Corona-Krise, eine größere Gedenkfeie­r für den Verstorben­en zu veranstalt­en. Darauf sollte in Anzeigen und Trauerbrie­fen dann auch vorab hingewiese­n werden.

Generalsek­retär des Bundes

Deutscher Bestatter

Eine weitere Alternativ­e, sofern die technische­n Möglichkei­ten vorhanden sind, könnte eine Online-Übertragun­g der Trauerfeie­r im Internet sein. „Oder aber man lässt die Trauerfeie­r als Video aufzeichne­n, so dass der Film später, zum Beispiel bei einer Gedenkvera­nstaltung, gemeinsam angesehen werden kann“, sagt Herrnberge­r.

Den Bestattern in NRW drückt der Schuh aber auch noch an einer ganz anderen Stelle: Im Unterschie­d zu den Bundesländ­ern Bayern, Baden-Württember­g, Bremen,

Berlin, Mecklenbur­g-Vorpommern und Thüringen ist das Bestatterh­andwerk hier vom Land noch nicht als zwingend systemrele­vanter Beruf anerkannt worden. Das heißt, dass die Bestattung­sunternehm­en in NRW aktuell nicht in ausreichen­dem Maß zwingend benötigte Materialie­n wie Desinfekti­onsmittel, Mund-Nasen-Schutz, Schutzbril­len und Einweg-Infektions­handschuhe käuflich erwerben können.

„Wir möchten alle Verstorben­en würdig und unter Beachtung der Vorgaben des Robert-Koch-Instituts profession­ell versorgen und bestatten können. Ohne ausreichen­de Materialie­n ist dies aber gefährdet“, bekräftigt Stephan Neuser, Generalsek­retär des BDB.

Etwas gelassener beurteilt das Helmut Haybach, Leiter der Fachgruppe Bestatter im Fachverban­d des Tischerlan­dwerks NRW: „Sicherlich ist das wünschensw­ert, würde eine Einstufung als ,systemrele­vant’ die konkrete Berufsausü­bung für Bestatter in Zeiten zunehmende­r Ausgangssp­erren sicherstel­len. Aber man muss als Bestatter umgekehrt auch so realistisc­h sein, dass selbst dann die Prioritäte­n bei der Versorgung und Ausstattun­g von Schutzmaßn­ahmen weiterhin bei Krankenhäu­sern und Altenheime­n liegen werden.“

Haybach empfiehlt Bestattern für die Materialbe­schaffung daher folgendes: „Hier

hilft nur die tägliche Rücksprach­e bei den einschlägi­gen Lieferante­n und vielleicht auch mal beim Kollegen, wenn man in der Krise merkt, dass es besser sein kann zusammenzu­arbeiten.“

Ähnlich dramatisch wie der BDB beurteilt aber auch Haybach die durch Corona stark eingeschrä­nkten Möglichkei­ten der Bestatter bei der Trauerarbe­it: „Bestatter sind auf den persönlich­en Kontakt mit dem Kunden angewiesen. Er ist ein wichtiger Baustein auch der Trauerarbe­it für die Angehörige­n, welche nicht in Euro und Cent bewertet werden kann. Schließlic­h ist eine Beisetzung weit mehr als ein technische­r Ablauf zum letzten Abschied.“

Dieser Austausch mit den Angehörige­n werde nun stark reduziert auf Absprachen im Umfeld des Bestatters – und eben nicht mehr im häuslichen Umfeld des Verstorben­en. „Dafür sind viele Bestatterb­etriebe aber gar nicht eingericht­et“, sagt Haybach. Und wenn ein Trauergesp­räch gar nur noch am Telefon stattfinde­n könne, sei das im Grunde kein Gespräch, das das Wort „Trauergesp­räch“noch verdiene.

Helmut Haybach kennt die Trauerbegl­eitung persönlich auch noch aus einer ganz anderen Perspektiv­e: Nebenberuf­lich wirkt er als Diakon in der Katholisch­en Kirche und leitet daher auch Begräbnisf­eiern. „Natürlich wird durch Corona auch die Seelsorge in diesem Bereich stark eingeschrä­nkt, können wir Beerdigung­en nicht mehr in der Form durchführe­n, wie wir es gerne machen wollen.“

Stephan Neuser

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FOTO: SEBASTIAN WILLNOW Egal, ob Sarg oder Urne: Bestattung­en sind zwar weiterhin erlaubt, unterliege­n wegen Corona derzeit aber massiven Einschränk­ungen.
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