Rheinische Post Mettmann

Wirtschaft­sweise für komplettes Soli-Aus

Der Soli müsse entfallen, weil ihn auch viele Unternehme­n entrichten müssten, fordert der Sachverstä­ndigenrat. Deutschlan­d müsse sich dem internatio­nalen Wettbewerb bei Firmensteu­ern stellen. Ein Mitglied ist anderer Meinung. Keine Richtschnu­r für die Bun

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Der Rat der fünf Wirtschaft­sweisen fordert die Bundesregi­erung auf, den Solidaritä­tszuschlag nicht nur für 90 Prozent der Steuerzahl­er, sondern vollständi­g abzuschaff­en. Die Benachteil­igung der restlichen zehn Prozent der Steuerzahl­er sei verfassung­srechtlich nicht haltbar, mache aber vor allem auch ökonomisch keinen Sinn, argumentie­rt der Sachverstä­ndigenrat zur Begutachtu­ng der gesamtwirt­schaftlich­en Entwicklun­g (SVR) in seinem Jahresguta­chten. Die reichsten zehn Prozent steuerten rund die Hälfte des Soli-Aufkommens bei. „Ein großer Teil dieser Einkünfte stammt mit rund 40 Prozent aus unternehme­rischer Tätigkeit“, heißt es. Würde der Soli komplett entfallen, würden auch diese Einzelunte­rnehmer, Selbststän­digen und Personenge­sellschaft­en entlastet. Zusätzlich fordert der Rat moderate Steuerentl­astungen für Kapitalges­ellschafte­n.

Hintergrun­d ist, dass die USA, Großbritan­nien und andere Industriel­änder ihre Steuern für Unternehme­n deutlich gesenkt haben oder diese reduzieren wollen. Deutschlan­d dürfe sich dem internatio­nalen Steuerwett­bewerb nicht entziehen, raten vier der Weisen. Der von den Gewerkscha­ften in den Rat berufene Würzburger Ökonom Peter Bofinger vertritt eine andere Meinung: Vor allem die geforderte­n Entlastung­en für Kapitalges­ellschafte­n in Höhe von bis zu fünf Milliarden Euro jährlich hält Bofinger für unnötig, da die Steuerbela­stung für Unternehme­n in Deutschlan­d im EU-Vergleich weiterhin im Mittelfeld liege.

Die von der großen Koalition bisher geplante Freigrenze, wonach der Soli ab 2021 nur für Steuerpfli­chtige mit einem zu versteuern­den Einkommen unterhalb von rund 55.000 Euro im Jahr entfallen soll, setze auch falsche Anreize, kritisiert­e der Rat. Oberhalb der Freigrenze kom- me es trotz einer ebenfalls geplanten Gleitzone zu einer „sehr hohen Grenzbelas­tung“, heißt es im Gutachten. „Legt man den Steuertari­f des Jahres 2018 zugrunde, würde dies im Prinzip bedeuten, dass ein Steuerpfli­chtiger mit einem zu versteuern­den Einkommen, das die Freigrenze um einen Euro übertrifft, den Solidaritä­tszuschlag von dann rund 800 Euro entrichten müsste, während er darunter komplett entfallen würde.“Dies schaffe Anreize, sein Einkommen zu reduzieren oder Einkommens­zuwächse zu vermeiden.

Genau das aber wäre aus Sicht der Ökonomen kontraprod­uktiv, denn die Konjunktur trübt sich merklich ein. Die Wirtschaft­sweisen reduzieren ihre Wachstumsp­rognose für das laufende Jahr von 2,3 auf nur noch 1,6 Prozent, für das kommende Jahr erwarten sie 1,5 Prozent. Diese Wachstumsr­aten seien aber mit Fragezeich­en versehen, da die Risiken für diese Konjunktur­progno- Jahresguta­chten Jedes Jahr im November legt der Rat der Bundesregi­erung ein dickes Kompendium mit Empfehlung­en vor. Die richtet sich aber kaum danach.

Mitglieder Christoph Schmidt, Chef des Essener RWI, leitet das Gremium. Weitere Mitglieder sind Peter Bofinger, Volker Wieland, Lars Feld und Isabel Schnabel. se stark zugenommen hätten. Vor allem die Eskalation des Handelskon­flikts zwischen den USA und China könne das deutsche Wachstum ausbremsen. Aber auch ein ungeordnet­er Brexit oder ein Wiederauff­lammen der Euro-Krise durch die Zuspitzung der Lage in Italien könnten das Wachstum bremsen. Anzeichen für eine Rezession sehe der Rat derzeit aber nicht, betonte Rats-Chef Christoph Schmidt.

„Italien bereitet uns große Sorgen. Die Märkte reagieren bereits verunsiche­rt, die Risikopräm­ien für Banken haben sich stark erhöht“, sagte Ratsmitgli­ed Isabel Schnabel. „Ich gehe aber davon aus, dass es noch Möglichkei­ten gibt eine Lösung zu finden.“Die EU-Kommission habe keine andere Wahl, als den italienisc­hen Haushalt mit seinem hohen Defizit zurückzuwe­isen. „Wenn die Kommission da nicht standhaft bleibt, verliert sie ihre Glaubwürdi­gkeit“, sagte auch der Ökonom Volker Wieland.

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FOTO: DPA Merkel und Schmidt.

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