Rheinische Post Mettmann

KULTURTIPP­S

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Getanzte Theorie von Christine & The Queens

Burghart Klaußners erster Roman

Ausstellun­g Plakate aus Polen sind vielfach prämiert, genießen seit den 1950er Jahren internatio­nal einen ausgezeich­neten Ruf. Warum, das zeigt eine Ausstellun­g, die bis Ende März 2019 im PAN Kunstforum Emmerich zu sehen ist. In Zusammenar­beit mit dem Polnischen Institut Düsseldorf werden dort 160 Plakate von über 70 Künstlern aus dem Zeitraum 1985 bis 2018 gezeigt. Die Plakate, die aus dem Fundus des Galeristen Krzysztof Dydo aus Krakau stammen, sind durchweg sehenswert. Das liegt auch daran, dass die Wiege der Plakatkuns­t in Polen eher in den Kunsthochs­chulen als in den Werbeagent­uren zu finden ist. Statt Produkten werden hier kulturelle Veranstalt­ungen beworben: Oper, Schauspiel, Konzert und Film. Selbst einige westliche Filme erhalten für den polnischen Markt eigens gestaltete Plakate. Oft mit überrasche­ndem Ergebnis. bal Pop-CD Diese Platte wurde lange vor Erscheinen so euphorisch begrüßt, dass man Angst bekommen konnte. Die französisc­he Musikerin Heloise Letissier, die sich Christine And The Queens nennt, macht zwar Musik, die klingt, als sei sie in den 1980er Jahren entstanden. Aber sie singt dazu Texte, die aktuelle Gesellscha­ftsdiskurs­e aufgreifen: Gender, Gleichheit zwischen den Geschlecht­ern, Feminismus. Es durfte also nicht weniger als das Album zur Zeit erwartet werden. Letissier selbst bezeichnet sich als pansexuell, in Interviews zitiert sie die Struktural­isten, und seit ihrem letzten, sehr schönen Album „Chaleur Humaine“hat sie ihre Erscheinun­g verändert: Sie verwandelt­e sich in Chris, ein maskulines und muskulöses Alter Ego.

„Chris“heißt nun auch die neue Platte, die sowohl mit französisc­hen als auch mit englischen Texten erscheint und auf anderthalb Stunden Spieldauer kommt. Die bange Frage, ob man bei so viel Theorie-Beflissenh­eit denn auch tanzen kann, beantworte­t sich schnell – bei Lied zwei, um genau zu sein. Das heißt „Girlfriend“und Buch Es sind die letzten Tage des Zweiten Weltkriege­s. Noch kann es gefährlich werden, bei den falschen Leuten nicht zu salutieren. In dieser wirren Zeit erhalten Fritz und Schultz den Auftrag, eine Geldkasset­te nach Berlin zu bringen – einmal quer durch die Stadt. Eine präzise, in warmem Ton erzählte Schelmenge­schichte vom Ende des Krieges erzählt Burghart Klaußner in seinem ersten Roman „Vor dem Anfang“. Oft schon hat Klaußner als Schauspiel­er Figuren aus jener Zeit verkörpert. Doch er kann auch von ihnen erzählen, hat einen eigenen Ton gefunden, in dem man manchmal den Schauspiel­er zu hören meint, denn ein toller Hörbuch-Sprecher ist er ja auch. „Vor dem Anfang“spielt in der eigenartig­en Atmosphäre eines verheerend­en Krieges, der sich erschöpft hat, die Menschen aber noch lange nicht loslassen wird. Das macht Klaußner spürbar und nimmt den Leser am Ende mit auf eine waghalsige Segeltour über den Wannsee. dok ist ein glamour-goldenes Funk-Getüm, das etwas Daft-Punkiges hat. Diese Platte ist ein weiterer Beleg dafür, wie stark die frühen Alben von Janet Jackson von nachgebore­nen Künstlern rezipiert werden. Es gibt einige Verweise auf die Produktion des Meisterwer­ks „Control“. Es geht in Letissiers Texten um die Freude an der und das Leid mit der Sexualität, um Män- ner und Frauen und die beste Weise, in dieser Welt geistig gesund zu blieben. Und ein bisschen erinnert „Chris“auch an Scritti Politti, die ja bereits vor 30 Jahren Dance und Derrida zusammenge­dacht haben. Neben der Handvoll toller Stücke gibt es indes einiges Mittelmäßi­ges zu hören. Christine & The Queens gehen die Melodien aus, und man sehnt sich nach einem weiteren Hit im Stile von „iT“vom Vorgängera­lbum.

Philipp Holstein

 ??  ?? Burghart Klaußner: „Vor dem Anfang“, Kiepenheue­r & Witsch, 176 Seiten, 18 Euro
Burghart Klaußner: „Vor dem Anfang“, Kiepenheue­r & Witsch, 176 Seiten, 18 Euro
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