Rohstoff der Zukunft
Trimet produziert mit Aluminium nicht nur den Werkstoff für die Energiewende. Das Familienunternehmen engagiert sich zudem für die Integration Geflüchteter – ein Vermächtnis des Gründers.
ESSEN Was für ein gewaltiger Widerspruch. Ausgerechnet die energieintensivste Branche der Republik liefert genau das Material, das so dringend nötig für die Energiewende benötigt wird: Aluminium. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass der Chef des Essener Aluminiumproduzenten Trimet, Martin Iffert, lobende Worte für das Riesenprojekt Energiewende findet: „Anders als mancher annimmt, unterstützt Trimet das Bestreben, langfristig komplett auf erneuerbare Energien umzustellen“, sagt er. „Beim Netzausbau werden doch überwiegend Aluminiumleitungen verlegt.“Auch in Lithium-Ionen-Batterien werde überwiegend Aluminium verbaut. Ebenso setzten die Hersteller bei der E-Mobilität auf den Werkstoff. Schließlich wird nur mit Leichtbau-Materialien Reichweite erzeugt.
Für ein Unternehmen, das an seinem Essener Standort mehr Energie verbraucht als die gesamte restliche Stadt ist die positive Einstellung zur Energiewende angesichts der mitunter hitzig geführten Debatte um die Netzstabilität trotzdem bemerkenswert.
Doch bei Trimet verstehen sie die Energiewende tatsächlich als Chance – allerdings nur, wenn der Rahmen stimmt. „Es wäre widersinnig, wenn wir Aluminium aus dem kohlestromintensiven China importieren, weil unsere Produkte künstlich verteuert werden“, so Iffert. „Ein abrupter Ausstieg aus der Kohleverstromung würde den Börsenstrompreis drastisch erhöhen und energieintensive Firmen im internationalen Wettbewerb benachteiligen.“
Iffert ist seit 25 Jahren bei Trimet. Der Gründer des Essener Konzerns, Heinz-Peter Schlüter, hatte ihn 2012 zum Vorsitzenden desVorstands gemacht und damit den Generationenwechsel eingeleitet. Zum Glück, wie sich 2015 zeigte, als Schlüter völlig überraschend starb. „Sein Tod war ein Schlag für uns. Er hatte den Wandel im Unternehmen aber gottlob früh eingefädelt“, sagt Iffert. „Meine Kollegen und ich stehen für Kontinuität. Die Familie ist auch weiterhin eng mit dem Unternehmen verbunden.“Schlüters ältester Sohn ist stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender, ein weiterer Sohn ist ebenfalls im Unternehmen aktiv. „Trimet ist und bleibt ein Familienunternehmen“, sagt Iffert.
Ein Familienunternehmen allerdings von beachtlicher Größe: 3000 Mitarbeiter stehen für einen Umsatz von 1,24 Milliarden Euro und eine Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 90,2 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2016/17. Die Anfänge waren dagegen noch recht bescheiden: 500.000 D-Mark betrug das Stammkapital, das Firmengründer Schlüter 1985 einbrachte. Hinter der Abkürzung verbirgt sich „Trading in metals“(„Handel mit Metallen“). „Wir kaufen und verkaufen immer“, so die Firmen-Philosophie. Seine Geschäfte wickelte Schlüter zunächst von seinem Firmensitz in der Düsseldorfer Lindemannstraße ab – vom Souterrain seiner Privatwohnung aus mit Blick auf den Goldfischteich im Garten.
Die Firma nahm schnell Fahrt auf. Im Jahr des Mauerfalls 1989 wandelte Schlüter sie in eine Aktiengesellschaft um. Ein Meilenstein der Trimet-Geschichte war der Kauf der Aluminiumhütte in Essen 1994, denn damit wurde aus der reinen Handelsgesellschaft ein Produzent. Später kamen Werke in Sachsen-Anhalt, Thüringen, Hamburg und Frankreich hinzu.
Zuletzt rückte die Branche in den Fokus, weil der amerikanische Präsident Donald Trump neben Stahl auch Aluminium mit Importztrafzöllen von 25 Prozent belegte. Doch Trimet-Chef Iffert gibt sich angesichts dieser Handelsbarrieren gelassen. „Die Strafzölle in den USA sind bedauerlich, aber treffen uns nicht direkt.“Iffert macht das daran fest, dass Europa sogar Aluminium importieren müsse, um seinen Bedarf zu decken. Am Ende, meint er, könnte China als Hauptprofiteur aus dem Handelsstreit hervorgehen, weil es auch ohne wesentliche Rohstoffvorkommen mit seinen Aluminiumprodukten in die Lücke stoße.
Zudem drohe Ungemach von ganz anderer Seite: „Schwerwiegender für uns sind die US-Sanktionen gegen Russland.“Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs habe Russland Europa mit Aluminium überschwemmt, die Hälfte der europäischen Aluminiumhütten musste schließen. In der Folge kam es zu einer engen Verzahnung der russischen Aluminiumproduktion mit Europa und auch zur Übernahme strategisch wichtiger Fabriken durch russische Eigentümer. „So ist zum Beispiel die größte europäische Tonerdefabrik – Tonerde ist der Rohstoff für die Aluminiumhütten –, die in Irland steht, heute in russischem Besitz und somit von den Sanktionen bedroht.“
Neben Aluminium ist ein weiterer Zukunftsrohstoff für Trimet der Mensch. Vor diesem Hintergrund muss man das Programm „Berufsausbildung für Flüchtlinge“sehen. „Zu seinem 66. Geburtstag im Jahr 2015 hatte Heinz-Peter Schlüter das Projekt angestoßen“, erinnert sich Iffert an die Anfänge. 66 junge Flüchtlinge werden bis 2022 das Programm durchlaufen. Derzeit absolvieren 26 eine industrienahe Ausbildung oder eine Einstiegsqualifizierung samt Sprachkurs. „Wir haben dafür neue Räume geschaffen, Ausbilder eingestellt. Über die Jahre hinweg werden wir auf eine Investitionssumme von rund einer Million Euro kommen“, so Iffert. Verlief der Start noch etwas holprig, laufe es inzwischen sehr gut. „Die jungen Männer stammen überwiegend aus Syrien und Afghanistan. Wir hoffen, dass sie auch am Ende ihrer Ausbildung bleiben können.“Die Politik müsse dafür unbedingt die Weichen stellen. „Es wäre mehr als ärgerlich, wenn gut integrierte Fachkräfte das Land wieder verlassen müssten. Für uns hängt viel Herzblut an diesem Projekt, schließlich ist es ein Vermächtnis unseres Gründers.“
„Heinz-Peter Schlüter hatte den Wandel gottlob früh eingefädelt“
Martin Iffert
Trimet-Chef