Kampf um die richtigen Maßnahmen
Es scheint paradox: Die Menschen haben ein großes Sicherheitsbedürfnis, zugleich wehren sich viele gegen Maßnahmen, die Sicherheitspolitiker als wirksam erachten. Das ist nur eines der Spannungsfelder inmitten einer komplexen Gemengelage rund um Kriminalität und Terror. Experten versuchen beim RP-Wirtschaftsforum „Sicherheit in Deutschland“, in dem brandaktuellen Thema für Durchblick zu sorgen – und dabei auch zu zeigen, was die Sicherheitsbranche dabei leisten kann.
Schaut man die Nachrichten an oder hört sich im Freundesund Bekanntenkreis um, scheint es derzeit vor allem ein Thema zu geben: Sicherheit. Gefühlt nehmen Bedrohungen aller Art zu – Diebstähle und Einbrüche, Cyberkriminalität, Terror.
Doch die Statistiken sagen zumindest in Teilen etwas anderes: Laut aktueller Polizeilicher Kriminalstatistik (für 2017) ist die Kriminalitätsentwicklung in Nordrhein-Westfalen rückläufig. Die Zahl der Straftaten ist im vergangenen Jahr um 6,5 Prozent zurückge- gangen – nach Angaben des Innenministeriums ist das der stärkste Rückgang seit mehr als 30 Jahren.
Insbesondere am Rückgang von Wohnungseinbrüchen (minus 25,7 Prozent) haben die Bürger selbst einen Anteil. Sie lassen sich intensiver beraten und sichern ihr Heim besser. Die Cyberkriminalität nimmt hingegen immens zu. Und aktuelle Fälle zeigen: Auch die Terrorgefahr bleibt virulent.
Das Thema Sicherheit bleibt ganz oben auf der Tagesordnung. Grund genug, dazu Spezialisten zu Wort kommen zu lassen, die die Hintergründe kennen, die etwas dazu zu sa- gen haben. Beim RP-Sicherheitsforum „Sicherheit in Deutschland“tauschten sich Vertreter renommierter Sicherheitsunternehmen, aus Verbänden, der Politik sowie der Wirtschaft aus, um den Stand der Dinge zu diskutieren, aber auch Wege aufzuzeigen, wohin die Sicherheitspolitik gehen soll.
Konkrete Ansprechpartner dafür hatten sie: NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) stellte sich der Diskussion ebenso wie Wolfgang Bosbach, Vorsitzender der NRW-Regierungskommission „Mehr Sicherheit für Nordrhein-Westfalen“, der Düsseldorfer Poli- zeipräsident Norbert Wesseler und Düsseldorfs Ordnungsdezernent Christian Zaum.
In einem sind sich alle einig: Bei aller Statistik sind die Bedrohungen virulent, zugleich aber auch Widerstände gegen entsprechende Maßnahmen. Ein Widerspruch: „In Deutschland war der Wunsch nach Sicherheit nie so ausgeprägt wie heute“, greift Oliver P. Kuhrt, Geschäftsführer der Messe Essen, die Stimmungslage auf. Sie könne genutzt werden, um die Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen nach vorn zu bringen.
„Die Chancen sind gut, schwieriger wird es, ein Be- kenntnis zu notwendigen Maßnahmen zu bekommen“, wendet Reul indes ein und denkt dabei sicherlich auch an die Widerstände gegen das geplante neue Polizeigesetz für NRW. „Die schweigende Mehrheit muss auf die Straße kommen“, fordert der Mininster. Die Menschen sollten sich auch in ihrem privaten Umfeld dafür einsetzen.
Mangelnde Zustimmung zu wirksamen Sicherheitsregelungen beklagt auch Wolfgang Bosbach. Er leitet die Sicherheitskommission des Landes NRW, in der Sicherheitsexperten an konkreten Vorschlägen für eine Stärkung der Sicher- heitsarchitektur in NRW arbeiten. „Wir können die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht mit den Methoden des 20. Jahrhunderts meistern“, sagt Bosbach und betont unter anderem die Bedeutung von Mindestspeicherfristen in der Telekommunikation für die Verhinderung und Aufklärung von Straftaten. Was die Polizei rechtlich dürfe, müsse sie auch technisch können. Zu oft werde das Schicksal von Verbrechensopfern kaum beachtet.
Beim Thema Vorratsdatenspeicherung sieht IT-Experte Thomas Tschersich von T-Systems einen „Drang, an man- chen Stellen ins Absurde zu gehen“. Tschersich lenkt den Blick weg von den Telefonverbindungsdaten: „IP-Adressen sind heute wichtiger. Aber Ermittlungen laufen oft ins Leere, weil die Daten nicht mehr da sind.“Um Cyberangriffe abzuwehren, müssten „mit Augenmaß neue rechtliche Regelungen“gefunden werden, betont der Experte. ...