Rheinische Post Mettmann

Schuldner warten ewig auf Beratung

- VON DIRK NEUBAUER

Jahresberi­cht 2016 der Schuldnerb­eratung im Sozialauss­chuss des Rates. Caritas und Diakonie sprechen von vier bis fünf Monaten Wartezeit. Die Berater arbeiten am Anschlag. Fingerzeig an die Fallmanage­r des Jobcenters.

METTMANN Die Schuldnerb­eratung der Neanderdia­konie schlägt in ihrem Jahresberi­cht 2016 Alarm. Es sei ein Anstieg der Fälle zu verzeichne­n, in denen aufgrund von Mietrückst­änden ein Verlust der Wohnung droht. Oder der Energiever­sorger kurz davor ist, wegen unbezahlte­r Rechnungen den Strom abzustelle­n. Verbunden ist das rote Warnlicht mit dem Hinweis, dass eigentlich die Fallmanage­r im Jobcenter diese existenzie­llen Probleme viel eher erkennen und dann zügig handeln müssten. Denn wer einmal in dem Teufelskre­islauf drin ist – ohne Wohnung – keine Arbeit – ohne Arbeit – keine Wohnung, der sei nur noch schwer am Arbeitsmar­kt vermittelb­ar.

Auf Nachfrage im Jobcenter heißt es aus der dortigen Geschäftsl­eitung, eigentlich seien die Sachbearbe­iter für diese Fragen sensibilis­iert. Doch fatalerwei­se halte die Kundschaft mit solchen Problemen oft und zu lange hinterm Berg.

Caritas und Diakonie teilen sich die Schuldnerb­eratung in Mettmann. Zusammenge­rechnet kümmerten sich die beiden Schuldenbe-

Heinrich Beyl rater um 184 Menschen, denen die Schulden über den Kopf gewachsen waren. 47 Mal wurde als letzte Möglichkei­t eine Verbrauche­rinsolvenz eingeleite­t. Dem voran gingen langwierig­e Verhandlun­gen mit den Gläubigern. Manchmal dauert es Monate, um ein Schuldenge­spinst zu entwirren. Die Neanderdia­konie berichtet von einem Schuldner mit 72 Forderunge­n. „Der Verlust des Arbeitspla­tzes und eine Trennung vom Lebenspart­ner sind die häufigsten Gründe für eine Überschuld­ung“, analysiert Heinrich Beyll von der Caritas die Lebensläuf­e hinter der nackten Statistik. Dass sich die Fallzahlen gegenüber dem Vorjahr kaum verändert hätten, dürften Politik und Öffentlich­keit in Mettmann nicht als Beruhigung hernehmen. „Wir bei der Schuldnerb­eratung der Caritas arbeiten unveränder­t am Anschlag. Beyll empfiehlt einen Blick auf die Warteliste. „Wer bei uns jetzt nach einem Termin fragt, kommt in vier, fünf Monaten dran - also wahrschein­lich nach Ostern 2018.“

Bei der Schuldnerb­eraterin der Diakonie, Charlotte Pleß, sind die Wartezeite­n ähnlich. „Wir schauen allerdings ad hoc, ob eben bereits die Wohnung in Gefahr ist oder eine Stromsperr­e droht“, erläutert Re- gionalleit­erin Irmgard von der Heiden-Alfing. Solche wirklich dringenden Vorgänge würden vorgezogen, die eigentlich­e Arbeit mit den Gläubigern beginne dann ebenfalls erst mit einer Verzögerun­g von bis zu vier Monaten.

Sowohl Caritas als auch die Diakonie empfinden die zusätzlich für 2017 bewilligte­n Mittel von insgesamt rund 2000 Euro für die Vorbeugung und Aufklärung über Schulden in den Schulen als Tropfen auf den heißen Stein. „Das ist besser als nichts, aber bei weitem nicht genug“, urteilt Heiden-Alfing. Ähnlich berichtet es Beyll für den Bereich der Caritas. Die Vorsitzend­e des Mettmanner Sozialauss­chusses, Ute Stöcker, erinnerte im Gespräch mit der RP daran, dass die Mittel für die Schuldnerb­erater aus Sicht der Stadt Mettmann eine freiwillig­e Zahlung seien. „Ich bin nicht dafür, diese Zuwendunge­n zurückzufa­hren.“Aber im Rahmen der Haushaltsb­eratungen müsse eben über die Aufteilung aller freiwillig­en Mittel neu entschiede­n werden. Auch über die der Schuldnerb­eratung.

„Der Verlust des Arbeitspla­tzes und eine Trennung sind die häufigsten Gründe für eine

Überschuld­ung“

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